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Martinus Heimkehr

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Bohuslav Martinu, vor 100 Jah­ren am 8. Dezember 18 9 0 in Policka geboren, hat den größeren Teil sei­nes Lebens in der Emigration ver­bracht: Zuerst freiwillig in Paris, später unfreiwillig in Frankreich, in den USA, in der Schweiz, wo er 1959 starb. Erst zwanzig Jahre später wurde sein Sarg auf den Friedhof des mährischen Städt­chens Poliöka überführt.

Martinus Musik wird immer noch als „modern" empfunden, sein Lebenswerk umfaßt weit über 400 Titel aller Sparten und aller denk­baren Besetzungen. Martinu hat sich von seiner Umgebung inspirie­ren lassen, er hat reagiert auf die Zeit, die er durchlebte. Als er 1923 nach Paris ging, erregten ihn die geistigen Strömungen wie Surrea­lismus oder Dada, aber ebenso die Automobile, die Flüge mit den Aeroplanen, das Flimmern der Weltstadt.

Eines seiner Meisterwerke, „Half time", ist vom Fußball inspiriert. Dazu kam die große Herausforde-rung des Jazz. Seine erste Oper „ Der Soldat und die Tänzerin" erinnert an Ernst Kreneks Oper „Johnny spielt auf". Tanzende Gegenstän­de, ein singender Mond, Regisseur, Souffleur und Kritiker mischen sich ebenso in die Handlung wie der alte Plautus und sein später Kollege Moliere. Eine Jazzband ist natür­lich auch dabei. Manchmal glaubt man fast, ein Musical zu hören.

Martinu hat viel, vielleicht allzu viel komponiert, für alle möglichen Gelegenheiten und Anforderungen. Beim kürzlich in Brünn abgehalte­nen Internationalen Musikfest konnte man Werke aus verschiede­nen Schaffensperioden miteinan­der vergleichen, auch die zeitge­nössischen Komponisten, mit de­nen er in Kontakt war (Roussel, Igor Strawinsky, Darius Milhaud) wurden ins Programm einbezogen. Immer wieder drängte sich in sein Schaffen die Erinnerung an die Heimat, die er oft, zuletzt 1938 besucht hatte, die er dann meiden mußte und die ihn nach der kom­munistischen Machtergreifung nicht mehr wollte. Als endlich die Heimkehr möglich schien, war er schon vom Tode gezeichnet.

Es gab aber eine rege Korrespon­denz und mancherlei Anregungen aus der Volksmusik, die er vielfach verwendete. Dazu gehörten zahl­reiche Chorwerke. In den letzten Lebensjahren entstanden einige volkstümlich-schlichte Kantaten nach Texten des mährischen Lyri­kers Miroslav Bures, von denen eine, „Das Maifest der Brünnlein" auch beim Festival erklang.

Die Musikstadt Brünn, aus der einst Sänger wie Maria Jeritza und Leo Slezak hervorgingen, wo Leos Janäcek wirkte und wo vermutlich alle Werke von Martinu einmal aufgeführt worden sind - die Haupt­stadt Mährens hat Not an passen­den Sälen. Das traditionelle „Be-sedni dum", das slawische Vereins­haus, ist so verfallen, daß sogar die Büro- und Probenräume der Staats­philharmonie ausziehen mußten. Sie fanden Unterschlupf im Tho­mas-Kloster, wo bisher das „Mu­seum der Arbeiterbewegung" un­tergebracht war.

Orchesterkonzerte müssen bis auf weiteres in einem der beiden gro­ßen Theater stattfinden. Für kleine Konzerte steht ein Saal in dem repräsentativ gemeinten Neubau zur Verfügung, der bisher der Par­teileitung des südmährischen Krei­ses gehörte. Bei Bedarf stehen wohl auch Kirchen zur Verfügung. Aber Kirchenmusik findet sich bei Mar­tinu nicht.

In Kremsier, wo einst die Fürst­erzbischöfe von Olmütz den Som­mer verbrachten und eine Hofka­pelle unterhielten, erklangen Werke der damaligen Hofkapellmeister in einer ehemaligen Klosterkirche wurde.

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