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Mehr Italiener als Kommunisten?

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Vielleicht geht der 22. Juli 1975 als wichtiger Tag in die italienische Geschichte „ein, da Fanfani, dpr letzte,, entschiedene und entscheidende Gegner einer kommunistischen Machtbeteiligung, von der politischen Bühne abgetreten ist. Indem der große kleine Mann für die Niederlage in der Schlacht um die Abschaffung der Ehescheidung durch Referendum und für die Stimmenverluste der letzten Regionalwahlen verantwortlich gemacht wurde, war sein Schicksal vielleicht schon am 12. Mai 1974 und 15. Juni 1975 besiegelt. Die kirchlich nicht gebundenen sogenannten Laienparteien, allen voran die Kommunisten, witterten Morgenluft und arbeiteten hartnäckig auf eine Entfernung Fanfanis vom Gerieralsekretariat der Demo-crazia Christians hin. Sie wußten, daß — solange Fanfani am Ruder der 30 Jahre lang mächtigsten Partei Italiens war — eine Zusammenarbeit auf Regierungsebene zur Schließung des von Berlinguer vorgeschlagenen historischen Kompromisses von der Spitze der christlich-demokratischen Bewegung her verweigert würde.

Umso willkommener war den Kommunisten der für sie günstige Ausgang der Regionalwahl vom 15. Juni .Er gab ihnen Gelegenheit, einen andern Mann als Gesprächspartner für einen solchen Schulter-schluß auf jhöchster Ebene zu fordern. Alle jene Christdemokraten, die glauben, daß jeglicher Antikorn-munismus überholt sei, „weil' italienische Kommunisten mehr Italiener als Kommunisten sind“ (Marcora), freuten sich nicht minder über den Stimmenverlust der Demo-crazia Cristiana in den letzten Wahlen. Er gab Ihnen Gelegenheit, sich Fanfani auf bequeme Art „unter Verdankung der geleisteten Dienste“ und eines von niemandem bestrittenen ungeheuren Einsatzes, vom Halse zu schaffen und mit einer neuen Strategie die nächsten Parlamentswahlen vom Frühjahr 1977 vorzubereiten.

Diese neue Strategie erinnert an das Manöver der ersten sechziger Jahre, als die Christdemokraten unter Moros Leitung den Zentrumskurs mit den Liberalen begruben und gegen den Centro-sinistra-Kurs (links von der Mitte) eintauschten in der Erwartung, sich mit den Linkssozialisten über Wasser halten und auf diese Weise die Kommunisten in die Wüste schicken zu können. Ein Scelba und ein Pella haben die Christdemokraten damals völlig vergeblich vor dieser Schlaumeierei gewarnt Wie sich 10 Jahre später herausstellte, hat die Democrazla Cristiana tatsächlich die Rechnung ohne den Wirt, den immer mehr um sich greifenden Linksextremismus, gemacht. Statt in der Wüste, stehen die KPI-Exponenten heute vor den Toren des Chlgi-Regierungsgebäu-des. In sechs roten Regionen bestimmen die Kommunisten, vereint mit Linkssozalisten und anderen Linksparteien, unter Ausschluß der Christdemokraten, die Regionalverwaltung. In zwei weiteren Regionen, Lombardei (Mailand) und Campa-nien (Neapel) zeichnet sich eine sogenannte offene Verwaltung ab. Hier wird der Linksöffnung nicht mehr ein Riegel vorgeschoben und hier sind selbst die Christdemokraten für eine „Giunta“ mit den Kommunisten zu haben. Was in Mailand und Rom bereits heute auf der Ebene der Regionalverwaltung Wirklichkeit ist, kann sich wenigstens übermorgen in Rom, auf der Ebene des Zentralstaates erfüllen. Daß eine solche totale Linksöffnung die Demokratie in Italien retten werde, glauben vorderhand nur italienische Optimisten .und einige ausländische Utopisten.

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