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Die im Zusammenhang mit der Familienpolitik stehenden Ereignisse der letzten Wochen sollten auch Anlaß sein, die Finanzierung des Familienlastenausgleichs neu zu überdenken.

Seinerzeit wurde im Zuge des letzten Lohn- und Preisabkommens beschlossen, anstatt einer allgemeinen sechspro-zentigen Lohnerhöhung einen Lastenausgleich aller Lohnempfänger zugunsten der Familien mit Kindern einzuleiten. Das Familienlastenaus-gleichsgesetz vom 15. Dezember 1954 sah vor, daß die Arbeitgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung 6 Prozent der betrieblichen Lohnsumme an den Familienlastenausgleichsfonds abzuführen haben.

Dadurch erhielt dieser Beitrag fälschlich den irreführenden Titel „Dienstgeberbeitrag”, obwohl es sich zweifelsfrei um einen bis zum heutigen Tag wirkenden Lohnverzicht aller Arbeitnehmer handelt.

Die Leistungen des Familienlastenausgleichs wurden in den ersten Jahren zügig ausgebaut und in der Folge neben der Kinderbeihilfe auch eine nach der Zahl der Kinder gestaffelte Mütterbeihilfe eingeführt. Seit 1968 gibt es nur noch den Begriff der Familienbeihilfe. Auch im Steuerrecht wurde den Familien stärker Rechnung getragen.

Aber schon bis zum Jahr 1970 hatte der Finanzminister aufgrund der bedrängten Staatsfinanzen einen Griff in den Familienlastenausgleichsfonds getan. Wenngleich es sich nur um ein „Darlehen” handelte, wurde dies damals von der SPÖ und den Familienorganisationen zu Recht heftig kritisiert.

Wohl gerade deshalb war es eine der ersten Maßnahmen der sozialistischen Alleinregierung nach 1970, die zweckentfremdete Verwendung von Mitteln des Familienlastenausgleichs zu „legalisieren”, indem die Aufgaben des Familienlastenausgleichsfonds erweitert wurden.

Neben der Gewährung von Familienbeihilfen kam es schrittweise zum Einbau der Schulfahrtenbeihilfen, der Schülerfreifahrten, der Schulbücher, Geburtenbeihilfen, ein Beitrag zum Karenzurlaubsgeld, die Mittel für den Mutter-Kind-Paß und Mittel für Unterhaltsvorschüsse.

Diese „Sachleistungen” verfehlten bei den Empfängern nicht ihre Wirkung, kommen aber jeweils nur einem Teil der Familien zugute. Überdies wären sie sachgerecht aus dem Unterrichts- oder Gesundheitsbudget zu finanzieren gewesen. So aber erreichte die SPÖ zweierlei: Sie konnte sich mit Geldern des Familienlastenausgleichs splendid zeigen, ohne deshalb Kritik fürchten zu müssen und andererseits wurden im Budget Mittel für andere Vorhaben frei, allein 1980 nicht weniger als 5,2 Milliarden Schilling.

Das vorläufige Ende dieser Entwicklung ist durch das Sozialversicherungs-änderungsgesetz gegeben. Die Dienstgeber haben jetzt um ein Prozent mehr an Pensionsversicherungsbeiträgen als die Arbeitnehmer zu leisten, zahlen aber um ein Sechstel des bisherigen „Dienstgeberbeitrages” weniger an den Familienlastenausgleichsfonds.

Mit anderen Worten wurden der Pensionsversicherung Mittel des Familienlastenausgleichsfonds von jährlich 3,7 Milliarden Schilling zugeführt, die von den Arbeitnehmern aufgebracht worden waren. Durch die Forcierung der Sachleistungen aber kam es andererseits ab 1970 nur noch fallweise und in unzureichendem Ausmaß zu Erhöhungen der Familienbeihilfen. Daran ändert auch der Einbau des Kinderab-setzbeträges ab 1978 nichts.

Es steht außer Zweifel, daß vor allem kinderreiche Familien materiell schwer benachteiligt sind. Wenngleich das Los der Familien nicht allein durch finanzielle Hilfe geändert werden kann, müßten die Leistungen aus dem Familienlastenausgleich gestaffelt nach dem Alter und der Zahl der Kinder -wesentlich erhöht werden. Die dafür notwendigen 'Mittel müßten notfalls durch zusätzliche Einnahmen erschlossen werden.

Schon früher wurde wiederholt der Wunsch laut, das Finanzierungssystem auf eine neue und gerechtere Basis zu stellen. Eine ernsthafte Diskussion unterblieb aber, da einerseits die Dienstgeber eine Debatte über den wahren Charakter des „Dienstgeberbeitrages” nicht zulassen sollten und andererseits offenbar Gefahr bestand, daß zusätzlich verfügbare Mittel von der SPÖ ebenfalls willkürlich nach deren gesellschaftspolitischen Vorstellungen verteilt würden.

Diese Fakten können aber angesichts der ernsten Situation der Familien nicht länger als Hindernis für eine ernsthafte Reform gelten. Allerdings kann es keinen anderen Grund für eine Reform als die befriedigende Gestaltung der Familienbeihilfen geben!

Die Finanzierungdes Familienlastenausgleichs geschieht derzeit (Budget 1980) wie folgt:

• 18,5 Milliarden Schilling durch den sogenannten Dienstgeberbeitrag;

• 1,95 Milliarden Schilling durch den Anteil an Einkommens- und Körperschaftssteuer (der dem Beitrag der Selbständigen entspricht);

• 75 Millionen Schilling durch Beiträge land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (125 Prozent des Grundsteuermeßbetrages);

• 127 Millionen Schilling durch Beiträge der Länder (24 Schilling pro Landesbewohner im Alter von mehr als 18 Jahren;

• 75 Millionen Schilling durch Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen;

• und 7,2 Milliarden Schilling als Abgeltung der Einkommenssteuer (Äquivalent für Wegfall der Kinderab-setzbeträge).

Diese Relationen machen deutlich, daß künftig eine andere Gewichtung erforderlich ist und alle Bevölkerung?gruppen sowie die öffentliche Hand zu einer dem „Dienstgeberbeitrag” entsprechenden Leistung herangezogen werden müßten.

Dabei wäre sowohl der Beitrag der Selbständigen als insbesondere jener der Landwirtschaft, der Länder und auch des Bundes zu überprüfen. Wenn dabei zweifellos die Leistungsfähigkeit bäuerlicher Betriebe zu berücksichtigen sein wird, so ist der Beitrag der Länder in jeder Hinsicht ungenügend. Auch aus Bundesmitteln müßten für Familienbeihilfen, die an Bundesbedienstete zur Auszahlung kommen, entsprechende Leistungen erfolgen.

Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Forderung bei jenen, die höhere Lasten auf sich zu nehmen hätten, keine Begeisterung auslösen wird. Andererseits ist neben einer höheren gesellschaftlichen Achtung für die Familien vor allem deren materielle Position zu verbessern.

Die Erziehung von Kindern ist für die Gesellschaft von so hoher Bedeutung, daß diese ihrerseits Verpflichtungen gegenüber den Familien zu übernehmen hat. Dabei wird es vieler Maßnahmen bedürfen - eine davon aber sollte eine sachliche Diskussion mit dem Ziel sein, auch die Finanzierung des Familienlastenausgleichs neu zu gestalten.

Der Autor ist Zentralsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten.

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