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Mehta, Schneiderhan, Hager

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Das 5. Abonnementkonzert der Philharmoniker leitete Zubin Mehta. Zwischen einer zuwenig differenzierten, etwas mechanisch abschnurrenden Haydn-Symphonie („L'ours“ Nr. 82 C-Dur) und der immer wieder effektvollen „Symphonie fantasti-que“ von Berlioz hörten wir „Thre-nos“ von Penderecki — zwar nicht zum erstenmal in Wien, aber zum erstenmal in einem Philharmonischen Konzert. Das war auf alle Fälle erfreulich, denn es zeigte, daß sich unser Meisterorchester auch mit den neuesten graphischen Notierungen vertraut gemacht hat. Das Stück ist bereits 12 Jahre alt und erhielt vermutlich wegen seines Titels — „Klagegesang auf die Opfer von Hiroshima“ — den Preis der UNESCO. Es dauert 8 Minuten 30 Sekunden — und dies war sein ursprünglicher Titel. Mit den 52 Streichinstrumenten, für die es geschrieben ist, macht Penderecki so ziemlich alles, was man sich ausdenken kann. Trotzdem war es pädagogisch durchaus verfehlt, daß sich der Dirigent am Sonntag vormittag vor Beginn des Stük-kes (in mangelhaftem Deutsch, das er an der Wiener Akademie hätte korrigieren können) an das Publikum mit der Bitte wandte, nicht auf die Orchestermusiker zu schauen, da man sonst von der Musik abgelenkt werde. Das rief natürlich Heiterkeit hervor — wie jede derartige Ankündigung. Diese fröhliche Stimmung stand in ebensolchem Gegensatz zum Thema der Komposition Pende-reckis wie diese zu ihrem Gegenstand ...

Vielleicht werden wir künftig als ständige Bereicherung unseres Musiklebens ein Philharmonisches Kammerorchester haben... Das erste Konzert im gutbesuchten Großen Musikvereinssaal, ausgeführt von 24 Streichern und dirigiert von Wolf gang Schneiderhan,. läßt es hoffen. Das Programm war gut zusammengestellt, ein Stück paßte zum andern und zum Ganzen; schwierig zu exekutierende und zum Teil anspruchsvolle Musikstücke wurden dem Hörer als „leichte Kost“ serviert und mit viel Beifall aufgenommen. Benjamin Brittens „Simple Sympho-ny“ für Streichorchester hält wirklich, was ihr Name verspricht: an den vier kurzen Sätzchen können sich,be-reits Sieben- bis Zehnjährige ergötzen. Das Programmheft nennt als Entstehungszeit das Jahr 1833/34. Und genau so klingt diese Musik (Freud hätf eine Freud'!). Hierauf konnte man in Mozorts Violinkonzert A-Dur alle guten, uns seit vielen Jahren wohlbekannten und geschätzten Qualitäten Schneiderhans als Solisten bewundern. — Den zweiten Teil eröffnete, unter Schneiderhans sicherer Führung, ein Meisterwerk der Moderne: Frank Martins 1944/45 entstandene und seither mehrere hundert Male aufgeführte „Petite Symphonie concertante“. Als Solisten fungierten Hubert Jelinek, Harfe, Johann Sonnleitner, Cembalo, und Rudolf Buchbinder, Klavier. Der flotte Marsch des zweiten Satzes leitete zu zwei heiteren, künstlerisch aber nicht weniger erfreulichen Stücken über: auch in Theodor Bergers oft gespieltem „Rondino giocoso“ op. 4 aus dem Jahr 1933 und in Bila Bartöks bereits klassisch gewordener Suite von sieben „Rumänischen Volkstänzen“ für Streicher zeigte Wolfgang Schneiderhan, was für ein guter Musiker er ist und mit welch geringem gestischen Aufwand man ein mittleres Ensemble zu leiten vermag. Viel herzlicher Beifall.

Das letzte Konzert des ORF-Orchesters im Konzerthaus brachte als Novität Benjamin Brittens symphonischen Zyklus für Orchester und hohe Singstimme, „Our hunting Fathers“, op. 8, eine auf oratorisch englischem Barock fußende Kantate. In einem Prolog, Epilog und drei Arien behandelt sie das persönliche Verhalten der Menschen zu den Tieren und die den letzten oft bedauerlich grausam zuteil werdende Haltung. Der ersten, virtuos gehaltenen Arie folgt die in diatonischer Melodik einhergehende Klage der Messalina, das dritte Arioso wird von einem überaus dramatischen Orchesterzwischenspiel unterbrochen. Ein interessantes, auch musikalisch ansprechendes Werk. Elisabeth Söderströms schöner, klangvoller Sopran bewältigte den ungemein schwierigen Gesangspart mit zwingender Musikalität. Eingerahmt war die Kantate von Händeis prunkvoller, aus zwei Sätzen bestehender Barockouverture zu seiner Oper „Julius Cäsar“ und Tschai-kowskys 6. Symphonie. Milan Hor-vat war für Britten der geeignetere Ausdeuter als für Tschaikowskys Leidenschaft und Resignation.

Leopold Hager, wie man von Salzburg her weiß, ein mit guten kapellmeisterlichen Eigenschaften ausgestatteter, für Mozart besonders prädestinierter Dirigent, verstand das Programm des außerordentlichen Orchesterkonzertes der Wiener Symphoniker im Großen Knzerthaussaal gut für sich auszunutzen. Denn nicht nur, daß er mit genügender Spannungsreserve und mit großer Genauigkeit die Partitur von Mozarts herrlicher Es-Dur-Symphonie (KV 543) akzentreich und klanglich sehr fein verlebendigte, auch die „Pulcinella-Suite“ kommt Hager und seiner Auslegung sehr entgegen, indem das Werk auf Grund der Verwendung der Pergolesi-Melodien durch Stra-winsky in eine zeitliche Mozart-Nähe gerät und in der subtilen Instrumentierung des hier nicht mehr zu erkennenden „Sacre-de-prin-temps“-Komponisten dessen neoklassizistische Periode glaubhaft macht. Es war eine gelungene, wenn auch stellenweise dynamisch überzogene „Pulcinella“-Interpretation. — Nach längerer Pause kam Walter Klien wieder aufs Konzertpodium, und zwar zur Übernahme des Klavierparts von Beethovens B-Dur-Konzert, das, der Stilperjode der Frühklassik zugehörig, inhaltlich noch stark auf dem Boden der Kunst Mozarts steht. Das Spiel des ausgezeichneten Pianisten ist eine Synthese aus richtiger Selbstkontrolle und spontaner Musizierfreude, zeigt perlende Legato- und Lauftechnik, farbenreichen Anschlag und viel Empfindung, der jede, heute leider so gern geübte Glätte fremd ist. Da sowohl der Solist als auch der Dirigent sich in ihrer Auffassung einig waren, auch hinsichtlich des sehr rasch genommenen Rondo-Finales, kam ein prächtiges Zusammenmusizieren zustande. Der gut besuchte Saal zeigte sich überaus applausfreudig.

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