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Mehr als ein vergängliches Fest

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Bevor ich einige sehr persönliche Dinge dazu sage, möchte ich mit einem Beispiel aus dem Alten Testament darauf hinweisen, daß es im Raum des Glaubens gefährlich ist, den Erfolg ständig zu überprüfen oder gar erzwingen zu wollen. König David wollte genau wissen, wie stark er ist. Um dies zu überprüfen, ordnete er eine

Volkszählung an. Als er sie beendet hatte, kam die Pest und raffte unzählige Menschen hinweg (vgl. 2 Samuel 24). So ergeht es auch so manchen Verantwortlichen in der Kirche, die unbedingt wissen wollen, wie erfolgreich sie sind.

Es war ein mühsamer Weg zu Katholikentag und Papstbesuch. Die Verantwortlichen haben auf vielfache Weise die eigene Schwäche und auch die Schwäche der Kirche in Österreich erfahren. Daß trotz vieler Hindernisse aus Katholikentag und Papstbesuch etwas geworden ist, kann viele mit Dankbarkeit erfüllen, und allen Mut geben, die unter ähnlichen Bedingungen zu arbeiten haben. Es ist ein Zeichen der Hoffnung.

Ein Kennzeichen des Katholikentages war das Unvollendete. Die Festtage haben das nach außen hin etwas verdeckt, da schien vieles perfekt gelungen zu sein. Aber tatsächlich war vieles unvollendet: die Arbeitstagungen, der Delegiertentag, die „Perspektiven der Hoffnung"... Viele Probleme wurden angerissen, viele Fragen offengelassen.

Diese offenen Fragen und Probleme wurden durch die Ereignisse im September nicht gelöst. Durch Katholikentag und Papstbesuch hat sich vielleicht die allgemeine Atmosphäre geändert, aber in den Einzelfragen ist die Kirche nach dem Katholikentag dieselbe wie vorher. Anlaß zur

Sorge gibt, daß dies von vielen zu wenig gesehen wird, und daß zu wenig versucht wird, das Begonnene konsequent weiterzuverfol-gen.

Dankbar dürfen wir sein, daß diese so unvollendete Kirche in den Septembertagen 1983 ein so großartiges Fest feiern konnte, das gerade auch durch die Hilfe der Massenmedien unzählige Christen und Nichtchristen sehr tief bewegt und beeindruckt hat. Besonders in der Erinnerung der einfachen und schlichten Menschen ist das Ereignis verwurzelt. Erinnerung an Erlebtes hat aber im Leben der Christen eine große Bedeutung. Ich glaube, daß diese Erinnerung auch weiterwirkt.

Katholikentag und Papstbesuch waren eine gewisse Bestätigung für den Weg, den die Kirche in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg gegangen ist. Es ist aber nicht klargeworden, ob dieser Weg auch weitergegangen werden kann, ob Korrekturen nötig sind oder ob wir überhaupt vor neuen Wegen stehen. Anlaß zur Sorge ist, daß darüber zu wenig nachgedacht wird, denn Entscheidungen können auch ohne viel Nachdenken fallen.

Anlaß zur Sorge gibt weiters, daß die vielen Erkenntnisse, die aus den Erfahrungen von Katholikentag und Papstbesuch gewonnen werden könnten, in den Alltagssorgen von Bischöfen, Priestern, Laienfunktionären und Ordensleuten untergehen, und daß dadurch so manche Chancen und Aufgaben nicht wahrgenommen werden.

Ich bin persönlich dankbar, daß ich bei Katholikentag und Papstbesuch mitwirken konnte. Obgleich dies nicht in allen Phasen der Vorbereitung so erlebbar war,, sehe ich diese unzähligen Stunden vorher nicht als verloren an.

Der Autor, Geistlicher Assistent der Kath. Aktion Österreichs und der Erzdiözese Wien, war Geistlicher Assistent des Katholikentages; sein Beitrag ist stark gekürzt.

Ich war zunächst über den Zusammenfall zweier Jubiläen äußerst besorgt. Da war dieses Jubiläum 50 Jahre nach dem „Allgemeinen deutschen Katholikentag 1933", bei dem noch sehr viel an katholischer Reichsideologie von österreichischer Seite vertreten worden ist. Und das zweite Bedenken hatte ich anläßlich des

Türkenjubiläums angesichts der Neigung der Österreicher und besonders der Wiener zu Vorurteilen gegenüber Ausländern, den „Gastarbeitern". Dies zu einem Zeitpunkt, wo gerade viele Polen aus politischen Gründen ihr Land verlassen haben und die Bundesregierung am Höhepunkt dieser Entwicklung die Visapflicht wieder eingeführt hat.

Ich habe - nachdem ich weiß (nicht nur vermute), wie lange historische Traditionen nachwirken—gefürchtet, daß bei Massenveranstaltungen zu solchen Jubiläen Emotionen zum Ausbruch kommen könnten, die wir als Katholiken nicht wünschen. Diese Bedenken wurden offenbar vom vorbereitenden Komitee sehr wohl auch gesehen.

Es war dann für mich die Europavesper am Heldenplatz ein wirklich großes Erlebnis. Vor allem das Auftreten von Kardinal Macharski hat mich sehr beeindruckt, der Asche aus Auschwitz mitbrachte und sie Kardinal König überreichte. Daß dies hier in dieser Form geschehen konnte, war für mich wirklich ein unerhörtes Erlebnis. In diesem Ereignis hat für mich alles zusammengepaßt, was ich bin: ich bin Österreicherin, ich bin Katholikin, ich bin Historikerin und ich bin sehr engagiert, was die Auseinandersetzung um die Vernichtung der

Juden und die vorhergehende antijüdische Einstellung in unserem Land betrifft. Zweifellos hat die Persönlichkeit des Papstes dabei auch vieles ausgelöst.

Im Fernsehen hat dann sein Besuch im „Haus der Barmherzigkeit" mich ganz besonders beeindruckt. Hier gab es keine großen Reden, aber wie er mit dieser Situation, in der man ja auch schwerste Fälle nicht ausgeschaltet hatte, fertig geworden ist — in einer für mich sehr natürlichen und menschlich ansprechenden Weise —, das hat mich sehr beeindruckt.

An der Rede des Papstes zu den Wissenschaftern und Künstlern sind für mich nicht die Aussagen das Hauptereignis gewesen, sondern das Erlebnis, daß Hunderte Menschen im Kongreßsaal warteten, der Papst natürlich auch da zu spät gekommen ist, und nach seiner Bemerkung: „20 Minuten Verspätung! Entschuldigen Sie" Begeisterung hochgekommen ist. Das hat mich, und ich glaube nicht nur mich, ganz besonders angesprochen, daß es dem Papst durch seine Art und durch seine Persönlichkeit gelungen ist, die Anwesenden für sich zu gewinnen. Als dann der Papst nach Rom zurückkam, war eine der ersten Äußerungen eine scharf formulierte Erklärung zur Geburtenkontrolle.

Bei mir gab es zunächst also große Skepsis, dann große Freude, daß Vorurteile in keiner Weise während des Katholikentages bestärkt wurden, aus dieser großen Freude ist auch für mich eine Feststimmung entstanden. Wenn ich andererseits zurückdenke: das war im September, jetzt ist Mai — ich habe das Gefühl, daß es eigentlich schon sehr lange her ist.

Die Autorin ist Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien; der Beitrag ist eine stark gekürzte Tonbandabschrift.

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