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MATURA UND MATURANTEN

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„Maturitätsprüfungen”, ein wesentliches Element der umfassenden Schulreform von 1849 (auf Gymnasien und Realschulen bezogen), haben seit ihrer Einführung die Aufgabe, den Ausbil-dungs- und Leistungsstand der Kandidaten zu überprüfen und ihre „Reife zum Besuch einer Universität/Hochschule” festzustellen. Seit 1908 wird offiziell von „Reifeprüfungen” gesprochen; im allgemeinen Sprachgebrauch blieb es aber bei der „Matura” (Maturant, hat maturiert).

Starke Ausweitungen und Differenzierungen des mittleren (später: höheren) Schulwesens, die schon zu Beginn unseres Jahrhunderts einsetzten, besonders aber in der zweiten Jahrhunderthälfte verstärkt wurden (zuletzt wurden die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik als höhere Schulen definiert), führten zu einem breiten Spektrum des Begriffes „Maturität”, von der Feststellung der Hochschulreife (Universitätsreife) bis zur Verbindung von Hochschulreife und beruflicher Qualifikation reichend..

Zu den Absolventen der allgemeinbildenden höheren Schulen, der verschiedenen Fachrichtungen berufsbildender höherer Schulen und der höheren Schulen zur Ausbildung in pädagogischen Berufen kommen Maturanten des Zweiten Bildungsweges (höhere Schulen für Berufstätige, Aufbauschulen) und des Exter-nistenstudiums sowie - in diesen Fällen ausschließlich auf Hochschulstudien orientiert - Inskribierende mit Berufsreifeprüfungen beziehungsweise Studienberechtigungsprüfungen.

Die Entwicklung neuer Einrichtungen im tertiären Bildungsbereich (Fachhochschulen), die aufgrund ihrer anwendungsbezogenen Ausbildungsformen als die künftigen Hochschulen der Industriegesellschaft angesehen werden, wird mit der „Fachmatura” einen weiteren, wichtigen Aspekt des Hochschulzuganges in das Blickfeld rücken.

Rund 33.500 Schülerinnen und Schüler haben im Schuljahr 1990/91 die Abschlußklassen (12. beziehungsweise 13. Schulstufe) der höheren Schulen besucht; von den Ergebnissen in diesen Abschlußklassen hängt jeweils die Zulassung zur Reifeprüfung ab. Etwas mehr als 30.000 Absolventen werden zu den Reifeprüfungen antreten (14.500 von den AHS, 15.800 von den BHS). Ort der Reifeprüfungen sind die Reifeprüfungskommissionen an den jeweiligen Schulen (mit einem externen Vorsitzenden); Bestandteile der Reifeprüfungen sind die schriftlichen Arbeiten (Klausurarbeiten) aus festgelegten Prüfungsfächern und die mündlichen Prüfungen aus gewählten Fächern. Die Ergebnisse der Reifeprüfungen werden mit den Kalkülen „mit ausgezeichnetem Erfolg bestanden”, „mit gutem Erfolg bestanden” und „bestanden” beurteilt. Wiederholungen von negativ beurteilten Prüfungsgebieten sind im folgenden Schuljahr zum Herbst- beziehungsweise Frühjahrstermin möglich.

Ausbau von Fachhochschulen

Studierfähigkeit (wissenschaftliche Qualifikation) und Berufsfähigkeit (Qualifikation zur Ausübung eines gehobenen Berufes) bilden wohl die wichtigsten Kriterien für den Bildungsgang (Inhalt und Methoden) an den AHS-Oberstufen und an den BHS einschließlich der Prüfungsformen zur Feststellung der „Reife”.

Bereits in den „Instruktionen” des Jahres 1849 wird in Zusammenhang mit Lehrplänen und Maturitätsprüfungen von den Grundsätzen der „Selbsttätigkeit der Schüler” und der „Selbständigkeit im Bildungserwerb” gesprochen, und zwar mit deutlichem Hinweis darauf, „daß in den einzelnen Gebieten nicht die Menge der

Kenntnisse an sich, ja nicht einmal die Sicherheit dieser Kenntnisse allein, den Maßstab des zu Leistenden bilden dürfe”, sondern daß es um die Aneignung von Wissen und Kenntnissen durch die eigene Tätigkeit der Schüler gehen müsse, „wodurch aus dem bloßen Wissen ein Können wird”.

Um die Realisierung solcher (oder sehr ähnlich formulierter) Grundsätze geht es bei der Entwicklung neuer Vorstellungen für die Gestaltung von Lehrplänen und Prüfungsformen unentwegt! Deutliche Beispiele hiefür geben einige Aspekte der derzeit laufenden Reform der AHS-Oberstu-fe, die mit dem Maturajahrgang 1992/ 93 den ersten Durchgang erfahren haben wird: Wahlpflichtgegenstände, Fachbereichsarbeit, Themenstellungen für die Klausurarbeiten, Schwerpunktbildungen bei den mündlichen Prüfungen, Verstärkung der fremdsprachlichen Kompetenzen. Unter solchen Bedingungen kann die Matura sowohl die Studierfähigkeit besser sichern als auch die europäischen Perspektiven stärker betonen.

Etwa ein Drittel der von der AHS kommenden Maturanten gehen nicht an die Universitäten und Hochschulen weiter, sondern suchen Übergänge in den Beruf. Leider haben die inhaltlich sehr gut konzipierten Kollegs aufgrund ihres Status (Schule, Schüler) nicht jenen Anklang gefunden, der vielfach gewünscht wurde. Abgesehen von notwendigen Lösungen im Hinblick auf die europäische Integration sollten hier durch die geplanten Fachhochschulen wesentliche Verbesserungen im Angebot selbst wie auch Umschichtungen in der zahlenmäßigen Verteilung der Studienanfänger erreicht werden.

Vorbereitungen auf den Eintritt in Fachhochschulen durch Information, Beratung und Praktika werden in den Lehrplan der AHS ohne zeitliche Verlängerung der Bildungsdauer bis zur Matura eingebaut werden müssen. Daß dies durchgeführt werden kann, zeigen mehrere Versuchsvorhaben auch in der Zeit erschwerter Zugänge zu beruflichen Qualifikationen, wobei die Verbindung von Maturazeugnis und Gesellenbrief wei terhin bestehen, aber doch auf relativ wenige Exempla eingeschränkt bleiben wird.

Höhere Ausbildungsqualität

Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt die Tatsache dar, daß BHS-Absolventen in zunehmender Zahl unmittelbar nach ihrer Matura ein Hochschulstudium beginnen (von den HTL-Maturanten des Jahres 1970 sind etwa 25 Prozent, von denen des Jahres 1990 etwa 60 Prozent in ein Hochschulstudium eingetreten, wobei in erster Linie technische und betriebswirtschaftliche Studien gewählt wurden). Auch diese Entwicklung weist deutlich in Richtung erhöhter und weiterführender Ausbildungsqualitäten für die künftige berufliche Tätigkeit!

Verlagerungen von Differenzierungen in den tertiären Bildungsbereich werden es in jedem Typus und jeder Fachrichtung der höheren Schule stärker als bisher ermöglichen, Bereiche der grundlegenden Bildung auszubauen, Orientierungen nach individuellen Bedürfnissen zu berücksichtigen und die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen als eine vordringliche Aufgabe zu erfüllen. Der Autor ist Sektionschef im Unterrichtsministerium.

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