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Mehr außenpolitische Handlungsfreiheit für Carter?

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Routiniers der amerikanischen Innenpolitik prophezeiten nach der Ratifizierung der Panama-Kanal-Verträge vermehrte außenpolitische Aktivität des Carter-Teams. Sie wurden in ihren Erwartungen bestätigt. Der „Panama-Kanal-Sieg“ im Senat diente als Basis und wurde schließlich auch zu einem Erfolg bei der Abstimmung über das „Flugzeugpaket“ an Nahost-Staaten ausgeweitet. Nun versucht der Präsident die seinen Vorgängern vom Kongreß auferlegten außenpolitischen Beschränkungen abzuschütteln.

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Routiniers der amerikanischen Innenpolitik prophezeiten nach der Ratifizierung der Panama-Kanal-Verträge vermehrte außenpolitische Aktivität des Carter-Teams. Sie wurden in ihren Erwartungen bestätigt. Der „Panama-Kanal-Sieg“ im Senat diente als Basis und wurde schließlich auch zu einem Erfolg bei der Abstimmung über das „Flugzeugpaket“ an Nahost-Staaten ausgeweitet. Nun versucht der Präsident die seinen Vorgängern vom Kongreß auferlegten außenpolitischen Beschränkungen abzuschütteln.

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Anlaß dazu gab ihm der Aufstand in der Provinz Shaba im zentralafrikanischen Zaire, wo in Angola stationierte marxistisch orientierte Rebellen die Kontrolle über die Kupferminen an sich zu reißen versuchten und unter den Weißen ein Blutbad anrichteten. Erst aus Frankreich und Belgien eingeflogene Truppenkontingente, unterstützt durch amerikanische Transportmaschinen, konnten zumindest für einige Zeit wieder Ruhe herstellen. In seiner Begründung für erhöhte Handlungsfreiheit führte Präsident Carter unter anderem aus, er wolle oppositionelle Kräfte in Angola gegen das marxistische Regime stärker ausrüsten. Übrigens die gleichen Kräfte, die vor einigen Jahren infolge Untätigkeit der US-Außenpolitik von den durch Sowjets und Kubanern unterstützten Marxisten besiegt wurden.

Was Carter weiters anstrebt, ist eine Befreiung von der gesetzlichen Auflage, daß jegliche Wirtschafts- oder Mili tärhilfe, ja selbst die Zustimmung zi einem Welt-Bankkredit der Sanktionierung“ durch den Kongreß bedürfen Dadurch werde die Handlungsfreiheil des Präsidenten außenpolitisch eingeschränkt und schnelles Reagierer durch einen bürokratischen, innerpo-litisch beeinflußten Prozeß verzögert was den Feinden jeglichen Vorteil einräume. Daß etwa eine Zustimmung zu militärischer Hilfe an ein von Sowjets

oder Kubanern bedrohtes Land in Afrika von der Auswertung der Analysen des CIA-Geheimdienstes durch eigene Kongreßkommitees abhängt, vereinfacht die Angelegenheit nicht, weil der CIA in manchen Kongreßkreisen suspekt ist. Es ist daher verständlich, daß der Präsident für sich ein gesteigertes Maß an Handlungsfreiheit beansprucht.

So erklärte er vor einigen Monaten in einer mit Verwunderung aufgenommenen Rede vor Absolventen der „liberalen“ Notre Dame-Universität, er habe keine Angst vor der kommunistischen Expansion und kubanischen Intervention in Afrika. Er spann damit den Faden weiter, den sein vielumstrittener UNO-Botschafter Young eingefädelt hatte. Es war auch Carter, der die Beziehungen zu Kuba zu normalisieren begann, als er in Washington die Errichtung eines kubanischen „Verbindungsbüros“ zuließ und eine gleiche Einrichtung in Havanna beschickte.

Unter dem Druck der öffentlichen Meinung wurde jedoch in den letzten Wochen radikal umgeschwenkt. Jetzt vergeht kaum eine Gelegenheit, die nicht zu einem Ausfall gegen Kuba und seine Söldnertruppen in Afrika benützt wird. Als Kuba die Beteiligung am Aufstand in Zaire durch Castro persönlich dementierte, konterte Carter, er hätte Informationen, daß die Aufständischen durch Kubaner trainiert und mit sowjetischen Waffen ausgerüstet worden seien. Selbst Außenminister Gromyko, der sich in Washington aufhielt, um über das SALT-II-Abkommen zu verhandeln, wurde mit diesen Informationen konfrontiert, und er reagierte erwartungsgemäß sauer. Die Linke im Kongreß -verlangt nun eine präzise Analyse der CIA-Berichte über die Vorgänge in Zaire und hofft durch Aufdeckung von Widersprüchen Präsident Carters Bemühungen um erhöhte Handlungsfreiheit zu blockieren.

Zur Zeit führen Carter und sein Sicherheitsdirektor Brzezinski auch, eine Art Konfrontationskurs gegen die Sowjetunion. Außenminister . Vance und Abrüstungsdirektor Warnke hingegen bemühen sich um ein gutes Klima. Niemand will wegen Afrika oder wegen der Verurteilung sowjetischer Dissidenten die aussichtsreichen Abrüstungsverhandlungen SALT II torpedieren. Abrüstung habe Priorität, erklärt man im Weißen Haus. Zugleich aber will man nicht zu konzessionsbereit erscheinen, weil im Senat, wo ein SALT-Abkommen ratifiziert werden muß, dicke Luft gegen die Sowjetunion herrscht. Brzezinskis Reise nach Peking, wo er mit der chinesischen Führung „taktische“ Gespräche führte, sollte die Falken im Senat besänftigen und Moskau warnen.

Diese Reaktionen Carters auf die Stimmung in der Öffentlichkeit ergeben einen außenpolitischen Kurs, den weder Freund noch Feind lesen können und den Präsidenten im Kongreß suspekt machen. Trotz der beiden nicht zu unterschätzenden Anfangserfolge Carters im Senat, bleibt doch mehr als fraglich, ob der Kongreß neue Gesetze beschließen wird, die seine eigenen Vorrechte einschränken und die des Präsidenten erhöhen würden.' Das könnte nur dann geschehen, wenn die Popularitätskurve des Präsidenten wieder steil nach aufwärts strebt, wofür es im Augenblick aber noch keine zwingenden Anhaltspunkte gibt: Nach den letzten Umfragen würde selbst Ex-Präsident Ford Carter mit einem Vorsprung von fünf Punkten besiegen.

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