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Mehr als Erholung

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Zum zwölften Mal haben behinderte und nicht behinderte junge Menschen Ge-lengenheit, zwei Sommerwochen gemeinsam zu verbringen: für alle Beteiligten Gelegenheit zur Reifung.

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Zum zwölften Mal haben behinderte und nicht behinderte junge Menschen Ge-lengenheit, zwei Sommerwochen gemeinsam zu verbringen: für alle Beteiligten Gelegenheit zur Reifung.

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Bis 24. August findet heuer bereits zum zwölften Mal ein internationales Ferienlager für behinderte und nichtbehinderte junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren in Hadersdorf bei Wien statt

Entstanden ist dieses Projekt vor 13 Jahren durch eine Gruppe von Studenten der Sozialakademie, die das Modell für eine solche Integrationsgruppe vorerst in England fanden. Dort gab es bereits damals nicht weniger als 200 Vereine namens „PHAB“ (physically handi-capped and able bodied), denen es weder an finanzieller Unterstützung noch an aufgeschlossenen Sponsoren mangelte. So treibt zum Beispiel Cliff Richards durch Konzerte und Auto grammstund e n Geldmittel für diesen Zweck auf.

Vor elf Jahren konnte diese Idee dann auch in Österreich verwirklicht werden: Es wurde der Verein .Alternativgemeinschaft Köperbehinderter und Nichtbehinderter“ (AKN) gegründet, der seither jeden Sommer in einem anderen Ort Österreichs ein zweiwöchiges Ferienlager für 40 bis 60 Personen abhält.

Sigrid A Schmidt, verheiratet, Mutter von vier Kindern, leitet die Organisation und Vorbereitung der AKN-Lager gemeinsam mit ihrem Mann seit nunmehr fünf Jahren: „England war nicht nur unser Vorbild sondern war anfangs auch über die „Anglo-Austrian-Society“ der Vermittler zu unseren Bundesministerien, von denen wir keine Subventionen erhalten. So ist es uns möglich, die Preise etwas abzustützen und in Fällen, wo es an finanziellen Mitteln fehlt, Ermäßigung zu gewähren.

Unser heuriges Lager in Hadersdorf zählt eher zu den teuren. Es kostet 4.000 Schilling (inklusive Unterkunft, Vollpension, Tranfers,Ausflügen, Versicherung sowie Teilnahme an den verschiedenen Kreativitätsgruppen). Auch dieser Preis ist nur zu halten, weil uns das Schweitzerhaus finanziell entgegenkommt.

Die Teilnehmer können sich jeden Vormittag diversen Freizeitaktivitäten wie Fotografieren, Theater, Stoffmalerei, Modellieren, Sport widmen. Die Nachmittage sind Freiraum für Eigeninitiativen, abends gibt's Disco oder Gespräche, alles aber auf freiwilliger Basis.

Unser Lager hat keine Therapiefunktion und das Wort „Betreuung“ kennen wir nicht. Wir helfen einander gegenseitig. Es kommt sogar sehr oft vor, daß die sogenannten „Nichtbehinderten“ von den „Behinderten“ viel profitieren, nämlich dann, wenn ihnen moralische oder ideelle Hilfe zuteil wird.

Auch die Behinderten erfahren durch das intensive Zusammenleben im Lager, daß das Leben für den Nichtbehinderten nicht immer eine „g'mahte Wies'n“ ist, nur weil er kein körperliches Leiden hat.

Auch sprachlich ist auf dem Ferienlager einiges „drin“. Da nach wie vor viele Teilnehmer aus England kommen, wird sowohl Deutsch als auch Englisch gesprochen. Heuer werden aus Österreich 18 Behinderte und acht Nichtbehinderte dabei sein, der englische Verteilerschlüssel sieht anders aus, nämlich eins zu eins.

Die österreichischen Teilnehmer rekrutieren sich aus den unterschiedlichsten sozialen Milieus: Mittelschüler, Studenten, Bankangestellte, Ingenieure, etc. Zwei Krankenschwestern sind ebenfalls am Lager: eine österreichische und eine englische. Auch ärztliche Versorgung ist gewährleistet.

Das Gelingen des Lagers ist auf ein eingespieltes Team zurückzuführen das meinem Mann und mir seit vielen Jahren zur Seite steht. So ist es auch möglich, abgehende „Tutoren“ durch junge Kräfte zu ersetzen, die sich zumeist aus den Reihen ehemaliger Teilnehmer findenlassen. Die Ausstattung der diversen Ferienheime in den vergangenen Jahren war nicht immer das, was man als „behindertengerecht“ bezeichnen kann. Trotzdem -oder gerade deshalb - war das Zusammenleben und Zusammenhelfen immer problemlos.Es ist faszinierendfestzustellen, daß am Anfang des Lagers 50 Einzelindividuen zusammenkommen und am Ende der 14 Tage eine homogene Gruppe entstanden ist.

Was uns stört? Daß man in der Öffentlichkeit immer noch und immer wieder auf Menschen stößt, die sich angesichts behinderter Menschen loskaufen wollen. Es wäre schön, solche Lager auch für Jüngere anzubieten, damit diese Ängste schon im Kindesalter

abgebaut werden können.

Wer sich für eine Teilnahme im kommenden Jahr interessiert, kann sich an Sigrid A. Schmidt, 1238 Wien, Heimg. 8, Tel- 0222/88 26 74 wenden. Die Aussendung für das Ferienlager1990wird zu Weihnachten herauskommen, eine Anmeldung sollte dann bis Ottern erfolgen.

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