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Massenmedium Typ Fahrrad

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Massenmedien - wie wir sie verstehen - sind in der Dritten Welt keine Medien für Massen. Die Kommunikation geht andere Wege, harmonisch mit Kultur und Religion verbunden.

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Massenmedien - wie wir sie verstehen - sind in der Dritten Welt keine Medien für Massen. Die Kommunikation geht andere Wege, harmonisch mit Kultur und Religion verbunden.

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Ende Oktober in New Delhi. Mehr als 400 Delegierte aus 48 Nationen aller Kontinente sind nach Indien zum 14. Kongreß der Katholischen Weltunion der Presse (UCIP) angereist. Sein Thema: „Kommunikation - Kultur - Religion“.

Die Pluralität der Völker und Sprachen, der Religionen, der philosophischen Ideen, der künstlerischen Stile und Monumente sowie der kulturellen Traditionen ist in diesem Subkontinent Asiens allgegenwärtig.

Hier passiert Kommunikation noch unmittelbar und ursprünglich: vom Ich zum Du.

„Das wichtigste Massenmedium Indiens ist das Fahrrad“, meint ein indischer Kollege im Gespräch. Nein, kein Hörfehler, nicht Massenverkehrsmittel hat er gesagt. Westliche Vorstellungen geraten ins Wanken.

64 Prozent der 750 Millionen Inder sind Analphabeten. Das sind die Massen. Massenmedien sind in der Realität der Dritten Welt Iriformationsstränge der Minderheit, stecken im elektronischen Rereich überhaupt in den Kinderschuhen.

In einem Dorf, erzählt der indische Kollege weiter, nicht einmal 100 Kilometer von New Delhi entfernt, gibt es ein Radiogerät, dafür gut 60 Fahrräder. Fährt ein Mann zum nächstgelegenen Markt, kehrt er von dort mit den Neuigkeiten, die ihm zu Ohren gekommen sind, in sein Dorf zurück, erzählt sie weiter.

Massenmedien, wird plötzlich bewußt, sind ihrer Natur nach auf ihre Sprach- und Kulturräume fixiert, der Rrückenschlag zwischen Kulturen und Sprachen ist bestenfalls ihr Nebenprodukt.

Damit zufriedengeben? Nein. „Die Massenmedien in aller Welt“, formuliert es Hanns Sassmann, sechs Jahre hindurch ein dynamischer Präsident der UCIP, „sind berufen, den Dialog der Kulturen und Religionen, das Gespräch der Zeit und das Gespräch unter den Menschen zu Öffnung und Verstehen zu führen.“

Öffnung aber, war Tenor vor allem der Diskussionsbeiträge aus der Dritten Welt, soll Quelle der menschlichen Rereicherung seih und nicht der Entfremdung. Der Einbruch der Massenmedien in alte Kulturen kann Traditionen verändern, oftmals auch Identitäten rauben.

Eestehende Kulturen bereichern, auch bei der Verbreitung des katholischen Glaubens: Erz-bischof John Foley, dem Präsidenten der Päpstlichen Medienkommission, ist voll zuzustimmen. Können aber nicht ebenso andere Kulturtraditionen wesentlich die christliche Frohe Eot-schaft bereichern?

Francis Rarboza, ein junger indischer Priester, tanzt sie ausdrucksstark. Kultur und Religion im Dienst der Kommunikation zwischen Mensch und Gott, zwischen Mensch und Mensch. Kommunikation als Grundvoraussetzung für Kultur und Religion.

Darf ein Priester tanzen? Selbst indische Priesterkollegen poltern dagegen, verwehren alter Tempelkunst den Einzug in den Kirchenraum.

Wird die Chance der Inkulturation wirklich genützt? Zweifel werden von Vertretern der Dritten Welt — berechtigt — angemeldet. Dabei haben die Eemühun-gen Tradition. Und Huang-f u Ho-wang aus Taiwan verweist auf den Versuch des Jesuiten Matteo Ricci vor vier Jahrhunderten, im China der Ming-Dynastie konfuzianische Humanität mit der christlichen Rotschaft der Liebe zu verbinden. Doch Rom sagte nein.

Es bedarf immer neuer Anläufe. Das ist „eine Uraufgabe gläubiger Kommunikation in den Massenmedien“ (Sassmann). Christlicher Glaube, die erlösende Eot-schaft, kann nur dort ihre lebendige Kraft entfalten, wo sie in die jeweilige Kultur eingebettet ist. Davon hat der Weltkongreß der UCIP überzeugt. Eine wesentliche

Erfahrung, die wir Teilnehmer der Ersten und Zweiten dem Gespräch mit Kollegen der Dritten Welt verdanken.

Was wissen wir denn wirklich von ihr? Sind wir in der Lage, unsere Brille abzulegen?

Beeindruckend Kardinal Jaime Sin, Erzbischof von Manila, der am praktischen Beispiel der philippinischen ,iRösenkranz-Revö-lution“ - die FURCHE wird darauf zurückkommen — der tiefgreifenden Verbindung von Kommunikation, Kultur und Religion eine weltbewegende Dimension verlieh. Nur logisch, daß der philippinische Publizist Felix Rauti-sta „in Anerkennung und Würdigung für Verdienste um die Freiheit des Wortes“ die heuer erstmals verliehene Goldene Medaille der UCIP erhielt. Unser Reifall für ihn verpflichtet uns. Zur Nachahmung unter ungleich bequemeren Redingungen.

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