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Digital In Arbeit

Medien als Mensch-Ersatz?

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Alle Untersuchungen, aber auch die Beobachtungen aus der Medienpraxis, zum Medienverhalten alter Menschen beweisen, daß diese Altersgruppe eine weit über dem Durchschnitt liegende Medienbezogenheit hat und gegenüber allen anderen Altersgruppen die intensivste Mediennutzung übt.

Aus eigener langjähriger Beobachtung in meiner verlegerischen Tätigkeit glaube ich mit Fug und Recht sagen zu können, daß diese starke Zuwendung der Senioren zu Zeitungen, zu Hörfunk und Fernsehen, nur zum Teil mit den unbestreitbar äußeren, veränderten Lebensbedingungen der Alten erklärt werden kann.

Natürlich bringt das höhere Ausmaß an Freizeit eine deutlichere Beschäftigung mit den Medien mit sich. Das Informationsund Unterhaltungsangebot wird durch die Medien außerdem ja direkt in das Wohnzimmer transportiert.

So erfreulich diese Art von stärkerer und intensiverer Kommunikation sein kann, Gefahrenmomente für die Grundbefindlichkeit des älteren Menschen sollten nicht übersehen werden. Ernst Jünger erzählte dazu einmal ein drastisches Erlebnis. Einer seiner Freunde machte einer Dame, die gerade ihren Mann verloren hatte, einen Kondolenzbesuch. Die Antwort der Witwe war nach einigem Bedauern eine Art merkwürdiger Selbsttröstung. Sie sagte: „Ach, ich habe ja das Fernsehen.”

Wenn das Fernsehen nun schon einen Menschen ersetzen kann, meinte Ernst Jünger, das ist doch eigentlich fürchterlich! Dem ist voll zuzustimmen. Die Medienzu- / wendung älterer Menschen kann — und wird wahrscheinlich gar nicht selten - in vieler Hinsicht zu einer „Ersatzpartnerschaft” werden können. Es soll gar nicht unterschätzt werden, daß sich der alleingelassene oder einsam fühlende Pensionist nun mit dem Rundfunk und Fernsehgerät sozusagen „wünscht”, jemanden im Zimmer zu haben, oder auch in der Zeitung plötzlich einen „Gesprächspartner” erblickt. Genügen aber soll und darf diese imaginäre, und doch auch wiederum sehr gegenständliche, Abhängigkeitsbeziehung nicht.

Dem entgegen wäre das starke Interesse älterer Menschen vielmehr gerade von den Medien-Verantwortlichen als eine große Chance für eine aktive und aktivierende Partnerschaft zu erkennen und zu nützen. Die Medien dürften nicht noch mithelfen, solche Ersatzbeziehungen zu schaffen, sondern sollten alle Dienste leisten, um die Senioren zur aktiven Teilnahme am Leben, an Gemeinschaften und persönlichen Beziehungen anzuregen und zu fördern.

So notwendig und erfreulich die Beachtung typischer Seniorenprobleme in Form von eigenen Seniorenseiten oder Beilagen und ausgeprägten Seniorensendungen ist, sie allein können eben auch eine gewisse Isolation älterer Menschen in einem „Schonbezirk” oder einem ghettoähnlichen „Medienreservat” bedeuten.

Auch in den Medien geht es um die Integration und nicht um die Versorgung der „lieben” Alten. Vielmehr wäre der Fragenkomplex zu behandeln: Wie können Menschen in einem neuen Lebensabschnitt sich der Welt anschließen in Weisheit, Erfahrung und Harmonie und nicht „wie wird man medienwirksam alt gemacht”?

Der Tatsache, daß heute die Angst vor dem Altern an keine bestimmte Generation oder Altersgruppe gebunden ist, wird zuwenig oder so gut wie gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Für Menschen aller Lebensalter existiert — und das weit verbreitet — eine oberflächliche Sicht des Alterns, die, stärker als allgemein angenommen, eine quälende und zugleich immer wieder verdrängte Angst auslöst.

Alter, das ist in einer solchen ängstlichen Betrachtungsweise die Summe aller Abnützungserscheinungen und Beschwerden, ist mit Last und Krankheit und Mühseligkeiten aller Art und mit einem Fuße schon im Grabe stehen, verbunden.

Alter heißt, eingestanden und uneingestanden, auch schon für sehr viele junge Menschen das brutale Ende jedes menschlichen Daseins nahe wissen.

Das Alter hingegen im ganzen Lebensvollzug und auf dem ganzen Lebensweg besser und tiefer verstehen lernen, erscheint mir dagegen eine der wesentlichen und großen humanen Verpflichtungen der Meinungsbildungsprozesse zu sein.

Nur so wird geholfen werden, das Leben selbst besser zu bewältigen und das Alter nicht nur als Schicksal, sondern als Aufgabe begreifen zu lernen.

Teilauszug aus einem Referat, das der Autor, Generaldirektor des Styria-Verlages, im Juni vor dem internationalen EURAG-Kongreß „Europas filtere Generation” in Graz gehalten hat

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