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Martin von Tours aus der Römerstadt Savaria

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Colonia Claudia Savaria, Steinamanger, Szombathely („Samstagmarkt”) - rund 2.000 Jahre wechselvoller Geschichte in einer Stadt vereint. Hier wurde der heilige Martin geboren, der Landespatron des Burgenlandes.

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Colonia Claudia Savaria, Steinamanger, Szombathely („Samstagmarkt”) - rund 2.000 Jahre wechselvoller Geschichte in einer Stadt vereint. Hier wurde der heilige Martin geboren, der Landespatron des Burgenlandes.

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Es ist schon ein Dutzend Jahre her, daß uns der aus Szombathely stammende Emilio Vasari (mit bürgerlichem Namen Emil Csonka), Journalist, Publizist und vor allem berühmter Habsburg-Biograph, anvertraute: „Ungarn ist erst wieder frei, wenn ich wie in meiner Kindheit von Steinamanger hinüber nach Österreich gehen kann, um ein paar Schnittzeichnungen zu kaufen. Einfach so!” (Sein Vater war Schneidermeister.) Der 1958 nach den USA emigrierte Autor erlebte diese Freiheit nicht mehr; er starb 1982 in München. Jetzt könnte er es wieder tun...

Steinamanger blickt auf eine zweitausendjährige Geschichte zurück, Szombathely auf eine siebzigjährige. Steinamanger war eine römische „Colonia”, älter als unser Carnuntum, mit dem Namen Savaria. In Savaria kreuzte sich die Bernsteinstraße mit der großen Römerstraße nach Aquincum. Die mächtige Straßenkreuzung - aus riesigen Basaltplatten-ist heute noch zu sehen.

Hier in Savaria wurde als Sohn eines römischen Tribunen 316/317 der heilige Martin geboren, der Apostel Galliens und der Landespatron des Burgenlandes. Die Quaden waren noch nicht auf dem hiesigen Schau-platz aufgetaucht, daher funktionierte die Anbindung Pannoniens an das westliche Römerreich recht gut. Martin, der nach seinem Abschied von der römischen Armee zu seiner geistlichen Ausbildung zum Bischof Hilarius von Poitiers reiste und dort er seine Weihen empfing, kehrte auch nochmals nach Steinamanger zurück, um seine Eltern zu bekehren und die Arianer in Pannonien zu missionieren. 371 wurde er Bischof von Tours.

Nach 1945 widmete Ungarn dann den deutschen Jahrhunderten von Steinamanger weniger Aufmerksamkeit, umso intensiver wurde die römische Vergangenheit erforscht.

Die Funde aus dieser Zeit wurden beispielhaft konserviert und sind hinter dem Dom im Freilichtmuseum, aber auch im Bischofspalais ausgestellt.

In Szombathely findet sich ein Ise-um, ein Isis-Heiligtum, übrigens das einzig erhaltene außerhalb von Italien. Wahrscheinlich stammt es aus der Zeit des Kaisers Claudius, der um 40 unserer Zeitrechnung Savaria zur „Colonia” erhoben hatte. Septimus Severus hatte hier seine Opfer der Göttin dargeboten, nachdem man ihn in Savaria zum Kaiser gekrönt hatte.

Der Hauptplatz (Berszenyi Daniel ter) selbst bildet ein harmonisches Zentrum, das von der Architektur des Melchior Hefele aus dem 18. Jahrhundert geprägt ist. Der Bischof Jänos Szilg, der Hefeies Wirken und Kunstfertigkeit am Dom von Raab (Györ) beobachten konnte, berief den Baumeister nach Steinamanger und betraute ihn mit dem Neubau des Domes (1791 bis 1815), des Bischofspalais und des Dechantenhauses (letztere auf Nr. 3 und Nr. 1 des Berzsenyi Daniel t6r). Der zweitürmige Dom in seiner, Jklassizierenden spätbarocken” Pracht ist auf dem nahegelegenen Templom ter zu bewundem.

Basilika des heiligen Quirinus

Neben dem Dom befindet sich das historische Freilichtmuseum der Stadt, derJärdäny-Paulovits-Istvän-Ruinen-garten, wo Überreste der spätrömischen und frühchristlichen Bauten besichtigt werden können. Die wertvollsten Ruine des Freilichtmuseums ist wohl die der St.-Quirinius-Basili-ka aus dem 4. Jahrhundert. Die Basilika war die größte altchristliche Kirche des einstigen Pannoniens, an deren Verbindung mit Aquileia ein herrliches Fußbodenmosaik erinnert.

Wer den Spuren von Melchior Hefele weiterfolgen will, sollte die vom Berszenyi ter ausgehende Alkotmäny utca besuchen. Auf Nummer 1 findet er das Ende des 18. Jahrhunderts erbaute Priesterseminar (Bibliothek mit 60.000 Bänden, 16 Kodices, 100 Handschriften), auf Nummer 2 das

„Eölbey-Haus”, erbaut nach Hefele-Plänen zwischen 1796 und 1800.

Was an den Städten in Westungarn besonders auffällt, ist der Umstand, daß oft nur wenige Meter vom Stadtkern entfernt, wo die bürgerliche Architektur des Spätbarock und des Klassizismus verherrscht, sich eine richtige Bauemarchitektur ins Bild mischt. So wie für Szombathely gilt das etwa auch für Esztergom, Vesz-prem und Sopron.

Das Museumsdorf Vas

Findige Lokalhistoriker haben daher in den sechziger Jahren begonnen, Bauemarchitektur aus Stadt und Dorf zu sammeln und in Form eines „Skan-sen” (Freilichtmuseum) der Öffentlichkeit zu präsentieren. Im Nordwesten der Stadt befindet sich seit 1973 das „Vasi Müzeumfalu” (Museumdorf Vas). Zur Zeit sind an die vierzig Gebäude zu sehen, die größtenteils aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert, stammen. Die Häuser stammen aus 27 Gemeinden und dokumentieren auch die Baukunst und Wohnkultur der kroatischen, slowenischen und deutschen Bewohner des Komitats von Vas.

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