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Mediterraner Kreuzungspunkt

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Was Malta und Gozo schon vor einer Reise dorthin sympathisch macht, ist die Tatsache, daß sie -obwohl von fast 900.00 Touristen jährlich besucht - keine Modeinseln für mondäne Neureiche sind. Statt weißen Sandstränden und Cocktails gibt es hier jede Menge Kultur und eine lange und abwechslungsreiche Geschichte.

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Was Malta und Gozo schon vor einer Reise dorthin sympathisch macht, ist die Tatsache, daß sie -obwohl von fast 900.00 Touristen jährlich besucht - keine Modeinseln für mondäne Neureiche sind. Statt weißen Sandstränden und Cocktails gibt es hier jede Menge Kultur und eine lange und abwechslungsreiche Geschichte.

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Die geographische Lage der drei kleinen Inseln Malta, Gozo und Co-mino war für ihr Schicksal bestimmender als anderswo. Der Name Malta, wahrscheinlich auf das phönizi-sche Wort „malat" für Hafen oder Zuflucht zurückgehend, deutet schon an, daß dieses kleine Eiland vielen seefahrenden Völkern Schutz bot. Damit untrennbar verbunden ist aber auch die strategische Bedeutung. Im Herzen des Mittelmeeres gelegen, war Malta bis zum Zweiten Weltkrieg stets ein Angriffsziel bei Eroberungsfeldzügen. Auch wenn nicht alle Versuche, Malta zu erobern, erfolgreich waren, ist doch eine kulturelle Vielfalt entstanden, der die Malteser heute ihre Haupteinnahmequelle verdanken: dem Tourismus.

Früh begann die Geschichte auf Malta. Im fünften Jahrtausend vor Christus segelten vermutlich ein paar Schiffe voller Menschen die 60 Kilometer von Sizilien nach Malta und Gozo. Im Laufe der Jahrhunderte entstand eine eigene Kultur, die von 3.600 bis 3.200 vor Christus die imposanten Megalithtempel in Ggantija auf Gozo, die ältesten Steintempel der Welt (älter als die ägyptischen Pyramiden), hervorbrachte. Man weiß nicht allzu viel von dieser Kultur, die genauso rätselhaft verschwand, wie sie auftauchte. Klar ist, daß diese Menschen eine Fruchtbarkeitsgöttin anbeteten, eine sogenannte „Magna Mater", für die im Laufe von etwa 1.000 Jahren über dreißig Tempelanlagen auf Malta und Gozo errichtet wurden. Darin hat man Tische für Tieropfer, Orakelsteine und zahlreiche Phallus- und Vaginasymbole gefunden. Herrscher in diesen meist kleeblattförmigen Tempelbezirken war eine Priesterklasse.

Wer auch die Entwicklung dieses prähistorischen Volkes verfolgen will, sollte auch die etwas jüngeren Tempelanlagen von Mnajdra auf Gozo und

Hagar Qim, Ta Hagrat und Tarxien auf der Hauptinsel sowie das „Hypo- * gäum" von Hai Saflieni, die unterirdische Totenstadt, besuchen. Dabei empfiehlt sich allerdings trotz Hitze festes Schuhwerk, da die Steine sehr glatt sind. Wie und warum diese Kultur zugrunde gegangen ist, darüber kann man nur spekulieren. Die Menschen könnten durch mehrere Mißernten zum Auswandern gezwungen worden sein, oder ein Aufstand gegen die Priesterklasse könnte zum Bürgerkrieg geführt haben. Jedenfalls verschwand auf Jahrhunderte die hoch entwickelte Kunst.

Phönizier bringen die Sprache

Die vorgeschichtliche Epoche geht mit dem Eintreffen der Phönizier im achten Jahrhundert zu Ende. Sie brachten Malta die semitische Sprache, die vermischt mit arabischen, normannischen und englischen Begriffen bis heute Landessprache ist. Sonst haben diese Seefahrer kaum Spuren hinterlassen. Sie wurden von den Karthagem abgelöst, die Malta im sechsten Jahrhundert zu einem Teil des puni-schen Reiches machten. Doch wird angenommen, daß die Mittelmeerinsel mehr Freiheiten hatte, als andere von den Karthagem eroberte Gebiete. Darauf weisen Funde von griechischen und ägyptischen Gegenständen.

Der für heute wichtigste Import der Griechen war ihr trojanischer Held Odysseus, der laut Homer auf der Insel Ogygia (für einige Forscher ist das Gozo) von der verführerischen Nymphe Kalypso sieben Jahre lang festgehalten wurde. Eindrucksvoller als die Höhle der Kalypso ist allerdings der Blick von dort auf die Ramla L-Hamra Bucht mit romantischem Badestrand. Dabei sieht man auch eine Unterwas-serbefes'tigung, die den Malteser Rittern später zur Abwehr unerwünschter Eindringlinge diente.

Erst im zweiten Anlauf schafften die Römer 218 vor Christus, Malta in das Imperium Romanum einzugliedern. Von intensiveren Beziehungen zu den Griechen und Sizilianern abgesehen, änderte sich dadurch für die

Malteser wenig. Die alte Hauptstadt Mdina wurde zur Festung ausgebaut. Diese durch Invasoren und Erdbeben oft bedrängte Stadt hat heute einen eigenen Charakter, weil sich römische mit arabischen und normannischen Elementen vermischt haben. Von die-serauf einem der Tafelberge gelegenen Stadt hat man auch eine großartige Sicht auf die Insel. Im Inneren der Stadt findet sich der Bischofssitz Maltas mit der St. Pauls Kathedrale, vor der, wie bei vielen Kirchen, zwei Kanonen aufgestellt sind - Relikte aus einer kriegerischen Vergangenheit.

Die vom bedeutenden maltesischen Baumeister Lorenzo Gafa nach dem Erdbeben von 1693 wiederaufgebaute Kathedrale wurde deshalb dem Apostel Paulus geweiht, weil er sich nach einem Schiffbruch einige Tage auf Malta aufgehalten und dabei den römischen Statthalter Publius zum Christentum bekehrt haben soll. Eine relativ gut erhaltene römische Villa mit angeschlossenem Museum findet sich aber in der Mdina vorgelagerten Stadt Rabat. Dort ist auch der Eingang in die S t. - Paul s-Katakomben, die unter Mdina befindliche Totenstadt derChri-sten aus dem vierten und fünften Jahrhundert.

Die folgenden Jahrhunderte waren auch auf Malta Umbruchszeiten. Van-dalen, Araber und Normannen lösten einander ab. Im Frühmittelalter lebten Christen und Moslems allerdings f riedlich nebeneinander. Bis Karl V. 1530 die Inseln den von den Türken aus Rhodos vertriebenen Johannitern überließ. Und diese Ritter haben Malta nachhaltig geprägt. Sie wußten, daß sie auch auf dieser Insel vor den Muselmanen nicht sicher waren und bauten deshalb sofort Befestigungsanlagen, die heute noch das Bild um den Grand Habour bestimmen. Auf Gozo wurde die Zitadelle auf dem wichtigsten Punkt der Insel errichtet. Daneben widmeten sich sich aber auch ihrem angestammten Beruf, nämlich der Krankenpflege und bauten ein riesiges Hospital, das heute als Konferenzzentrum dient.

Am 18. Mai 1565 wurde dem französische Ritter Jean Parisot de la Valette, seit 1557 Großmeister des Ordens, die Ankunft einer Türken-flotte gemeldet. Die darauffolgenden Kämpfe waren grausam und schier aussichtslos. In letzter Minute kam jedoch ein Entsatzheer aus Sizilien, das die Türken stark überschätzten und abzogen. Nach diesen Erfahrungen verwundert es nicht, daß de la Valette nun eine neue, befestigte Stadt errichten ließ, die wirksam Schutz vor Angreifem bieten sollte: Valetta. Diese am Reißbrett entworfene Stadt wurde zum Zentrum der militärischen, aber auch kulturellen Aktivitäten der Ritter. (Über die weitere Vergangenheit und Gegenwart der Inseln wird ein zweiter Beitrag berichten).

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