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Digital In Arbeit

Medien in den Dienst genommen

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Vor fast genau 21 Jahren ist „Communio et Progressio" erschienen, das Grundsatzdokument der katholischen Kirche über die gesellschaftliche Kommunikation. Seit der vorigen Woche gibt es eine mit dem 22. Februar 1992 datierte ergänzende Pastoralinstruktion „Aetatis Novae".

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Vor fast genau 21 Jahren ist „Communio et Progressio" erschienen, das Grundsatzdokument der katholischen Kirche über die gesellschaftliche Kommunikation. Seit der vorigen Woche gibt es eine mit dem 22. Februar 1992 datierte ergänzende Pastoralinstruktion „Aetatis Novae".

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Sie ist erwachsen aus der Arbeit des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel und unterzeichnet von seinem Präsidenten Erzbischof John P. Foley. Über den Geist des Dialogs wird man nachdenken müssen.

In den 21 Jahren ist auf dem Feld der Kommunikation viel geschehen, - ob es eine Revolution war, wie es die Überschrift der Einleitung des neuen Dokuments suggeriert, möchte ich dahingestellt sein lassen. Wenn ja, dann hat sie 1936 mit den TV-Kameras im Berliner Olympia-Stadion begonnen: Massenereignisse wie Massenfiktionen sind seitdem massenhaft multiplizierbar geworden. In ihrem globalen Siegeszug ist die elektronische Revolution im Begriff, sich zu vollenden. Die neue Instruktion tut gut daran, „allen jenen, die mit den pastoralen Konsequenzen der neuen Wirklichkeit konfrontiert werden, ein Arbeitsmittel und ein Mittel der Ermutigung in die Hand geben" zu wollen (Nr. 1).

Sie setzt den Akzent sehr viel stärker als „Communio et Progressio" auf die pastorale Vorsorge und Praxis, denn die „Revolution im Kommunikationsbereich berührt auch die Vorstellungen, die die Menschen von der Kirche haben"; das alles habe „beachtliche pastorale Konsequenzen" (Nr. 4).

Der neue Text gliedert sich - nach der Einleitung - in fünf Kapitel und einen Anhang. Dabei geht es um das „Umfeld der sozialen Kommunikation", die „Aufgabe der Kommunikation", „aktuelle Herausforderungen", „pastorale Planung" und (im Anhang) um „Elemente eines Pastoralplans für soziale Kommunikation", eine Art Muster, beinahe im „How to ..."-Stil. Hatte „Communio et Progressio" 1971 mit. dem Satz geendet: „Entgegenstehendes ist hiermit außer Kraft gesetzt", so ist man froh, diese Formel hinter dem neuen Dokument nicht zu finden. Denn vieles, was man damals geradezu als Befreiungsschlag erlebt hatte, als Verabschiedung muffiger Verklemmtheiten im Verhältnis zwischen Kirche und Medien, treffen wir im neuen Text nicht wieder an. Ich erinnere nur an die Anerkennung der Funktion der Öffentlichen Meinung schlechthin und besonders der Öffentlichen Meinung innerhalb der Kirche, ferner an den seinerzeit dokumentierten Respekt vor der Eigengesetzlichkeit der Medien und den Sachzwängen der journalistischen Arbeit. (Außer Kraft gesetzt wird nichts, aber vielleicht anders betont?)

Wo es konkret wird, übernimmt der respektable, aber in manchen Aspekten doch wieder hinter die Freiheit des Zweiten Vatikanums zurückführende Begriff des „Dienstes" das Regiment, - die Medien „im Dienst" der Menschen und der Kulturen, des Dialogs mit der Welt, der menschlichen Gemeinschaft und des sozialen Fortschritts, der kirchlichen Gemeinschaft und der Neuevangelisierung.

Die dahinterstehende Sorge um den Menschen ist an einigen Stellen eindrucksvoll ausformuliert worden, so etwa in der Befürchtung, „daß die zwischenmenschlichen Beziehungen in immer größerem Ausmaß durch den Gebrauch der Medien und durch die leidenschaftliche (?) Identifizierung mit den fiktiven Helden ersetzt werden" könnten (Nr. 7).

Andererseits führt die Betonung des Dienstes unvermeidlich zu der Vermutung, daß man hier zum vorkonziliaren Medien-Instrumentalismus zurückzukehren im Begriff steht, also zur „zweiten Kanzel", zum „Sprachrohr des Bischofs" oder zum „Arm der Seelsorge": Die sozialen Kommunikationsmittel können und müssen (!) Werkzeuge sein im Dienst des Planes der Kirche zur Reevangelisierung beziehungsweise Neuevän-gelisierung in der heutigen Welt. Das wird die Kirche ihren eigenen Medien (den „spezifisch katholischen Mitteln", Nr. 17) auferlegen können, aber wie wir die säkularen und insbesondere die am Geldverdienen interessierten Medien kennen, werden diese sich wenig um ein neues Dienstprogramm scheren.

Sie werden vielmehr fortfahren, aus dem Leben der Kirche jene Stoffe zu verarbeiten, die nach den Maßstäben des öffentlichen Marktes Nachrichtenwert haben. Das sind einerseits die nachweislich guten Taten und andererseits Konflikte. Vom zweiten hat die Kirche zur Zeit viel zu bieten, darunter auch solche Konflikte, die sich aus der Mißachtung der Grundsätze von „Communio et Progressio" ergeben. In einem Land, wo ein Bischof dem anderen das Rednerpult verbietet, nur weil dieser über pastorale Notwendigkeiten in Lateinamerika anders denkt und wohl auch sprechen würde, muß man sich nicht wundern, wenn daraus ein Medienthema wird.

Die Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses zur öffentlichen Meinung innerhalb der Kirche wird von Profi-Journalisten ohnehin nur mit einem Augenzwinkern akzeptiert. Das neue Dokument stärkt sie nicht gerade, wenn es aus der mißtrauisch aufgenommenen „Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen" (1990) ausgerechnet jenen Satz übernimmt, nach dem man „im Fall von Meinungsverschiedenheiten" im Auge behalten soll, „daß ,man nicht durch das versuchte Ausüben von Druck auf die öffentliche Meinung zur Klärung von Lehrfragen beitragen und der Wahrheit dienen wird'" (Nr. 10). Die noch halbwegs an der Kirche, meist aber nur an ihren Konflikten interessierten Medien und Buchverlage werden sich Anlässe vom Typus Küng und Drewermann, Boff und Kräutler nicht aus der Hand nehmen lassen, und auch die Kontrahenten werden nicht auf ihre „Instrumente" verzichten, nur weil es eine neue Instruktion gibt.

Für die Länder der .jungen Kirche" scheinen manche praktischen Passagen formuliert und nicht für das hochdifferenzierte und wohlausgestattete Europa. Das ist ein noch zu schreibendes Kapitel für sich, das wie eine weitere, meines Ermessens sehr wichtige, Anregung („Theologie der Kommunikation", Nr. 8) in der künftigen Kommentierung der Instruktion nicht übergangen werden darf.

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