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Mehr Konsequenz in der Jugendarbeit!

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Angesichts der Sinnsuche Tausender Jugendlicher sind bei der Vermittlung des Evangeliums weder spezielle Konzeptionskämpfe noch vorschnelle Resignation angebracht.

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Angesichts der Sinnsuche Tausender Jugendlicher sind bei der Vermittlung des Evangeliums weder spezielle Konzeptionskämpfe noch vorschnelle Resignation angebracht.

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Analysiert man die Situation des Dienstes der Kirche an der Jugend, so sind sehr unterschiedliche Ergebnisse in Österreich deutlich: Uber ganze Regionen hinweg ist der Zusammenbruch der kirchlichen Jugendarbeit festzustellen. In anderen Pfarren kommen zu einem Abendlob, zu einer liturgischen Nacht oder zu einem Jugendfest Hunderte von Jugendlichen zusammen.

Für beide Situationen lassen sich unter pastoralpädagogischen Gesichtspunkten einsichtige Gründe festmachen: In den Pfarreien, wo durch den Ausfall der Kapläne der konkreten Bezugspersonen für Kinder und Jugendliche fehlen, hat sich ein leiser, aber mit Konsequenz sich ergebender Zusammenbruch und Rückzug auf einige wenige Jugendliche ergeben.

In Pfarren, wo eine oder mehrere Bezugspersonen sich in den Dienst der Jugend gestellt haben, lassen sich nach wie vor auch viele Jugendliche einbeziehen. Dabei ist das Land-Stadt-Gefälle zu berücksichtigen. Meine folgenden Postulate betreffen allerdings einige unter religionspädagogischen und gruppenpädagogischen Gesichtspunkten so grundlegende Gesetzmäßigkeiten, daß sie bei entsprechender Übertragung sowohl für städtische als auch für die ländlichen Gebiete relevant sind.

1. Die Forschungsergebnisse zum Bereich der Jugendlichenso-zialisation sprechen eindeutig dafür, daß im Kontext der Ablösung vom Elternhaus die sogenannten Gleichaltrigengruppen (Peer-groups) die entscheidende Rolle für die Prägung von Einstellungen und Handlungsmustern spielen. Kinder/Jugendliche mit zwölf bis 14 Jahren zu firmen, müßte streng beinhalten, im Anschluß an die Firmung ein dicht gespanntes Netz von sogenannten Gleichaltrigengruppen zu ent wikkein. Grundsätzlich sind die Jugendlichen selbst die Subjekte, die sogenannte „Peer-groups“ aufbauen, gestalten und beeinflussen. Es zeigt sich aber, daß gerade im Bereich der Glaubensso-zialisation um einige Jahre ältere Bezugspersonen einen wichtigen Dienst an diesem Prozeß des Selbständigwerdens einbringen können.

2. Das Bedürfsnis, selbst mitgestalten zu können, das nach den Untersuchungen von Paul Michael Zulehner im Vergleich zu den Erwachsenenantworten bei Jugendlichen besonders ausgeprägt ist, sollte nicht vorwiegend als Bedrohung der Erwachsenenwelt, sondern als Herausforderung und Verjüngung der Kirche eingestuft werden. In vielen Pfarren in Deutschland und Österreich habe ich schon schmerzlich miterlebt, wie aus der anfänglichen Bereitschaft Jugendlicher, sich in der Gemeinde, auch in festen verbindlichen Jugendgruppen zu engagieren, aufgrund ängstlicher oder kleinkarierter Reaktionen Erwachsener, Laien und/oder Priester, Resignation wird und die Eingliederung in die Erwachsenengemeinde behindert wird.

,,Kleine-Herde“-Mystik

3. Die Aufgabe von Priestern, Diakonen und Pastoralassistenten ist im Bereich der kirchlichen Jugendarbeit auf die pädagogische und spirituelle Begleitung von Jugendteams — bestehend aus älteren Jugendlichen, jungen Erwachsenen — und einer möglichst großen Runde von Gruppenleitern zu konzentrieren. Diese pädagogische und spirituelle Begleitung muß konsequent und auf Jahre hin schwerpunktmäßig als Aufgabe realisiert werden, weil dadurch ein fester Stamm von jugendlichen Gruppenleitern entsteht, die mit der Zeit in der Lage sind, die Kinder/Jugendlichen, die gefirmt werden, in Gruppen zusammenzufassen.

4. Aus diesen Jugendlichen, die als eben Gefirmte in den Prozeß der kirchlichen Glaubenssoziali-sation hineingenommen werden, können nach einigen Jahren bereits wieder Leiter für Jungschargruppen gewonnen werden, die allerdings einen Grundkurs für Gruppenleitung mitmachen sollten. Damit ist es möglich, bereits die Erstkommunikanten in Gruppen einzubeziehen. Die Jungschargruppen können dann ab der Firmung mit den zusätzlich angesprochenen anderen Firmlingen in Jugendgruppen übergeführt werden. Diese Uberführung der Jungschararbeit in die kirchliche Jugendarbeit bedarf in manchen Regionen eines besonderen Augenmerkes für die nächsten Jahre, da sich an dieser Nahtstelle offenbar große, meines Erachtens unnötige Schwierigkeiten ergeben können.

5. Die Frage nach der speziellen Substanz und den originären Lebenshorizonten, die die Kirche zu vermitteln hätte, ist unter dem Aspekt der Zusage und des Verwurzeltseins in der Jesus-Christus-Beziehung weiter auszudif-ferenzieren. Die vielerorts gängigen Alternativen zwischen „spirituellen“ Konzepten und „sozialausgerichteten“ Konzepten des Dienstes der Kirche an den Jugendlichen ist insofern unsinnig, weil es ein Spezifikum der Frohen Botschaft ist, Glauben und Handeln, Orthodoxie und Orthopraxie in einen gegenseitigen Bedingungszusammenhang zu bringen. Ich halte von solchen unreflektierten Abkapselungen der Gruppen voneinander, gar von den sich lähmend auswirkenden Positionskämpfen überhaupt nichts. Angesichts der schwierigen Sinnsuche Tausender von Jugendlichen in unserem Land gibt es wahrhaftig andere Probleme zu lösen, als sich in solchen Konzeptionskämpfen zu zerreiben.

6. Konsequenz in der Findung und Begleitung von vielen Bezugspersonen — seien es Jugendleiter, Gruppenleiter und andere — würde innerhalb von wenigen Jahren manche Pfarrei in bezug auf kirchliche Jugendarbeit umkrempeln. Schließlich ist es an der Zeit, die Mystik der kleinen Zahlen und der „kleinen Herde“ daraufhin zu befragen, ob statt offensiver Evangelisation nicht doch vielerorts zu wenig Konsequenz und Schwerpunktbildung sowie vorschnelle Resignation die Jugendarbeit in die auch zahlenmäßige Sackgasse führen.

Das Evangelium richtet sich an alle Menschen, auch alle Jugendlichen Österreichs. Wer sind wir eigentlich, daß wir uns als Christen auf kleine Zahlen einrichten und Tausenden von Jugendlichen die Chancen des intensiveren Hineinwachsens in die Gottesbeziehung vorenthalten?

Der Autor ist Professor für Katechetik und Religionspädagogik an der Universität Salzburg.

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