6980915-1986_10_13.jpg
Digital In Arbeit

Mein Mann ist verliebt

Werbung
Werbung
Werbung

Sie wissen ja, meine Liebe, wie das ist, wenn ein Mann sich verliebt: Ehe und Häusliches treten in den Hintergrund, die Erziehung der Kinder bleibt mir, der Gattin, überlassen, und wenn ich etwas einwende, dann sagt er bloß geistesabwesend: Du hast eben kein Verhältnis. Er meint damit: zu technischen Dingen. Denn die Verliebtheit, von der ich spreche, bezieht sich auf das Auto, das er mit einer Zärtlichkeit umgibt, die mich eifersüchtig machen könnte. Es wird gehätschelt und gestreichelt, und alles andere bleibt lie-

gen, wenn der braven Susi etwas fehlt. „Susi first“ ist die Parole.

Auch beim Wegfahren abends ins Theater. Er ist ein vorbildlicher Ehemann, noch mehr: er ist ein höflicher Begleiter, der seine gute Erziehung durch alle die Jahre niemals vergessen hat. Also öffnet er mir mit einer leichten Verbeugung die Türe des Wagens, ich steige ein und überlege, daß der Weg in die Stadt eine gute Gelegenheit geben wird, von unserem ungeratenen Jungen zu sprechen, mit dem unbedingt etwas geschehen muß. Aber mein Mann, der überdies auch noch ein guter Vater ist, erscheint auf einmal verwandelt.

Zuerst schlägt er die Tür zu, was er zu Hause nie tut, und behaup-

tet, er müsse. Dann lebt er in einem fortwährenden kosenden Gespräch mit seiner Susi, tupft dorthin und dahin, wischt, murmelt, redet ihr zu und fährt dann endlich mit einem Aufseufzen los. Jetzt scheint der Augenblick gekommen, auf die schwierigen Geheimnisse seines Sohnes einzugehen.

Das erste, was er darauf sagt, ist: „Dumme Gans.“ Mein wohlerzogener Mann! Natürlich sagt er's nicht zu mir, wo denken Sie hin, aber vor uns hat eine Dame am Steuer es sich plötzlich überlegt und ist ausgeschert, ohne den Blinker zu betätigen. Also vergebens. Ich fange nochmals von unserem Sohn an, um nun das Wort „Esel“ zu vernehmen. Das könnte zwar auf ihn passen, aber hier gerade, wo doch von seinen inneren Wirren die Rede war, kaum. Es galt auch nur einem rowdyhaften Uberholer, der beinahe unsere Schutzbleche gestreift hätte. -

„Jetzt geht's auf einmal!“ ruft dann mein Mann triumphierend aus. „Warum nicht gleich, Herr von Schlaf haube?“ Denn die Schlange vor der Kreuzung hat sich nach langem Zögern in Bewegung gesetzt. Vorn hatte einer mit seinem Wagen Startschwierigkeiten gehabt.

Ich gebe es auf, von unserem Sohn zu sprechen, denn ich möchte nicht, daß einer der Flüche, die ich nun mitanhören muß, auch nur irrtümlich auf sein Haupt fällt. Was war geschehen? Es muß etwas Entsetzliches sein, vielleicht hat einer meinem Mann den Weg abgeschnitten. Nun gut, wir gelangen endlich doch an das Theater, mit vollendeter Höflichkeit komplimentiert mich mein Mann hinaus und braust davon, um Susi zu versorgen. Er hätte eigentlich mit mir vereinbaren können, wo wir uns wieder treffen wollten, aber da war Susi dagegen gewesen, sie mußte schnellstens aus dem Bereich der ungehaltenen Schutzleute gelangen. Nun, wir finden uns schon wieder, es gibt größere Komplikationen in einer Ehe. Ich höre mir auch noch mit Interesse an, wo Susi jetzt steht und was für einen fabelhaften Einschlag sie bewiesen hat. Dann gehört mein Gatte wieder mir.

Leider, leider hat Susi manchmal ein wehes Bein. Oder es kracht ihr der Magen, und das nach dem Theater, wie uns auch, denn wir wollten doch erst nachher soupieren gehen. Nun, bei uns

ist das nicht so wichtig, aber Susis Beschwerden müssen natürlich stante pede behoben werden. Stehenden Fußes: denn zuerst läßt mich mein Gatte daneben stehen, er zieht die Handschuhe aus und reißt den Werkzeugkasten auf, schon sind die weißen Manschetten beschmutzt, aber was schadet's? Es geht doch um Susis Gesundheit. Dann wird gekramt, geleuchtet, geschimpft und gewerkelt, während ich es vorziehe, mich halt in das kühle Innere unserer Geliebten zurückzuziehen. Liefe der Motor, könnte man heizen, aber er läuft eben nicht. Ich bin nur froh, wenn mein Mann nicht den Plaid aus dem Wagen zerrt, vor Susi auf den Boden breitet und sich im Abendanzug unter ihr Chassis schlängelt, um zu reparieren.

Meistens geht die Sache gut aus, und wir müssen nicht abgeschleppt werden. Manchmal gelingt es mir aber, ihm Susi abzuschmeicheln, indem ich recht kläglich tue. Dann fahren wir per Taxi los. Am nächsten Tag setzt der Mechaniker zwei Hebel an, und alles ist in Ordnung. „Hätten wir sparen können, dieses Geld“, grollt mein Gatte.

Bei Uberlandfahrten ist er ein wenig umgänglicher, und die

Ochsen, Esel und Gänse sind nicht so häufig wie in der Stadt. Dafür hebt dann mein Mann plötzlich den Kopf, neigt das Ohr, greift zur Handbremse — und ich weiß schon, was geschieht: eine gute halbe Stunde, wenn nicht mehr, wird jetzt schweigend nach einem unerfindlichen Fehler gesucht. Frage ich schüchtern, was los sei, dann knurrt er nur: „Wenn ich es wüßte, wäre es einfacher.“

Manchmal auch ist er weniger bissig, dann weiß er's nämlich, aber er ist nicht dazu zu bewegen, es zu erklären. Ich habe doch kein Verhältnis zur Technik. Mitunter erklärt er mir's trotzdem, und ich sage brav ja, ja, obwohl mir die Sache spanisch vorkommt. Dann erklärt er's noch genauer, aber es wird nicht klarer, und wenn wir dann zu einer Werkstätte kommen, ist ganz etwas anderes schuld; dasjenige, was ich mir gedacht, aber beileibe nicht ausgesprochen hatte. Man fühlt es doch — aber wie soll man einem technisch begabten Menschen ein Gefühl erklären? Er lächelt nachsichtig und sucht an der falschen Stelle weiter.

Glauben Sie nicht, meine Liebe, daß ich mich über ihn lustig machen will. Im Gegenteil, ich finde ihn liebenswert und begeisternd, wenn er verliebt ist. Und ich weiß jetzt auch, was ich ihm zum Geburtstag schenken werde: einen Satz blumenverzierter Schraubenschlüssel für seine Susi.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung