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Mehr Erfolg für Kleine

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Kürzlich war in der „Neuen Zürcher Zeitung“ zu lesen, daß die Politik angesichts hartnäckiger Strukturkrisen, Beschäftigungsproblemen und stagnierendem Wachstum in den letzten Jahren an emanzipatori- scher Kraft stark eingebüßt habe, und daß der Glaube an die Steuer-

barkeit wirtschaftlicher Prozesse verlorengegangen sei.

In der Tat hat der Verlust an wirtschaftlicher und sozialer Gestaltungskompetenz zur Suche nach einer von „weniger Staat und mehr Privat“ gekennzeichneten Erneuerung geführt.

Auch die aktuelle Industriepolitik orientiert sich nach dem Scheitern strukturpolitischer Konzepte der siebziger Jahre wieder stär-

ker an den kleinräumigen Bedingungen unternehmerischer Entfaltung im Zeichen der „flexiblen Spezialisierung“ .

Diese Umschreibung einer neuen Industriekultur wurde von ihrem „Erfinder“ Charles Sabel am Beispiel der dynamischen oberitalienischen Region Modena geprägt. Sie bezeichnet eine durch neue Schlüsseltechnologie (insbesondere die Mikroelektronik) erst möglich gewordene Produktionsweise, die überwiegend von klei-. neren und mittleren Betrieben getragen wird, deren Wurzeln in der angestammten Unternehmensstruktur liegen.

Für die Regionalpolitik ergibt sich daraus eine Reihe neuer Perspektiven. Zu beantworten wäre vor allem die Frage, welchen regionalpolitischen Stellenwert der betriebliche Sektor besitzt.

Niederösterreich als größtes österreichisches Agrarland und zweitwichtigstes Industrieland besitzt jedenfalls gute Voraussetzungen für eine ausgewogene Wachstumsstrategie in allen Wirtschaftsbereichen.

Im Dienstleistungssektor gewinnen die „industrieorientierten Dienstleistungen“ ständig an Bedeutung. Dazu zählen Enginee ring-Büros, Software-Häuser und Designer ebenso wie Konstruktions- und Entwicklungsbüros oder private Forschungsgesellschaften.

Beschäftigungspolitisch unterliegen diese Dienstleistungszweige einer starken Dynamik, die Wachstumsraten ihrer Märkte sind zweistellig. Zentrale betriebswirtschaftliche Größe dieses Sektors ist der Qualifikationsgrad ihrer Beschäftigten.

Regionalpolitisch liegt die Bedeutung dieser Entwicklung

• in den anzustrebenden Mischungsverhältnissen von Industrie und Dienstleistungen,

• in der notwendigen hohen Qualifikation und den damit verbundenen Ausbildungserfordernissen,

• in dem Umstand, daß auch kleinste Einheiten international voll wettbewerbsfähig sein können und

• in der Tatsache, daß die regionalen Standortgebiete dieser Betriebe entsprechenden Zugang zur angewandten Forschung brauchen.

Im industriellen Sektor selbst wird ebenfalls eine differenzierte Strategie notwendig sein. Der starke Druck zur industriellen Forschung und Entwicklung beziehungsweise zu innovativen Aktivitäten sowie die Kosten der Fertigungsüberleitung von Forschungsergebnissen erreichen noch Höhen, in die Klein- und Mittelbetriebe nur sehr schwer Vordringen können.

Wenn nun auch Klein- und Mittelbetriebe mit Hilfe neuer Technologie oder neuen produktionstechnischen Organisationsformen noch rascher auf geänderte Marktverhältnisse reagieren können, so tun sie sich bei der Aufnahme und der Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Kostengründen umso schwerer. Jedenfalls gibt es genügend Bereiche, in denen Mindestforschungsbudgets von 30 bis 50 Millionen Schilling pro Jahr erreicht werden müssen.

Daraus resultiert die Notwendigkeit, die traditionellen Vorteile der Klein- und Mittelbetriebe durch Schaffung entsprechender wirtschaftlich-technischer Infrastruktur und durch kooperative Forschungszentren abzusichern.

Gleichzeitig sollen in diesen Zentren die intimen Marktkenntnisse der Klein- und Mittelbetriebe mit der wissenschaftlichen Theorie Zusammentreffen und aus dieser Symbiose die in Österreich ohnehin schwache Anwendungsentwicklung gestärkt werden. Ebenso ist ein Betriebsgrö- ßen-Mix anzustreben, der synergetische (zusammenwirkende) Effekte größerer Betriebe zum Tragen bringt.

Betriebsansiedlungen sind in Zeiten raschen technischen Wandels oder zur Belebung von Krisenregionen als Instrumente des Technologietransfers wichtig und für die rasche Verbesserung der Beschäftigungslage unersetzbar.

Anhaltende industrielle Entwicklungen gelingen jedoch nur, wenn es möglich ist, sie mit aus der Region kommenden unternehmerischen Aktivitäten und einer entsprechenden Beschäftigungsqualifikation zu verbinden.

Der Autor ist Leiter der Abteilung für Innovative Finanzierung der österreichischen Investitionskredit AG.

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