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Meisterstück „Ö I

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Der Name bürgt für Qualität— Hugo Portisch hat seine Fähigkeit, jüngste Kapitel der österreichischen Geschichte in anschaulicher, ja eindringlicher Form auf den Bildschirm zu bannen und dadurch Volksbildung im weitesten und in einer dem Zeitalter der Telekratie entsprechenden Form zu vermitteln, bereits eindringlich unter Beweis gestellt. Die Fernsehserie „Österreich II“, die auch in Buchform aufliegt, erschien allein schon als Meisterstück, komplizierte geschichtliche Vorgänge allgemein verständlich aufzubereiten. Heute wissen wir jedoch, daß es sich bei aller Meisterschaft nur um das „Gesellenstück“ gehandelt hatte.

Nachdem wir die ersten beiden Folgen der neuen Serie „Österreich I“ gesehen haben, weiß der unvoreingenommene Beobachter: Das „Meisterstück“ liegt nun vor. Warum diese Unterscheidung, die keine Wertung beinhalten soll?

In „Österreich II“ zogen Ereignisse vor unseren Augen vorüber, die zumindest die Älteren unter uns selbst erlebt hatten. Wir wurden mit Kapiteln aus unserem eigenen Leben konfrontiert. Wir erlebten gleichsam nochmals den Film, in dem wir selbst bereits in bescheidenen Rollen oder als Statisten agiert hatten. Auch wußten wir, daß hier Filmmaterial in genügendem Ausmaß vorhanden sein mußte. Der Findigkeit und dem Spürsinn von Hugo Portisch freilich blieb es überlassen, dieses ausfindig zu machen und klug zu kommentieren. Sepp Riff wiederum hatte es mit Hüf e der auf den letzten Stand gebrachten Technik aufzubereiten.

Für eine Serie, die die Erste Republik den Zeitgenossen der achtziger Jahre nahebringen sollte, waren die Voraussetzungen weit ungünstiger. Zeitzeugen, vor allem der Jahre des Uberganges von der Monarchie zur Republik, sind spärlich geworden. Und das Material? Wer hatte damals schon gefilmt, wer fotografiert?

Und wenn, mit welch primitivem Material und Apparaten am Vorabend, an dem ein neues Medium — der Film -, sich anschickte, die Menschen in seinen Bann zu schlagen!

Hier gab es schon die ersten Überraschungen. Man mußte wohl mit der Spürnase eines historischen Detektivs versehen sein, um jene Schätze aufzuspüren, aus denen Hugo Portisch und sein Team dann die Serie gestalten konnten. Es sind tatsächlich filmische Kostbarkeiten, die in den verschiedensten Archiven lagen und die nur warteten, gehoben zu werden.

Die zweite Überraschung: Sepp Riff und seinen Mitarbeitern gelang es, aus den „Zappelmännchen“, die wir aus der Vorführung uralter Filme kennen, Menschen zu machen, die vor unseren Augen nicht anders erscheinen, als wenn sie für die jüngste Sendung von „Zeit im Bild“ aufgenommen worden wären. Filme von höchster technischer Qualität sind es, die nach sorgfältiger Bearbeitung vor unseren Augen abrollen und die den historischen Abstand von siebzig Jahren und zum Teil noch mehr mühelos bewältigen.

Gleichsam wie durch eine Zeitmaschine werden wir in jene Jahre der Republikgründung zurückversetzt. Kurz und gut: wir wurden nicht Betrachter eines historischen Geschehens, wir fühlten uns als Zeitgenossen einer vom heißen Atem der Geschichte durchpulsten Zeitspanne.

Gemeinsam mit unseren Vätern und Großvätern fühlen wir die Härte der Kämpfe im Eis und Schnee der Dolomitenfront mit.

Wir begleiten Kaiser Franz-Joseph auf seinem letzten Weg. Wir erleben die gar nicht liebevolle „Umarmung“ des friedenswilligen Kaisers Karl durch die deutsche Generalität mit, die Österreich-Ungarn die eigene Lebenskraft raubte.

Wir waren dabei, als vor dem Parlament in Wien von radikalen Elementen zerfetzte Fahnen der jungen Republik nichts Gutes für deren Zukunft verhießen.

Wird ein Meisterwerk geschaffen, so fehlt es auch nie an einem Beckmesser. Diese Rolle hat Gerhard Botz aus Salzburg übernommen, der im Geiste der Achtundsechziger-Generation mehr „Hin-terfragung“ urgiert, mit .Analysen, Füßnoten, Quellenangaben und kontroversiellen Standpunkten“. Er fand die richtige Antwort. Ein solches Seminar würde wohl kaum Publikum vor dem TV-Schirm finden. Das Ziel jedoch, das sich Hugo Portisch und die Seinen gesetzt hatten, Interesse anzuregen für das „Woher“, für ein Leben aus der Geschichte, wurde ohne Zweifel erreicht. Wer mehr wissen will, findet genügend Bücher und Publikationen, die den geweckten Wissensdurst stillen können und in denen die verschiedenen Standpunkte und Perspektiven zu Worte kommen.

Ein Magazin hat einmal journalistisch salopp Hugo Portisch als „Geschichteerzähler der Nation“ vorgestellt. Ich glaube, er darf in der Tat diesen Ehrentitel auf seine Visitenkarte setzen. Aber das werden unsere jungen „Kathedersozialisten“ mit neulinkem Touch, humorlos, wie sie sind, nie verstehen.

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