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Digital In Arbeit

Mehr Transparenz im Datenverkehr

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Die Novellierung des Datenschutzgesetzes wird immer dringlicher: Seit dem Inkrafttreten 1978 haben sich aus der Anwendungspraxis neue Fragen herauskristallisiert.

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Die Novellierung des Datenschutzgesetzes wird immer dringlicher: Seit dem Inkrafttreten 1978 haben sich aus der Anwendungspraxis neue Fragen herauskristallisiert.

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Die Informationsverarbeitung hat die industrielle Arbeitswelt grundlegend verändert, beginnt das Büro und bürokratische Strukturen zu durchdringen und greift zunehmend in das Privatleben jedes einzelnen von uns ein.

Der Computer ist nicht einfach nur eine ausgeklügelte Registriermaschine oder eine Bibliothek im Kleinformat, sondern das Kernstück eines neuartigen Kommunikationssystems, das für uns als einzelne wie auch für die nachfolgenden Generationen mächtige Einwirkungen nach sich zieht.

Ein Diskurs über Computer kann von Gefühlen über politische und persönliche Dinge getragen sein, etwa von dem Gefühl der Unsicherheit in einer Gesellschaft, die man als zu komplex empfindet. Da die Macht der Bürokratie schon fast per definitio-nem unpersönlich ist, läßt sich in vielen Lebenslagen für den einzelnen kein Urheber für die Unterdrückung menschlicher Würde und Grundrechtsansprüche ausmachen.

Das Unbehagen und der Groll konzentrieren sich somit oft auf „den Computer", der immer mehr zum Symbol der Ausübung bürokratischer Macht wurde. Die neuen Informatiöns- und Kommunikationstechniken weisen auch eine deutliche Tendenz dahin auf, die Dringlichkeit vieler sozialer Probleme erst richtig transparent zu machen und zu erhöhen.

Die wichtige Frage lautet: Verstärken die neuen Informationsund Kommunikationstechniken alle gesellschaftlichen Trends gleichermaßen oder wirken sie selektiv?

Es gibt in der Gesellschaft einen ständigen Kampf um Ansehen und Macht. Die Informationstechnik erweitert dabei das zur Verfügung stehende Arsenal. Festzustellen ist, daß Technik im allgemeinen erst durch das Wirken gesellschaftlicher Kräfte, Ziele und Konflikte Anwendung findet und Gestalt annimmt.

In dem so geschaffenen rechtlichen und institutionellen Rahmen führt die ungleiche Verteilung der wirtschaftlichen Möglichkeiten und Machtpositionen dann unvermeidlich zur Verstärkung von bestehenden Ungleichgewichten. Die latenten. Spannungsfelder unserer Gesellschaftsordnung werden dadurch akut und treten offen hervor. Eine Verkehrsordnung für den Umgang mit Datenmaterial ist nötig geworden.

Eine Rechtsgüterabwägung zwischen den „berechtigten Zwecken des Auftraggebers", des Datenbenutzers, und den „schutzwürdigen Interessen" des Betroffenen (Dateneigentümer), insbesondere unter Achtung des Freiraumes des einzelnen, seines Privat- und Familienlebens, wird daher seit Jahren allgemein als Aufgabe der Gesetzgebung in Europa anerkannt.

Auch Österreich hat 1978 einen ersten Schritt zu einer gesetzlichen Rechtsgüterabwägung getan und ein „Grundrecht auf Datenschutz", verstanden als „Datenverkehrsordnung", verfassungsrechtlich verankert.

Nun, 1984, ist daran zu erinnern, daß 1978 vom Vorsitzenden des befaßten Verfassungsausschusses des Parlaments als erklärtes Ziel und Gegenstand des österreichischen Datenschutzgesetzes „die totale Transparenz des Datenverkehrs und der Rechtsschutz des einzelnen vor der Ubermacht der Apparate" betont wurden.

Paradoxerweise wurden aber dann - quasi in letzter Stunde -die Informatiöns- und Kontrollrechte des jeweils Betroffenen auf den automationsunterstützten Datenverkehr (ADV) eingeschränkt.

So heißt es jetzt zum Beispiel im Paragraph 1 des Datenschutzgesetzes:

„Jedermann hat, soweit Daten über ihn automationsunterstützt verarbeitet werden, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen das Recht auf Auskunft darüber, wer Daten über ihn ermittelt oder verarbeitet, woher die Daten stammen, welcher Art und welchen Inhalts die Daten sind und wozu sie verwendet werden". Dazu kommt „das Recht auf Richtigstellung unrichtiger und das Recht auf Löschung unzulässigerweise ermittelter oder verarbeiteter Daten".

Die Einschränkung des Rechtsschutzes für den einzelnen Betroffenen auf den automatisationsun-terstützten Datenverkehr in diesen zentralen Punkten steht in erheblichem Spannungsfeld zum Gleichheitsgrundsatz.

Dadurch entsteht bei der Durchsetzung des Rechtes auf Information bei Auskunftsverweigerung durch den verpflichteten Auftraggeber naturgemäß das Problem der Beweislast, ob es sich nun um Daten im Sinne des Gesetzes handelt.

Viele anstehende Fragen konnten jedoch mit dem Datenschutzgesetz 1978 schon für die unmittelbare Zukunft einer Regelung zugeführt werden, wenn auch erhebliche Anliegen betreffend die Durchsetzbarkeit der Informationsansprüche ungelöst blieben.

Neue Fragen haben sich zwischenzeitlich aus der Anwendungspraxis als dringend herauskristallisiert.

Insbesondere die parlamentarische Resolution aus dem Jahre 1978 mit dem Ersuchen um Erarbeitung einer Regierungsvorlage, mit der die im Datenschutzgesetz damals aus Termingründen weggelassenen Bestimmungen über eine schadenersatzrechtliche Regelung sowie insbesondere ein Ersatz immaterieller Schäden angestrebt werden sollte, ist noch unerfüllt geblieben.

Von den vielen bekanntgewordenen Verletzungen der Rechte der Betroffenen sind den zuständigen Landesgerichten bisher nur wenige Fälle von Seiten der Anwälte vorgelegt worden.

Angesichts der steigenden Zahl von Berichten über Mißbräuche im Datenverkehr, der bekannten Entwicklung der Wirtschaftskriminalität und schwerwiegender Verletzungen der nur natürlichen Rechtsansprüche der Betroffenen auf Information/Auskunft ist ein weiteres Zuwarten mit der Berücksichtigung der vorliegenden Novellierungsvorschläge kaum noch zu rechtfertigen.

Mit den neuen Informationsund Kommunikationstechniken ist die Chance gegeben, die angestrebte Verbesserung der Verhältnisse für die Gesellschaft von morgen zu realisieren. Wir sollten diese Chance durch eine parallel einhergehende rechtspolitische Weiterentwicklung zum Guten nutzen.

Der Autor ist gerichtlich beeideter Sachverständiger für Informationstechnik und Herausgeber des ..Datenschutz-Leitfadens**, Verlag Orac Wien. Der Beitrag ist ein Auszug aus dem Referat ..Der Einfluß der Informationstechnik auf den persönlichen Freiraum des Menschen" beim 7. Internationalen Kongreß „Datenverarbeitung im europäischen Raum" Ende März in Wien; schriftliche Dokumentation der Referate eben erschienen bei der Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung (ADV), 1010 Wien, Trattnerhof 2.

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