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Menachem Begin wird sogar mit „Gusch Emunim“ fertig

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Einige Tage bevor Ministerpräsident Menachem Begin sein hohes Amt angetreten hatte, empfing er eine Delegation der „Gusch Emunim“, die ihm einen ausgearbeiteten Siedlungsplan für zwölf neue Ortschaften in den besetzten Gebieten Westjordaniens vorlegte. Jede Siedlung sollte 50 bis 200 Familien aufnehmen.

„Gusch Emunim“ ist eine religiöse Siedlungsbewegung, die seit 1973 mit ihren Demonstrationen nicht nur Neuansiedlungen in den besetzten Gebieten gefordert, sondern Menachem Begin auch zum Wahlsieg vom Mai 1977 verholfen hat. Sie ist nichts anders als der praktische Ausdruck der Ideen von Begins Cheruth-Partei, später dann aüch von Begins Wahlblock Likud. Es war daher verständlich, daß Israels neuer Ministerpräsident die Delegation mit den Worten empfing: „Ich bin bereit, Ihren Plan zu verwirklichen. Ein neues Regime hat begonnen.“

Vor kurzem wurden sechs Gruppen von Siedlern in Lager aufgenommen, die sich nahe den geplanten Ortschaften befinden. Für die Familien errichtete man einige Zelte und Baracken und derzeit überlegt die Regierung, wie man diese Bewohner eines Militärlagers mit zivilen Tätigkeiten beschäftigen könnte. Viele Neuansiedler sehen in ihrer Unterbringung in einem Militärlager nicht nur ein Provisorium, sondern auch einen schmutzigen Kompromiß, den ihre Führung mit der neuen Regierung ausgehandelt habe. Denn ihr Ideal heißt Ansiedlung um jeden Preis.

„An jenem Tage schloß der Herr einen Bund mit Abraham und sprach: Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben, von dem Strom Ägyptens bis an den Strom Euphrat“ (Erstes Buch Moses). Und der Prophet Hese- kiel sagt: „Ihr Berge Israels, ihr sollt wieder grünen und Frucht bringen meinem Volk Israel, denn bald wird es heimkehren. Denn siehe, ich will mich wieder euch zukehren und euch mein Angesicht zuwenden, daß auf euch angebaut und gesät werde. Und ich will viele Menschen auf euch wohnen lassen, das ganze Haus Israels insgesamt, und die Städte sollen wieder bewohnt und die Trümmer aufgebaut werden. Ja, ich lasse Menschen und Vieh auf euch zahlreich werden, sie sollen sich mehren und fruchtbar sein, und ich will euch wieder bewohnt sein lassen wie früher, und ich will euch mehr Gutes tun als je zuvor. Und ihr sollt erfahren, daß ich der Herr bin.“

Dies sind nur einige der vielen Bibelstellen, durch die sich die Anhänger und Mitläufer von „Gusch Emunim“ berechtigt fühlen, in ganz Palästina zu siedeln. Heißt es doch auch in der mündlichen Überlieferung: „Es gibt kein wichtigeres Gebot, als das Land Israel zu besiedeln.“ - Hat nun die Regierung Begin das Recht, die Gebote der Thora außer Kraft zu setzten?

Doch Menachem Begin und sein Kabinett haben heute wichtigeres zu tun, als mit „Gusch Emunim“ zu streiten, denn die Regierung hat die Genfer Friedenskonferenz im Auge, und jede neue Siedlung in Westjordanien ist eine weitere Provokation des US-Prä- sidenten Jimmy Carter und der Sowjetunion. Doch der „Gusch Emunim“ hat keine Geduld. Gottes Gebot steht über den Berechnungen des Menschen. Als Begin noch in der Opposition war, unterstützte er die illegalen Ansiedlungen des „Gusch Emunim“. Damals handelte es sich allerdings nur um drei Ortschaften. Die Anhänger des Likud identifizierten sich damals ganz offen mit den Siedlern und übten so großen Druck auf die Rabin-Regierung aus, daß diese notgedrungen die drei Siedlungen dulden mußte, obwohl anfänglich der Versuch unternommen worden war, die Siedler mit Hilfe des Militärs zu entfernen.

Bei Antritt der Regierung erklärten Begin und sein Intimus, Landwirtschaftsminister Arik Sharon, daß das ganze Land, inklusive aller besetzten Gebiete, zur Ansiedlung offen stehe. Aber nur „Gusch Emunim“ mit seinen

2500 Mitgliedern und Sympathisanten sah darin das Versprechen, daß er sich überall ansiedeln dürfe. Zwölf Siedlungskeme waren sozusagen startbereit Doch in der Zwischenzeit kamen scharfe Reaktionen aus der ganzen Welt. Jimmy Carter verurteilte .nicht nur die Neuansiedlungen, er verwarnte auch die Regierung Begin.

Arik Sharon, der in der Vergangenheit ein begeisterter Anhänger des „Gusch Emunim“ war, erklärte nun: „Neuansiedlungen werden nur nach Regierungsplänen ausgeführt“. Als die „Gusch Emunim“ daraufhin drohten, auf eigene Faust zu siedeln, kam es zu langwierigen Verhandlungen. Nur eine einzige Gruppe siedelte sich bei Jericho an, doch Begin blieb hart. Er ließ den Ort mit Hüfe des Militärs räumen. „Gusch Emunim“ sah sich verraten. Was Rabin, dem früheren Ministerpräsidenten, nicht gelungen war, hatte Begin damit in die Tat umgesetzt.

Die Führer des „Gusch Emunim“ baten ihr geistiges Oberhaupt, den 85jährigen Rabbi Zvi Jehuda Kook, um Rat und dieser sagte: „Alle geistigen und physischen Anstrengungen der Siedler müssen mit Hüfe unserer Regierung, die wir durch die Gnade Gottes erhalten haben, durchgeführt werden.“ Mit anderen Worten: der weise Rabbi verwarf eine Auflehnung gegen Begin. Handelt es sich doch um eine nationale, zum Teü sogar klerikale Regierung, und nicht mehr um eine sozialistische. Bis der entsprechende Regierungsbeschluß gefaßt wird, bleiben die Siedler also in den MUitär- lagern.

Die Siedlungen des „Gusch Emu-

nim“ unterscheiden sich von den Kibbuzim dadurch, daß in ihnen die Privatinitiative besonders betont wird Man will dort Kleinindustrien einrichten, eventuell die Siedlungen als Satellitenstädte aufbauen und anderswo arbeiten. Viele Siedler wollen auch dem Land und der Religion als Studenten einer Talmudhochschule dienen, denn nur mit der Thora hat ihrer Ansicht nach das jüdische Volk eine Existenzberechtigung. Die Bevölkerung soll sich gleichmäßig über das ganze Land verteilen und „Gusch Emunim“ will sich deswegen besonders in den Bergen von Judäa und Samana konzentrieren, um hier als ein Sicherheitsgürtel Israels zu wirken. Nach dem Sechstagekrieg wurde von dem damaligen Arbeitsminister und späterem Außenminister Jigal Allon, der selbst General im Befreiungskrieg von 1948 gewesen war, ein Plan aus gearbeitet, demzufolge israelische An

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Siedlungen längst des Jordantales der Sicherheit Israels dienen sollten. Der „Gusch Emunim“ verlacht diesen Plan als Hirngespinst, denn nach Gottes Gebot muß das ganze verheißene Land besiedelt werden. Nach dem Jom-Kippur-Krieg protestierten die jungen Leute von „Gusch Emvmim“ gegen die „Diplomatie der kleinen Schritte“ des damaligen amerikanischen Außenministers Henry Kissin- ger und gegen die Unterzeichnung des ersten und zweiten Truppenentflechtungsabkommens.

Gegner des „Gusch Emunim“ findet man nicht nur im Lager der Arbeiterpartei und der Links-Gruppierungen, sondern auch im Lager der Religiösen. Anhänger des „Gusch Emunim“ glauben, daß sie mit ihrem glühenden Glauben und ihren Taten die Tage des Messias näherbringen.

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