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Mehr als ein „Wurmfortsatz“

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Am 14. März wird die Volkspartei im Parlament ein Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung aus Bundesmitteln einbringen: Die große Oppositionspartei hat damit den „Bildungswettlauf“ gegenüber der Regierung gewonnen, wenn auch nur um Nasenlänge. Denn auch noch im März wird im Unterrichtsministerium ein ähnlicher Entwurf fertiggestellt werden.

Daß sich die politischen Parteien nun einmal der Thematik der Erwachsenenbildung angenommen haben, ist durchaus begrüßenswert. Allerdings handelt es sich bei den jüngsten Initiativen —die unter dem vielversprechenden Titel „Erwach-senenbildungsförderungsgesetz“ laufen — nur um einen Randbereich der Erwachsenenbildung. Sicherlich liegen viele Probleme dieses Bildungswesens bei der finanziellen Basis, die nun vielleicht doch noch im Laufe dieses Jahres verbessert werden kann. Letzten Endes sind aber noch viel größere Probleme zu lösen, die nicht einfach mit einer „Geldinjektion“ des Staates aus der Welt geschafft werden können.

Vom Gedanken einer „edueation permanente“ ausgehend ist die Bedeutung der Erwachsenenbildung im gesamten Bildungswesen immer unterstrichen worden. Allerdings kam man in Österreich über das verbale Bekenntnis nur wenig hinaus, obwohl gerade in unseren Breiten die Redensart „man lernt nie aus“ darauf hindeutet, daß in der Fortsetzung des beruflichen und allgemeinmenschlichen Bildungsprozesses ein offensichtlicher Mangel besteht. Die nackten Tatsachen geben aber eher jenen recht, die sagen, der wichtige Bereich der Erwachsenenbildung stelle in unserem Bildungswesen. lediglich einen „Wurmfortsatz“ dar, den man eben deshalb vernachlässigen darf.

Die Grundfrage der Erwachsenenbildung ist der individuelle Bildungswille. Dabei ist es entscheidend, daß das Lebensziel nicht nur im Erwerb von immer mehr Konsumgütern gesehen wird, sondern der Erwerb der inneren Freiheit durch Wissen im Vordergrund steht. Aufgabe der Erwachsenenbildung muß es darüber hinaus sein, dem Menschen zu helfen, den ständigen Bewegungen und Veränderungen der Gesellschaft gewachsen zu sein.

Ein Konzept für die Erwachsenen-

Minister Sinowatz: Lernen bis 90

Photo: Kern bildung, das derartige Notwendigkeiten, enthält, besteht leider in Österreich nicht. Um Mißverständnissen vorzubeugen; Es geht picht darum, eine Art „Erwachsenenschule“ zu institutionalisieren, sondern darum, weitreichendere Möglichkeiten für die Erwachsenenbildung zu schaffen: In Frankreich beispielsweise hat jeder erwachsene Berufstätige das Recht, einen Bildungsurlaub bis zu einer Dauer von einem Jahr oder 1200 Stunden zu konsumieren, je nach Art der gewählten Bildungseinrichtung. Für solche Dinge stößt man in Österreich auf taube Ohren. Seit fast einem Jahrzehnt taucht in den verschiedensten Resolutionen des Bundes-jugendringes die Forderung nach einem BLidungsurlaub auf, seit einem Jahrzehnt aber wird diese Forderung geflissentlich überhört.

In Österreich gibt es sicherlich ein quantitativ brauchbares Erwachsenenbildungswesen. Über (die Qualität freilich bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Man kann nur von der Überzeugving ausgehen, daß die Volkshochschulen oder katholischen Bildungswerke — um nur zwei Einrichtungen dieser Art zu nennen — nützliche und brauchbare Arbeit leisten. Über den tatsächlichen Erfolg aber weiß man nicht Bescheid.

Seit geraumer Zeit verspricht auch die Regierung, eine gesetzliehe Regelung für das Fernunterrichtswesen zu schaffen, zuerst Gratz, jetzt Sinowatz. Em solches Fernschulgesetz hätte die Voraussetzungen — vor allem die persönlichen — für die Errichtung einer Fernschule, dann die Befähigung der Studienberater und die Frage der Aufsicht zu klären, ferner die Verbindung der Fernschüler zum Schulwesen, vor allem hinsichtlich der Anerkennung von Prüfungen und Lehrgängen im Rahmen des Berechtigungwesens. Was geschieht? Nichts.

Das nun zur Diskussion stehende Erwachsenenbildungsförderungs-gesetz hat durchaus seine Berechtigung. Es enthebt aber die Politiker nicht ihrer Verantwortung, tatsächlich' neue Wege im Bereich der Erwachsenenbildung zu gehen. Jetzt wird zwar der auf Kosten der Steuerzahler für die Politiker billigste Weg der öffentlichen und gesetzlichen Subventionierung von bestehenden Einrichtungen beschritten, die wesentlichen Fragen bleiben damit aber offen und unbeantwortet.

Unterrichtsminister Sinowatz will dem drohenden Dilemma dadurch entfliehen, daß er eine „stärkere Verknüpfung der Erwachsenenbildung mit der Schulbildung“ anstrebt. Nur: Wie soll diese Verknüpfung aussehen? Jetzt stehen wir nämlich noch immer dort, wo wir schon immer gestanden sind: Bei leeren, verbalen Bekenntnissen, durch finanzielle „Zuckerln“ angereichert. Und die Erwachsenenbildung bleibt weiterhin ein „Wurmfortsatz“, mit dem man nichts anzufangen weiß. Oder

Der neue Hennings

Mir gefällt das Altsein

56 Seiten, broschiert, S 39.—

Der berühmte Autor und Burgschauspieler beweist in diesem Werk, daß das Altsein keine Last darstellt und auch nicht eine Epoche des Abster-bens, sondern den schönsten Teil des Lebens. ist vielleicht schon die Frage geklärt, wozu absolvierte Kurse und Lehrgänge berechtigen?

Laut Unterrichtsministerium: Nein!

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