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Massenwahn Fußball

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Ich sehe die Fußball-Leidenschaft der letzten Wochen als Ausbruch von kollektivem Irresein. Daß die Österreicher ihre Niederlage so ru- • hig hingenommen haben, zeigt immerhin, daß der Wirklichkeitsverlust nicht total war.

Stelle ich mir aber vor, wie sie durchgedreht hätten, wären wir durch einen dummen Zufall Weltmeister geworden, kann ich nur aufatmend sagen: Wir sind noch einmal davongekommen!

Nichts gegen den Sport, nichts gegen Fußball! Daß aber ein von 22 Leuten, mit denen ich kein Wort zu reden wüßte, auf einer Wiese herumgestoßener Ball das Fernsehprogramm umwirft, daß wochenlang Weltgeschehen nur noch dann im Fernsehen vorkommt, wenn der Fußball pausiert, finde ich für Menschen mit einem Rest von wachem Verstand unzumutbar.

Warum nicht alle Aufführungen des Berliner Theatertreffens live? Warum nicht die Schach-Weltmeisterschaft? Warum nicht drei Wochen dreimal täglich zwei Stunden TV-Diskussion über den Frieden?

Ich möchte sehen, wie dann alle jene aufheulen, die Fußballorgien selbstverständlich finden. Deren protestlose Hinnahme ist für mich ein Beweis dafür, daß primitive Atavismen in unserer Gesellschaft Vorrechte genießen, von denen jene, die auf eine wenigstens etwas bessere, etwas menschlichere Welt hinarbeiten, nur träumen können.

Sicher wird in der Fußballleidenschaft etwas kanalisiert, werden Energien besser hier abgelassen als gegen Minderheiten.

Aber man kann sich ja auch anders „abreagieren”, kann sich für Frieden einsetzen, gegen Ungerechtigkeit auftreten, für eine bessere Welt arbeiten. Die das tun, sind mir lieber als die Fußballfans.

Denn wenig, wofür sich Menschen begeistern, ist so unproduktiv, so sinnleer wie der Fußball. Ist er etwa deshalb auf der ganzen Welt, oben und unten, so populär?

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