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Mefistofele“ von Boito

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Die romanischen und romantischen Musiker zieht es zu Goethes „Faust“. Davon zeugen die Opern Gounods und Boitos sowie die symphonische Dichtung „Fausts Verdammnis“ von Berldoz. Arrigo Boito, 1842 geboren und 1918 gestorben, ist nur als Textdichter der letzten beiden Verdi-Opern bekannt, als Komponist muß er vorgestellt werden. Er war ein vielgereister Mann, der — wie vor allem seine Zeitgenossen ihm vorwarfen — durch allzu große Beethoven- und Wagner-Begeisterung dem typisch Italienischen in der Musik entfremdet worden sei. Er hat auch Goethe sehr verehrt, und man merkt es an seinem der Ordginal-dichtung nahen Textbuch.

Es beginnt mit einem dramatisch und musikalisch großangelegten, äußerst wirkungsvollen „Vorspiel“ am Himmel, wo Gottvater, umgeben von seinen Engeächören, dem mächtigen Rivalen Mephisto entgegentritt. Es folgt dann der in Frankfurt lokalisierte erste Akt mit Ostersparziergang, Gretchens Garten, die Brockenszene, Gretchen im Kerker mit großer Wahnsinnsarde, hierauf ein in Griechenland spielender vierter Akt mit Helena und der Epilog: Faust in seiner Studierstube, über die Bibel gebeugt, sanft entschlummernd, während ein Blumenregen auf ihn niedergeht. Also auch hier: gerettet!

1868, also neun Jahre nach Gounods erfolgreicher Goethe-Oper, erlebte Mefistofele“ unter der Leitung

des damals 26jährigen Komponisten in Mailand einen sensationellen Durchfall. Sieben Jahre dauerte die Umarbeitung, zu der sich der Faustbesessene Komponist entschlossen hatte, dann kam 1875 der große Erfolg: in Bologna zunächst, seit 1881 auch im Ausland: in Köln, Hamburg und London. Bis auf den heutigen Tag ist „Mefistofele“ etwa 5000mal gespielt worden.

Immerhin also: ein musikalisches Denkmal, und da die deutschsprachigen Opernhäuser es vernachlässigen, war es verdienstvoll, es im Großen Konzerthaussaal in großer Besetzung wenigstens konzertant zu präsentieren. Unter der Leitung Argeo Quadris, dem Meisterinterpreten des italienischen Faches, war ein Riesenensemble aufgeboten: ORF-Chor und -Orchester, der Wiener Jeunesse-Chor, der Wiener Kammerchor und die Wiener Sängerknaben. Als Opernführer fungierte wieder Dr. Marcel Prawy, der immer etwas Neues, Interessantes findet, das in keinem Lexikon steht...

Der ORF hat sich diese Produktion etwas kosten lassen: Nicolai Ghiaurow sang die Titelpartie, zwar indisponiert, aber doch recht eindrucksvoll. Mit der Stimme von Jon Buzea befreunde sich, wer will. Material ist vorhanden, aber sonst... Als sensationelle Entdeckung gilt die Italienerin Maria Chiara, die in der Superpartie der Margarethe brillierte. In den übrigen Rollen: Ya-suko Hayashi, Unni Rudtvedt und

Kurt Equiluz (wie stets: zuverlässig und mit schönem Ton).

Es gab also Attraktionen genug, den großen Saal zu füllen. Zwei lange Pausen machten den Abend überlang, man hätte von Boito lernen sollen, der seine ursprünglich fünfeinhalb Stunden dauernde Oper auf normales Maß reduzierte. Denn die Musik Boitos ist von ungleicher Qualität: neben glänzenden, durchschlagenden Stellen steht Schwächeres, in dem sich deutsche, französische und italienische Einflüsse ungefähr die Waage halten. Das Vorspiel — an einigen Stellen Mahler-Dimensionen streifend — ist so vielversprechend, daß andere Passagen der Riesenpartitur abfallen müssen.

Nach „Mefistofele“ schrieb Boito auf einen eigenen Text nur noch eine Oper, die unvollendet blieb: „Nerone.“ Boito starb 1918, und erst 1924 hat Toscanini die ergänzte Partitur an der „Scala“ erstmalig vorgeführt. Hier finden sich archaische Elemente — aber das kam um fast eine Generation zu spät und wirkte schon 1924 nicht mehr sensationell. So bleibt Boito und sein Werk eine Einzelerscheinung ohne Folgen...

„Superstudio Firenze“: Das ist heute Italiens Design-Marke, die — mit zahlreichen italienischen Preisen beladen — international wohl den meisten Erfolg hat. Ausstellungen im New Yorker Museum of Modern Art wie in Tokios Central Museum of Arts und in den europäischen Design-Zentren haben die „Superstudio“-Ideen, Programme und Utopien, bekannt gemacht. „Erfinder“ dieser Marke sind Adolfo N a t a 1 i n i und Cristiano Toraldo di Francia, die 1966 als Architekturstudenten gemeinsam ihre Experimente ausstellten: Band-und Schnecken-Städte, Zentralcomputerkonstruktionen, Analysatoren ... Manches davon, meist zeitbedingte Ideen, ja Modisches, fand sich bei fast allen Gruppen Europas und der USA. — Mittlerweile hat sich „Superstudio“ allerdings vom reinen Experiment abgewandt. „Leben, Erziehung, Liebe, Tod sind unsere Themen“,verkündete etwa Natalini und deutet damit die längst vorwiegend philosophisch-anthropologischen Beziehungen des „Superstudios“ zur Architektur an. Die Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan dokumentiert diese Absicht, weist hin auf die Gefahren des Konsumzwangs, der „Verdammung“ zur Produktion, auf die Gefahr der endlosen Spirale, in der sich unsere Gesellschaft befindet. KHR

• Im Rahmen der Klubhauskonzerte geben die Wiener Symphoniker einige Abende in der Schweiz. Die Tournee beginnt im Stadtkasino in Basel, anschließend wird in der Tonhalle in Zürich konzertiert, dann in der Victoria Hall in Genf und schließlich im Theätre de Beaulieu in Lausanne. — Dirigent ist Leopold Hager.

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