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Mehr privat, weniger Staat

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FURCHE: Die Reifenfirma Semperit wurde erst mit Steuermitteln saniert und dann verkauft. Ist das ein Modell, wie Sie sich Privatisierung von Staatseigentum vorstellen?

HOLGER BAUER: Hier stößt man auf die Tatsache, daß auch bei der Privatisierung die Marktgesetze gelten. Es ist unrealistisch, zu glauben, daß man ein schwer defizitäres, zugrundege-wirtschaftetes Unternehmen verkaufen kann. Wenn ich also ein marodes Unternehmen des verstaatlichten Sektors an den Mann bringen will, muß ich es einigermaßen gesund darstellen, damit ich Interessenten finde und — nebenbei bemerkt — einen halbwegs ordentlichen Preis erziele.

Jene Unternehmungen, die erfolgreich wirtschaften, wird man relativ leicht verkaufen können. Sitzenbleiben werden sie auf allen Problemkindern.

Daraus ergibt sich eine weitere Frage: Wenn ich die gewinnbringenden verstaatlichten Unternehmen verkaufe, können deren Gewinne nicht mehr die Defizite anderer verstaatlichter Betriebe ausgleichen.

FURCHE: Warum sind gerade Sie in der Frage der Privatisierung so zurückhaltend?Entstaatlichung war ja immer ein ureigenes Anliegen der Freiheitlichen.

BAUER: Ich begrüße durchaus, daß durch die Vorlage des ÖVP-Privatisierungskonzepts die Diskussion ein wenig in Gang kommt und — wie es scheint — auch ohne ideologische Scheuklappen geführt werden kann. Nur: Die ÖVP hat schon einmal — um 1956 herum — eine solche Diskussion begonnen, Stichwort Volksaktie. Aber daraus ist wenig bis nichts geworden.

FURCHE: Aber ist die Zeit für eine solche Diskussion heute nicht ungleich günstiger, wenn selbst sozialistische Minister wie Ferdinand Lacina und Franz Vranitzky Privatisierung öffentlich zur Diskussion stellen?

BAUER: Noch einmal, die momentane Diskussion ist mir keineswegs unsympathisch, sie muß nur realistisch geführt werden. Der Angelpunkt aller Überlegungen muß die ökonomische Zweckmäßigkeit sein. Man muß von Fall zu Fall genau überprüfen, ob ein privater Anbieter am Markt und in der Lage ist, die gleiche Leistung zumindest gleich gut anzubieten. Wir sollten dabei auch nicht immer nur an die großen Brocken denken. Da gibt es viele kleine Staatsbeteiligungen, bei denen man sich wirklich nach der Sinnhaftigkeit fragt: Warum zum Beispiel soll der demokratische Staat eine Filmfirma wie die „Wien-Film” betreiben?

FURCHE: Braucht der Staat auch ein eigenes Verkehrsbüro?

BAUER: Hier kann man schon wieder eher diskutieren. Tatsache ist, daß ein Fremdenverkehrsland wie Österreich eine gewisse Einheitlichkeit und Schlagkräftigkeit in der Marktstrategie für das sogenannte in-coming-Geschäft braucht. Keine Frage ist allerdings auch, daß — wie es das österreichische Verkehrsbüro tut — es nicht die Aufgabe eines staatlichen Reisebüros sein kann, das „out-going”-Geschäft zu betreiben.

FURCHE: Tritt die FPÖ vielleicht in Sachen Privatisierung deshalb etwas leiser, weil man — nicht zuletzt durch die Regierungsbeteiligung — jetzt auch in der Verstaatlichten „drinnen ist”?

BAUER: Ich möchte wirklich nicht den Eindruck erwecken, daß ich irgendwelche Mentalreservationen in Richtung Privatisierung habe. Angeblich hat sogar der große österreichische Sozialdemokrat Otto Bauer einmal gesagt: Niemand verwaltet Industriebetriebe so schlecht wie der Staat.

Eine Randbemerkung: Die ÖVP hat die Möglichkeit in sechs Bundesländern, all ihre Vorschläge zu verwirklichen, von der Privatisierung von Seilbahngesellschaften in Salzburg bis zur Newag. In den Ländern ist ja die Tendenz zur „Verstaatlichung” vieler Wirtschaftsbereiche noch viel stärker. Daher hielte ich einen ÖVP-Vorstoß in den Bundesländern für beispielgebend.

FURCHE: Mit der Privatisierung will man ja auch den Staat von seinen überbordenden Kapitalverpflichtungen entbinden.

BAUER: In jenen Fällen, in denen staatliche Unternehmungen Kapital benötigen—zum Investieren oder zum Verlustabdecken —, sollten wir sie in Zukunft nicht von vornherein mit Geld von Väterchen Staat bedienen, sondern sie mit der Ausgabe von Aktien etwa auf den Kapitalmarkt schik-ken.

FURCHE: Heißt das, daß zum Beispiel die Creditanstalt in Zukunft für ihre defizitären Konzernbetriebe Aktien auflegen muß?

BAUER: Warum sollten CA-Aktien nicht an den Mann zu bringen sein? Das Ganze wird jedenfalls bei staatlichen Unternehmen, die traditionell Gewinn machen, nicht allzu schwer sein. Schwieriger wird es, wenn man Bundesbahn-Aktien unter die Leute bringen will. Aber selbst das ist nicht auszuschließen, nur muß ich den Aktionären eine Dividende garantieren, die sich am allgemeinen Zinsniveau orientiert.

Wenn Sie jetzt einwenden, das bedeutet ja nichts anderes, wie wenn ich gleich den Betrieben Kapital vom Staat zur Verfügung stelle, dann ist dazu doch anzumerken: wenn im verstaatlichten Bereich plötzlich auch private Aktionäre Mitsprache-, Informa-tions- und Kontrollrechte haben, bringt das automatisch eine Klimaänderung mit sich.

Mit dem Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen sprach Tino Teller.

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