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Mehr „Bücher-Technik"

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Frankfurt war nur in einem Punkt die Ausnahme von der Regel: Während bei der Automobilausstellung Rückgänge zu verzeichnen waren, sind bei den Büchern weiter Zuwächse registriert worden. Es muß also nicht sein, daß in flauen Zeiten bei der Kultur zuerst gespart wird.

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Frankfurt war nur in einem Punkt die Ausnahme von der Regel: Während bei der Automobilausstellung Rückgänge zu verzeichnen waren, sind bei den Büchern weiter Zuwächse registriert worden. Es muß also nicht sein, daß in flauen Zeiten bei der Kultur zuerst gespart wird.

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Das könnte sich auch die österreichische Bundesregierung zu Herzen nehmen, die für den Österreich-Schwerpunkt zur Buchmesse 1995 bisher 55 Millionen Sonderbudget bewilligt hat. Die groben Umrisse dessen, was hier in zwei Jahren stattfinden soll, wurden von Minister Rudolf Schölten und dem Komitee Frankfurt '95, bestehend aus dem Projektleiter Rüdiger Wischenbart, Otto Mang, Heinz Lunzer und Gerhard Ruiss präsentiert. Die Planung ist, wie Schölten zugeben mußte, über erste Gespräche hinaus noch kaum gediehen, und so war außer der Willensäußerung, daß in allem ein dialogisches Prinzip walten sollte, wenig zu erfahren. Doch ab sofort soll mit Volldampf gearbeitet werden, weshalb alle, die mit Büchern zu tun haben, eingeladen wurden, ihre Vorstellungen beim Komitee zu deponieren. Da die Konzentration bereits auf 95 gerichtet ist, war heuer und wird nächstes Jahr kaum mit einer besonderen Präsenz Österreichs zu rechnen sein.

Sehr viel mehr präsent wird in Hinkunft die heuer erstmals zugelassene „Disziplin" des Electronic Pu-

blishing sein. „Die ganze Welt auf einen Klick" versprechen die Medienkonzerne und bieten sämtliche Daten zur Weltgeschichte, natürlich illustriert, so daß zum Beispiel beim Klick auf die phönizische Stadt Tyrus eine schlanke Barke über den Bildschirm in die Stadt gondelt. Nicht zufällig erinnert vieles, was diesbezüglich angeboten wird, an Computerspiele, von denen die neuesten natürlich auch vorgestellt und von den Besuchern eifrig ausprobiert wurden. Angesichts dieses Treibens muß man jenem Softwarehersteller recht geben, der behauptet, „und die Welt ist doch eine Scheibe" und damit die CD meint. Zwar gehen die Anbieter immer noch davon aus, daß auch Bücher gekauft werden, doch rechnen sie bis zum Jahr 2000 mit einem Marktanteil von 18 bis 25 Prozent.

Einen sehr hohen Anteil, nämlich 40 Prozent, machen Kinderbücher bei allen aus dem Niederländischen übersetzten Büchern aus. Warum das so ist, und warum nirgendwo so viele ausländische Büchern gelesen werden, wie in den Niederlanden und in Flandern, das versuchte der heurige Schwerpunkt, einem interessierten Publi- ~"~ kum mit einer Überblicksausstellung über ihre Welt des Buches und einer Vielzahl an Veranstaltungen zu erläutern. Jedem, der sich darauf einließ, wurde schnell klar, daß es hier eine literarische Landschaft zu entdecken gilt, die im Kontrast zur geographischen alles andere denn flach ist. Hugo Claus, Harry Mulisch, Monika van Paemel, Conny Palmen, besonders aber Cees Nooteboom schreiben Bücher, in denen „mehr über das Leben auf der Erde zu erfahren

ist, als aus einem Jahr Fernsehen und einer Tonne Zeitungen", wie letzterer in seinem Essay „Der Sturz der Propheten" gute Bücher, gleichgültig aus welchem „Erdstrich ', charakterisierte.

Im Mittelpunkt einer der „Laudationes" benannten „Beden für noch* ausstehende Preisverleihungen" am Ost-West-Treffpunkt stand der 1953 geborene Professor für Dramaturgie aus Sarajewo, Dzevad Karahasan. Die Laudatio für ihn hielt Nenad Po-

Eovic, Verleger aus Zagreb, der Kara-asan nach seiner Flucht aus der bosnischen Hauptstadt bei sich aufgenommen hat. Es war natürlich keine i Laudatio, sondern eine ergreifende Schilderung der perversen gegenwärtigen Situation des Schriftstellers. Denn erst seit Karahasan aus Sarajewo geflohen ist, ist er zwar als Autor über die Grenzen ExJugoslawiens hinaus bekannt und erfolgreich, jedoch kein Schriftsteller mehr, weil er als Zeuge des Grauens nur mehr über die Zustände in der zerschossenen Stadt und über seine Gefühle befragt wird, kein Wort aber mehr über seine Bücher verloren wird. Er lebt also davon, zu erzählen, wie es ist, wenn man kein Erzähler mehr sein kann. Popovic wünschte dem Autor des „Östlichen Divan" daher, daß er dieses „erfolgreiche" Leben nicht mehr lange fortsetzen müsse. Wem dabei nicht Karl Kraus einfiel, der konnte kein Österreicher sein. „Die letzten Tage der Menschheit" werden zwar auch diesmal nicht damit eingeläutet, aber diese Zustände sind Symptom für eine geistige Krankheit, die offensichtlich unser Jahrhundert durchzieht.

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