7066655-1992_07_03.jpg
Digital In Arbeit

Meister im Verdrängen

Werbung
Werbung
Werbung

„Ozonloch über der nördlichen Halbkugel" - so die Schlagzeilen vor einer Woche. Man las von Bedrohung, stark steigenden Hautkrebszahlen. „Soll man Kinder in eine solche Welt setzen?", fragte mich meine Tochter entsetzt. Mittlerweile scheint das schon wieder lange zurückzuliegen, nicht wahr? Jetzt feiern wir die Olympia-Triumphe.

In Umweltfragen sind wir Meister im Verdrängen. Schon Mitte der siebziger Jahre wiesen mathematische Rechenmodelle nach, daß FCKW (chlorierte Fluorkohlenwasserstoffe) gefährl ich seien für die Ozonschicht, die uns bekanntlich vor zu intensiver Ultraviolett-Strahlung schützt. Die Reaktion: Zuerst Reduktion von Spraydosen mit Treibgas und vorübergehend Rückgang der Emissionen. Die achtziger Jahre brachten aber wieder einen Anstieg. Spraydosen mit FCKW sind in Österreich seit zwei Jahren verboten - mit teilhaloge-nierten Kohlenwasserstoffen ab 1993.

1981 bestätigten Messungen der Wettersatelliten Nimbus die Rechenmodelle: In sechs Jahren hatte die Ozonschicht um vier Prozent abgenommen. Zu einschneidenden Maßnahmen raffte man sich aber nicht auf. Denn: mathematische Modelle seien nicht wirklich stichhaltig und die Messungen bewegten sich im Bereich der Beobachtungsfehler. Man müsse mehr forschen.

Man tat es und entdeckte Mitte der achtziger Jahre das mittlerweile berüchtigte Ozonloch über der Antarktis. Aber der Südpol ist weit weg und so blieb alles beim alten: Erst im Dezember ist eine OECD-Konferenz über FCKW ergebnislos verlaufen - zu einem Zeitpunkt, da man im Süden Chiles Kinder zu Mittag nicht mehr an die Sonne läßt, allen rät, nur mit Sonnenbrille und bedeckter Haut ins Freie zu gehen, und laufend erblindete Tiere entdeckt! Kein Wunder: Die UV-Strahlung liegt 29 Mal über den Normalwerten.

Wird das Ozonloch über unseren Köpfen jetzt zu raschem Handeln führen? Je schneller dies geschieht, umso besser. Denn was wir jetzt tun, wird frühestens in zehn Jahren Wirkung zeigen.

Zu bedenken bleibt aber: Wirklich zielführend sind Einzelmaßnahmen nur, wenn sie mit einer Abkehr vom Wachstums- und Industrialisierungskurs einhergehen. Auf diesem Weg sind Glashaus-Effekt, Ozonloch, Wasserverseuchung, Tropenwaldvernichtung, saurer Regen, Waldsterben und alle anderen weltweiten Bedrohungen entstanden. Nicht Symptombekämpfung wird diese Probleme lösen, sondern Neuorientierung. Aber auch darauf hat vor 20 Jahren der Club of Rome aufmerksam gemacht - bisher umsonst.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung