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Digital In Arbeit

Mehr Füllung in die Worthülsen

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Gezielte Innovationsförderung braucht eine fundierte Datenbasis über For-schungs- und Entwicklungsausgaben. Die heimischen Ansätze weisen gravierende Mängel auf.

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Gezielte Innovationsförderung braucht eine fundierte Datenbasis über For-schungs- und Entwicklungsausgaben. Die heimischen Ansätze weisen gravierende Mängel auf.

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„Mir geht das tägliche Innovationsgefasel in den Medien langsam, aber sicher auf die Nerven.” Mit dieser Aussage eines Unternehmers - der sich darüber entrüstet, daß ja nicht jedes Unternehmen im Hochtechnologiebereich arbeiten kann r- beginnt ein Artikel in der jüngsten Ausgabe der Metallberichte, der Mitgliederzeitung des Fachverbandes der Eisen- und Metallwarenindustrie.

Diese Empörung ist - wenngleich aus anderen Gründen - berechtigt. Politikerreden und Medien sind voll von Modebegriffen wie Innovationsförderung, High Technology, Strukturanpassung etc. Neben dieser einheitlichen Begriffsverwendung haben derartige Darstellungen noch eines gemeinsam: Zumeist sind sie durch eine ausgesprochene Inhaltsleere gekennzeichnet. Die Wirtschaftspolitik hat offenbar die Bedeutung eines Problems erkannt, ist aber bei der Analyse desselben—aufgrund mangelnder Unterstützung durch die Forschung - noch nicht sehr weit in die Tiefe gedrungen.

Die Begründung, weshalb die ökonomische Forschung auf diesem Gebiet bisher nur sehr dürftig ausfiel, ist leicht zu finden: War der empirische Wirtschaftsforscher bisher eher mit ökonomischen Veränderungen beschäftigt, die sich leicht quantifizieren ließen (Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Budget etc.), so steht er nun vor dem Problem, qualitative Veränderungen zu beschreiben, zu „messen” und zu bewerten, und das hat er nicht gelernt.

Ökonomen sind jedoch findige Leute. Wenn sie eine „Black Box” nicht erleuchten können, messen sie andere Dinge, denen sie eine theoretische Beziehung zu dieser unterstellen. („Black Box” = schwarzer Kasten, ist ein Ausdruck aus der Kybernetik und bedeutet den Teil eines Systems mit unbekanntem Aufbau, Red.) Wie der Arzt, der über Körpertemperatur, Puls und Allgemeinzustand etc. auf Probleme im Körperinneren schließen kann.

Im gegenständlichen Fall kann man input- und outputorientierte Ansätze unterscheiden. Bei erste-rem Meßkonzept steht die Messung des materiellen und personellen Forschungs- und Entwicklungsaufwandes (F & E) im Vordergrund. Von den outputorientierten Ansätzen besitzen Auswertungen im Zusammenhang mit Patentdaten den direktesten Konnex zu Innovationsaktivitäten. Grundsätzlich gibt es hier die Möglichkeit zur Auswertung von Patentregistern (Anmeldung und Erteilung von Patenten) sowie zur Analyse der Zahlungsströme im Zusammenhang mit Patentzahlungen (Patentbilanz). Weitere Ansätze gibt es durch die Auswertung der Welthandelsdaten nach technologischen Kriterien und die Unternehmerbefragungen.

Jeder dieser Ansätze hat seine spezifischen Vor- und Nachteile. So erreicht beispielsweise die Messung des Forschungs- und Entwicklungsaufwandes, das F & E-Konzept, aufgrund früher internationaler Anstrengungen zur Vereinheitlichung von Definitionen und Meßmethoden eine hohe

Qualität der Datenbasis. Der Nachteil besteht darin, daß von diesen Anstrengungen nur bedingt Rückschlüsse auf den Innovationsoutput getroffen werden können. Denn nicht jeder Forschungs- und Entwicklungsaufwand führt zu einer wirtschaftlich verwertbaren Innovation und umgekehrt.

Zu diesen methodischen Problemen gesellt sich noch ein österreichisch-spezifisches: Die mangelhafte Qualität der beiden für diesen Bereich wichtigsten Statistiken, die F & E-Statistik und die Patentbilanz. (Siehe Kasten).

Die von der Osterreichischen Nationalbank erhobenen Zahlungsströme im Zusammenhang mit Aufwendungen und Erträgen aus Patenten, Lizenzen und Schutzmarken ergeben nur ein undeutliches Bild des erhobenen Tatbestandes, der für Aussagen bezüglich technologischer Abhängigkeit von größter Bedeutung wäre. Die gravierendsten Mängel sind dabei der Umstand, daß Daten für die Zahlungsströme nur für das Gesamtaggregat „Patente, Lizenzen und Schutzmarken” ausgewiesen werden und keine Aufspaltung in die Teilpositionen erfolgt, sowie die fehlende Zuordnung der Zahlungsströme zu Wirtschaftszweigen bzw. Industriebranchen. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich durch eine problematische Abgrenzung der Zahlungsströme. Eine sinnvolle Aufgliederung der Zahlungsströme - sowohl nach dem zugrunde liegenden Rechtstitel (Patent, Lizenz, Schutzmarke) als auch nach dem betroffenen Wirtschaftszweig - ist jedoch möglich. Dies zeigen die Beispiele Italien, Schweden und Großbritannien — die sowohl die diesbezüglichen Importe als auch die Exporte nach Branchen aufspalten - und auch die Beispiele Griechenland, Ungarn und Polen, die lediglich die Abflüsse aufspalten.

Zu der von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft im Abstand von drei Jahren erstellten F & E-Statistik sei vorweg angemerkt, daß sie vom Anspruch her — Aufteilung nach regionale^ und strukturellen (Betriebsgröße, Industriebranche) Kriterien-im internationalen Vergleich als äußerst ambitioniert zu betrachten ist. Die Probleme liegen jedoch in der Durchführung. Die F & E-Befragung ist an sich - entsprechend den amtlichen Statistiken — nach dem Betriebskonzept konzipiert. Auf Grund von Zu-ordnüngsproblemen — z. B. bei zentraler Konzernforschung für das gesamte Unternehmen und nicht in den einzelnen Betriebsstandorten - ist jedoch eine undurchschaubare Vermischung von Betriebs- und Unternehmenskonzept entstanden. Die daraus resultierenden Sinnentstellungen mag folgendes Beispiel demonstrieren. Laut F & E-Statistik betrieben 1981 16,5 Prozent der Unternehmen im Bereich Bergwerke, Eisenhütten und Erdöl unternehmenseigene Forschung und Entwicklung. Dieses

Sechstel der Branche wies jedoch einen höheren Umsatz auf als die Gesamtbranche laut amtlicher Statistik. Da sich diese Uber-schneidungen über alle Branchen erstrecken, ist eine Verwendung der _ Branchendaten dieser Statistik nicht gerade zweckmäßig.

Die jüngsten Bemühungen der Bundeswirtschaftskammer gingen dahin, den Umfang der Befragung auf den Unternehmensbereich Dokumentation und Information auszudehnen.

Als Abschluß ein Vorschlag für die Innovationspolitik, der nicht viel kostet: Verbessern wir doch die statistische Basis, um darauf aufbauende Forschungsarbeiten zu ermöglichen, bevor die Innova-tionsförderungs-Budgetmillio-nen zu fließen beginnen. Nur so wird der Inhalt der Innovations-Worthülsen gehaltvoller werden, und die Aussichten auf systematische Erfolge der Innovationsförderung werden steigen.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Industriereferat).

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