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Melancholische Clowngesichter

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Ein Clown mit Rose, als Geburtstagsgeschenk für einen Freund gemalt, hat noch etwas von kindlicher Leichtigkeit in seinen blauschwebenden Farben, mit traurigem Alltagsgesicht blickt der „Weiße Pierrot” aus seiner ovalen Fassung. Mit dem Zeigefinger zwischen den Lippen und geschlossenen Lidern ist ein „Nachdenklicher Pierrot” aus den Jahren 1937/39 dargestellt und aus 1948 stammen „Die beiden Brüder”, ebenfalls zwei Clowngestalten. Der ältere der beiden mit blauem Hut und einem tieftraurigen Blick, der in unendliche Fernen gerichtet zu sein scheint. Neben ihm ein kindliches Clowngesicht, das noch nicht von jenem Ausdruck unsäglicher Trauer geprägt ist

Das Zirkusmilieu haben wohl auch die „Blauen Pierrots” des Jahres 1943 mit ihrem strahlenden Himmelshintergrund und fröhlichen blumengefüllten Ziervasen gemeinsam mit jenem als „Träumer” bezeichneten Clowngesicht (1946), in dem die tiefe Melancholie eines in Ockertönen gehaltenen Antlitzes noch durch die trotzig geschürzte Unterlippe verstärkt wird. Georges Rouault, der 1871 geborene Schöpfer dieser Werke, hatte die Welt des Zirkus und der Gaukler als individuelle Traumwelt und als Kontrast zur Bürgerlichkeit gewählt und fast bis zu seinem Tod 1958 beibehalten.

In der nun bis 17. Oktober im Salzburger Rupertinum gezeigten Ausstellung, die erstmals in Österreich die gesamte Schaffenszeit des Künstlers berücksichtigt, sind 80 Ölbilder und Arbeiten auf Papier und rund 100 Beispiele aus seinen druckgraphischen Zyklen zu sehen.

Georges Rouault, als Sohn eines Kunsttischlers in Paris geboren und zur Malerei gekommen durch die Lehre bei einem Glasfenster-Restau-rateur, studierte gemeinsam mit Henri Matisse bei Gustave Moreau, zu dem er eine Art Vater-Sohn-Beziehung entwickelte. Obwohl Mitbegründer des „Salon d'Automne” in Paris, in dem 1905 die „Fauves'.', die .Jungen Wilden” der damaligen Zeit, erst-mals ausstellten, blieb Rouault zeitlebens ein einsamer Individualist. Dazu trug einerseits seine von der Glasmalerei herrührende Technik der schwarz konturie-renden Linienführung um starkfarbige Bildflächen bei, andererseits seine ausdrückliche Hinwendung zu religiösen Themen.

Rouaults persönliches soziales Engagement schlug sich schon früh in Themen wie dem „Leidvollen Leben in der Vorstadt”, Gerichtssaal-und Flüchtlingsszenen, den „Dirnen” oder auch in Aktdarstellungen nieder, in denen Frauen eher „ausgeliefert” als voll Freude an der eigenen Erotik dargestellt erscheinen. Durch seine Freundschaft mit dem Wiederentdecker eines katholischen Mystizismus Leon Bloy wurde Rouault religiös stark beeinflußt.

Wie sich im stilistischen Umgang etwa ab dem Jahr 1910 in Rouaults Schaffen eine Hinwendung zu expressiver Farbgebung (mit zahlreichen Übermalungen) und stärkerer Kontu-rierung der Flächen abzeichnet, beginnt auch thematisch etwa zu dieser Zeit die explizite Auseinandersetzung mit religiösen Themen. Die Radierzyklen „Miserere” und

„Passion”, vielfach überarbeitet, die nach biblischen Zitaten benannten Ölbilder „Im Lande des Durstes und der Angst” (1948), .Lasset die Kinder zu mir kommen” (1946/48), die „Biblischen Landschaften” (1946/47) oder das „Ecce Homo”-Bild aus 1949 stehen am Ende einer Entwicklung, aus der sich Rouaults Wertschätzung als „religiöser Künstler” ableitet.

Nicht nur religiöser Künstler

Gerade die in ihrer Farbigkeit an Glasfenster gemahnenden biblischen Szenen, etwa Christus mit Martha und Maria, Christus mit den „Kleinen” oder mit wandelnden Frauen („Spätherbst”, 1952) zeigen eher eine Symbolgestalt in einer ebenfalls symbolhaft zu deutenden Umwelt. Ein Werk wie der „Christliche Abend” (1952) scheint fast als Urbild für das „Zuen-degehen der Welt”, vermutlich auch das Zuendegehen von Rouaults eigenem Leben.

Auf dem Hintergrund der „Renou-veau Catholique”-Bewegung mit ihren literarischen Höhepunkten in Charles Peguy, Paul Claudel, Georges Bernanos ist möglicherweise auch die mangelnde Wertschätzung - gerade auch im deutschsprachigen Raum - für einen Künstler zu sehen, dessen Gesamtschaffen es neu zu entdecken gälte. Sich als Rouault-Nachahmer betätigende Illustratoren religiöser Bücher haben zweifellos noch das ihre zu dessen einseitiger Beurteilung beigetragen.

„Ich vergesse alles, wenn ich meine Malerei knete... Die zu spitzen Winkel des täglichen Lebens reißen mir nicht mehr die Haut auf. Ich bin wie der Vater Moreau: ob sich das um zwei Sous, zehn Sous oder tausend Francs verkauft, ist mir völlig gleichgültig” schreibt Rouault einmal. Das spürt man auch.

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