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Mehr Ausbildung als Bildung?
Die Studierfähigkeit der Maturanten sinke, klagen die Hochschullehrer. Das sei nur eine subjektive Meinung, hört man aus dem Wissenschaftsministerium. Tatsache ist, daß die A usbildung der Lehrer in der Hand der Hochschulen liegt und sich die betroffenen Ministerien um eine Reform bemühen.
Die Studierfähigkeit der Maturanten sinke, klagen die Hochschullehrer. Das sei nur eine subjektive Meinung, hört man aus dem Wissenschaftsministerium. Tatsache ist, daß die A usbildung der Lehrer in der Hand der Hochschulen liegt und sich die betroffenen Ministerien um eine Reform bemühen.
D urch mehr als zehn Jahre gehen die Beratungen über ein Teilthema der allgemeinen Weiterentwicklung im Bereich des Schulwesens. Sie werden in den nächsten Monaten - so ist zu hoffen - in das Stadium eines zumindest vorläufigen Abschlusses gelangen; denn manches muß dann wohl noch erprobt werden. Es handelt sich um die Reform der pädagogischen Ausbildung der Lehrer für die allgemein-bildenden Fächer an den höheren Schulen, etwas verkürzt und an sich damit auch die Problematik etwas verfälschend als „Gymnasial-(AHS-)Lehrerausbil- dung“ bezeichnet; verfälschend, ja unzulässig falsch insofern, als es sich nicht nur um die künftigen Lehrer an den Gymnasien und Realgymnasien handelt, sondern auch um jene, die an berufsbildenden höheren Schulen allgemein-bildende Fächer unterrichten.
Angesichts des Umstandes, daß in diesem Schuljahr 1980/81 erstmals die Zahl der Schüler an den berufsbildenden höheren und mittleren Schulen mit jener der Besucher allgemein-bildender höherer Schulen gleichgezogen hat, sei dies immerhin erwähnt - um damit auch die Weite der erwünschten Reform ins Bewußtsein zu rücken. Die Lösung der vorgegebenen Problemstellungen wird dadurch nicht einfacher.
Was den rein meritorischen Gang der Dinge seit jenen ersten Beratungen im
Jahr 1970 betrifft - Frau Dr. Hertha Firnberg führte damals noch als Bundesminister ohne Portefeuille den Vorsitz - so wurde seither zweifellos manches konzipiert. Im besonderen sind seither das Bundesgesetz über die gei-
iie Schulreform bisher am wenigsten zorangekommen ist. An den Universi- äten, wo eigene Interfakultäre Kom- nissionen für diese für die Fakultäten, lie Lehrer ausbilden - und schließlich stellen die Lehramtskandidaten das
steswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen, dessen §10 Sonderbestimmungen für Lehramtsstudien enthält, sowie zuletzt - im Jahr 1977 - die Verordnung über die Studienordnung für die Lehramtskandidaten erlassen worden.
In der Schulreformkommission werden in den nächsten Monaten Beratungen stattfinden; handelt es sich doch hier um jenen Fragenkomplex, in dem
größte Kontingent aller Studierenden -, sehr substantielle Fragen eingerichtet wurden, laufen, offensichtlich allerdings mit unterschiedlicher Intensität, . verschiedene Überlegungen.
Noch steht jedoch die endgültige Fixierung der einschlägigen Studienpläne aus, die im übrigen - das sei auch gleich eingeflochten - manche divergente Auffassung über die Gehalte einer solchen Ausbildung zum Vorschein kom
men ließen. Reduktionistische Sichten sind hier wohl nicht gestattet, greifen allerdings auch in diesem Teilbereich der praktischen Pädagogik allenthalben um sich. Denn gewiß ist nicht nur Methodisches zu vermitteln.
Darüber hinaus ist Hilfe zur Gewinnung eines sicheren Weltverständnisses, die Hinführung zu reflektierter und kreativer Auseinandersetzung mit den beruflichen und außerberuflichen Aufgaben des Lehrerseins zu geben, des Lehrers, der nicht bloß „Unterrichter“ oder „Informator“ sein soll; mit Nachdruck sprechen wir heute in bildungstheoretischen und bildungspolitischen Überlegungen, aber auch in der Öffentlichkeit von der Notwendigkeit der- „Repädagogisierung der Schule“.
Doch dies eher nebenbei. Auf die inneren Gehalte und deren Gewichtungen einer künftigen AHS-Lehrerausbil- dung kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Immerhin seien diese Andeutungen angesichts manches sich selbst genügenden und genügsamen Nur-Praktizismus, den dieser oder je
ner verstärkt vertritt,derhierkonzeptio- nelle Mitsprache verlangt, eingeflochten.
Anderes soll hier zur Diskussion gestellt werden. Die künftige Form der akademischen Lehrerbildung wird gemäß der erwähnten Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung drei Teilbereiche umfassen: Die allgemeine pädagogische Ausbildung; die fachdidaktische Ausbildung in den (beiden) gewählten Studienfächern; das Schulpraktikum im Ausmaß von insgesamt 12 Wochen. Das bedeutet organisatorisch an sich wie auch hinsichtlich der nötigen Abstimmungen dieser drei Teile untereinander eine tragfähige Konstruktion der Einrichtungen, die dies durchführen sollen.
Das bedeutet zudem gegenüber dem derzeitigen Zustand die Notwendigkeit einer bedeutend engeren Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und den Unterrichtsbehörden, vornehmlich den Landesschulräten. Letzteres war denn auch - und wird dies zweifellos in nächster Zeit verstärkt sein - Gegenstand interministerieller Beratungen der beiden hier zuständigen Ressorts, z.T. auch solcher im Schoße der Schulreformkommission, deren einer Auftrag lautet, Fragen der Lehrerbildung sich angelegen sein zu lassen.
Das alles bedeutet schließlich - und darauf sei hier abgezielt und dies zur Diskussion gestellt - in personeller wie strukureller Hinsicht für die Universität - aktuell wie grundsätzlich - viel. Diese haben jene tragfähige Konstruktion zu schaffen, wozu wieder seitens des Wissenschaftsministeriums die entsprechenden finanziellen und dionstpo- stenplanmäßigen Voraussetzungen zu gewähren sind. Das verlangt zweifellos manche Anstrengung.
Wir sehen allerdings in all dem zudem eine große Chance für die Installierung zukunftsweisender und beständiger Lösungen, die die (Massen-)Uni- versität von jenem Zwiespalt befreien, in dem diese sich befindet: Einerseits Stätte der wissenschaftlichen Forschung, anderseits Ausbildungsstätte zu sein. Das damit gegebene Dilemma verspürt jeder dort Tätige an jedem akademischen Alltag.
Kurz und deutlich gesagt: Die Hochschulen nehmen heute vor allem - zumindestens was die Zahl der davon betroffenen Hörer angeht - Ausbildungsfunktionen wahr - und gelegentlich bleibt über aller anstrengender Ausbildung, wie eine solche hochspezialisierten Berufen zu eigen ist, keine Zeit, kein Raum, ja auch keine Kraft für Bildung schlechthin, für deren Vermittlung, für deren Aufnahme, übrig.
Für den gegenständlichen Aufgabenkreis aber könnte aus solchen Einsichten in die faktischen Gegebenheiten der Universität und im besonderen der eine Lehrerausbildung betreibenden Fakultäten an die Schaffung von „Instituten für Gymnasialpädagogik und Gymnasialdidaktik“ - um für ein Erstes eine einprägsame Bezeichnung zu finden - gedacht werden. Diesen wäre die pädagogische Ausbildung in den genannten drei Gebieten zu überantworten.
Dabei sollten sicherlich Organisationsformen zu finden sein, die einerseits - binnen-universitär - interfakultären Charakter haben, die anderseits - nach außen - engste, auch rechtlich gesicherte und vorgeschriebene Zusammenarbeit mit den Unterrichtsbehörden ermöglicht. Daß hier zwei Rechtsbereiche - Hochschule und Schule - aufeinanderstoßen, mag gewiß die gesamte Sache nicht leicht machen. Doch das sind wohl überwindbare Hemmnisse, wie auch solche im Bereich der Universitäten - in deren eigenem Interesse - zu übersteigen sein müßten.
Der Verfasser ist Ordinarius Tür Pädagogik an der Universität Salzburg, Direktorder Bundesstaatlichen Prüfungskommission Tür das Lehramt an höheren Schulen in Salzburg/Linz sowie Mitglied der Schulreformkommission.
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