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Mehr als ein bloßes Jubiläum

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Die Bischöfe Österreichs haben es beschlossen, die Vorbereitungsarbeiten haben begonnen: 1983 wird in Österreich wieder ein großer Katholikentag stattfinden. Schon in einem frühen Stadium soll eine breitere Öffentlichkeit in die Überlegungen dazu eingebunden werden. Die FURCHE beginnt heute eine Diskussions reihe zum Thema Katholikentag, die in lockerer Folge fortgesetzt werden wird.

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Die Bischöfe Österreichs haben es beschlossen, die Vorbereitungsarbeiten haben begonnen: 1983 wird in Österreich wieder ein großer Katholikentag stattfinden. Schon in einem frühen Stadium soll eine breitere Öffentlichkeit in die Überlegungen dazu eingebunden werden. Die FURCHE beginnt heute eine Diskussions reihe zum Thema Katholikentag, die in lockerer Folge fortgesetzt werden wird.

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Katholikentage in Österreich sind eine außerordentliche Form der Selbstdarstellung und -Verwirklichung der Kirche. Sie sind theologisch begründet in der Sinngebung, die jedes Zusammensein von Christen im Herrn ihrer Kirche von diesem selbst erhalten hat.

Trotz über hundertjähriger Existenz von der Schultheologie so gut wie übersehen, sind sie historisch gewachsen in einer Art praktischer Theologie, die immer auf die Erinnerung an zentrale Aussagen des Evangeliums, die Deutung der Zeichen der Zeit, auf Erneuerungsimpulse und Aktivierung der Laien abzielte.

Die Grundfunktionen eines Katholikentages sind dieselben, die für jede kirchliche Gemeinschaft gelten: Verkündigung, Eucharistie, Diakonie.

Von den vielen Möglichkeiten, diese zu verwirklichen - so wäre etwa auch eine nationale Wallfahrt, ein Büß- und Bettag, ein „Tag des praktizierten Christentums”, eine Volksmission, ein „Synodaler Vorgang der Pfarrebene” denkbar -, hat sich die Variante einer Manifestation des Katholizismus, verbunden mit einer langfristigen Orientierung, eingespielt. Aber auch der Katholizismus hat sich gewandelt.

Die österreichischen Bischöfe haben für das Jahr 1983 einen „großen” Katholikentag in Wien in Aussicht genommen, also nicht nur einen Delegiertentag für einige tausend Teilnehmer wie 1974 („Versöhnung”). Kardinal Franz König hat den Papst eingeladen, anläßlich dieses Katholikentages Österreich zu besuchen; der Papst hat zugesagt.

1983 - 300 Jahre nach der Befreiung Wiens aus der Belagerung eines türkischen Heers durch ein Entsatzheer unter dem Oberbefehl des polnischen Königs Sobieski, einem Ereignis von europäischer Tragweite - der Besuch des „Patriarchen des Abendlands” in der Person eines Polen, der die nach wie vor gegebene geopolitische Lage Wiens versteht: der hier auf die alte Frage „Custos, quid de nocte?” eine für Ost und West gültige Antwort geben wird -wem schlägt da nicht das Herz höher?

Man wird sich aber entscheiden müssen: Will man ausschließlich einen Papstbesuch, oder auch einen Vorgang innerhalb der österreichischen Kirche, und zwar auf allen Ebenen? Die Bedeutung und Wertschätzung eines Ereignisses ist ja auch an der Art der Vorbereitung ablesbar.

Welche Art von Vorgang das sein sollte, zeigt vielleicht am besten die jüngste Untersuchung „Was glauben die Deutschen?” vom Vorjahr: Für die Hälfte derer, die sich als Christen bezeichnen, hat nach ihrer eigenen Aussage Jesus Christus keine Bedeutung!

Nicht mehr 42 %, wie noch 1967, sondern nur noch 33 % der Befragten entschieden sich 1979 für die Antwort „Gott hat Jesus, seinen Sohn, zu den Menschen gesandt, um sie zu erlösen...”

Müßte ein solcher Glaubensschwund nicht zu dem Schluß führen, daß vordringlich, ja bitter notwendig eine „Volksmission” ist? Müßte der Katholikentag nicht - unbeschadet der Forderungen, die an andere Instanzen zu richten sind - zu allererst an jeden von uns die Frage richten: Was hältst du vom Menschensohn?

Die mit der Beratung von Vorschlägen für die Bischöfe betraute Gruppe, bestehend aus den Vorständen des Laienrats und der Pastoralkommission sowie dem Präsidium der Katholischen Aktion, hat zunächst einige Kriterien festgelegt:

Das Thema des Katholikentags soll den Menschen in seinen existentiellen Fragen betreffen, es soll zentrale Wahrheiten des Glaubens aufgreifen, eine gesellschaftspolitische Dimension haben und für die Arbeit in den Pfarren übersetzbar sein.

Daraus kristallisierte sich ein doppelter Schwerpunkt: einerseits „der Mensch als Aufgabe der Kirche” (Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Redemptor hominis”), seine Nöte, Sehnsüchte, Chancen, Initiativen - andererseits Jesus Christus als „Schlüssel zum Menschsein” (ebenfalls Johannes Paul), durch dessen Heilswirken alle Nöte und Aufbrüche immer schon überboten sind.

In einer pluralistischen Gesellschaft ist die „Kenntnis Christi” von entscheidender Bedeutung für die Identität des Christen. „Zur Hoffnung erlöst”, „Zur Freiheit berufen” - Kurzformeln des Christusglaubens wie diese könnten

Leitmotiv für einen Vorgang der Besinnung und des Einander-Mitteilens der Glaubensfragen und -antworten sein.

Aber wäre das eigentliche Thema nicht die Tatsache eines solchen Vorgangs selbst? Daß er möglich ist, haben wir spätestens beim ersten religiösen ORF-Studienprogramm „Wozu glauben?” (1974) erfahren.

Der Katholikentag 1974 war so angelegt, aber durch die gleichzeitige Synode und das bevorstehende Volksbegehren der „Aktion Leben” eingeengt. Diesmal wäre Zeit und Möglichkeit gegeben, „mit voller Lunge” daranzugehen.

Nach Meinung der Planungsgruppe sollen schon in einem alsbald zu bildenden Katholikentagskomitee alle Altersstufen, Landschaften, Berufsgruppen, Traditionen, die ganze Breite des Katholischen in Österreich, zu Wort kommen. Der Papstbesuch legt darüber hinaus eine gewisse, übernationale Anteilnahme nahe.

Auch den österreichischen Katholiken stünde es gut an, vor einem derartigen Jahrzehnt-Ereignis über den Zaun zu schauen und in größeren Dimensionen, etwa über ihre Aufgaben in Europa und die Europas in der Welt, nachzudenken.

Zuerst aber sollten wohl in die Diöze-san- und in die Pfarrzäune mehr Verbindungstüren eingebaut werden.

Der Verfasser ist Generalsekretär der Katholi-. sehen Aktion Österreichs

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