6830019-1974_33_10.jpg
Digital In Arbeit

Menschen sterben still

19451960198020002020

Der „Wind der Veränderung“, der sie aus Frankreichs Kolonialimperium blies, ließ die Länder Mauretanien, Senegal, Mali, Obervolta, Niger und den Tschad, zum Teil durch Anbau von Erdnüssen oder Baumwolle auf krisenanfällige Monokultur ausgerichtet, kaum reicher werden. Mangelhafte Verkehrsverbindungen — ausgenommen die ozeannahen Ge-, biete — machen die südliche Nachbarschaft der Sahara zu einer Einöde von 2,5 Millionen Quadratkilometern, von nur 25 Millionen Menschen bewohnt, die vor der Dürre etwa 50 Millionen Nutztiere (Rinder, Schafe, Ziegen und Kamele) hielten.

19451960198020002020

Der „Wind der Veränderung“, der sie aus Frankreichs Kolonialimperium blies, ließ die Länder Mauretanien, Senegal, Mali, Obervolta, Niger und den Tschad, zum Teil durch Anbau von Erdnüssen oder Baumwolle auf krisenanfällige Monokultur ausgerichtet, kaum reicher werden. Mangelhafte Verkehrsverbindungen — ausgenommen die ozeannahen Ge-, biete — machen die südliche Nachbarschaft der Sahara zu einer Einöde von 2,5 Millionen Quadratkilometern, von nur 25 Millionen Menschen bewohnt, die vor der Dürre etwa 50 Millionen Nutztiere (Rinder, Schafe, Ziegen und Kamele) hielten.

Werbung
Werbung
Werbung

Zwar zeitlich und räumlich weit entfernt vom Ägypten des biblischen Joseph, gibt es auch in der sogenannten Sahelzone im steten Wechsel nach den „fetten“ die „mageren“ Jahre. Heute noch sind die zerstörenden Wirkungen der großen Dürre von 1771 bis 1775 im Landschaftsbild bemerkbar.. Besondere Dürreperioden in unserem Jahrhundert gab es 1910 bis 1913, 1933 bis 1934 und 1940 bis 1941, diese von wesentlich kürzerer Dauer. Die gegenwärtige Dürreperiode begann 1968 — entwickelte sich zur Naturkatastrophe — und ihr Ende ist nicht abzusehen! Spärliche Regenfälle beenden nicht den Rückgang des Grundwasserspieigels. Mangelnde Oberflächenbewässerung verhindert die Bildung von Grasdecken, die Wüste wächst in einer Welt, in der immer mehr Menschen mehr Nahrung brauchen. Tierherden können nicht mehr getränkt werden, gehen zugrunde, die Nomaden flüchten nach Süden, kommen um oder bilden Slums in den spärlichen Städten. Trinkwasser fehlt, Nahrung fehlt, Saatgut wird aufgegessen. Ein schleichender Tod ist aber nichts Spektakuläres, wie etwa irgendwo ein neuer Krieg. Menschen sterben still in Massen, Millionen Tierkadaver bedecken die zerrissene Erde — und in verfetteten Wohlstandsländern propagiert man Gewichtsreduzierungen, um. länger leben,zu können.

Nachdem im letzten Jahr die Sahara stellenweise um 48 Kilometer nach Süden vorrückte — ein gewaltiger Frontalangriff gegen den sich allmächtig dünkenden Menschen von 1974 — schreibt der britische Meteorologe Doktor Winstanley in „Nature“: „Es hat den Anschein, daß das atmosphärische Zirkulationssystem der nördlichen Hemisphäre südwärts wandert.“ Dies habe zur Folge, daß die Regendriften die Sub-Sahararegion nicht mehr erreichen. Daher hungern Millionen Menschen und Millionen Tiere .ohne Futter müssen verenden. Und niemand vermag mit Sicherheit zu sagen,: warum das so ist und wann es besser wird.

Bleibt nur, nicht wegzusehen, toenn Menschen hungern und sterben, und zu helfen! Die internationale Hilfe durch die UNO und FAO, Rotes Kreuz und Roten Halbmond, die konfessionellen Hilfsorganisationen wie Caritas und Diakonisches Werk und verschiedene Staaten haben es schwer. Die verstreut lebenden Menschen zu versorgen, ist wegen der spärlichen und schlechten Wege, die auch mäßiger Regen sofort verschlammt, technisch schwierig. Es ist grotesk: aber selbst wenn andauernde Feuchtigkeit die Sahelzone in eine blühende Landschaft verwandeln würde, gäbe es wegen des Fehlens von Millionen verendeter Nutz-tftere auf Jahre hinaus keine günstige Veränderung. Zur Zeit hat jeder einzelne Sahelstaat um mindestens 150.000 Tonnen Lebensmittel zu wenig. Alles hier Gesagte bezieht sich auch auf das von der Dürre ausgedörrte Äthiopien. ,

Aus den Spendeneingängen der Augustsammlung des Vorjahrs hat die österreichische Caritas bis Juli 1974 einen Beitrag zur internationalen Hilfe im Werte von 19,816.957 Schilling geleistet (davon für Überschwemmungsopfer in Pakistan 2,487.500 Schilling, für einen Dammbau in Tansanien 100.000 Schilling).

Mauretanien: 40 Prozent des Viehbestandes vernichtet, österreichische Caritashilfe für den Ankauf von Zelten und Medikamenten 600.000 Schilling.

Mali: 5 Millionen Menschen von der Dürre betroffen. Verringerung des Viehbestandes um 95 Prozent, des Fischereiertrages um 75 Prozent, österreichische Caritashilfe für Brunnen- und Wasserbauten, Lebensmittel und landwirtschaftliche Maschinen, 5,614.200 Schilling.

Obervolta: Große Nord-Südfrucht. Von 2,9 Millionen Stück Vieh gingen 2,4 Millionen zugrunde, österreichische Caritashilfe für den Ankauf von Medikamenten, 837.977 Schilling.

Niger: 100.000 Tuaregs aus Mali flüchten ins Land. Über ein Drittel des Viehbestandes vernichtet, österreichische Caritashilfe für Transportmittel und Nahrungsmittel und Nahrungsmittel 3,649.310 Schilling.

Tschad: österreichische Caritas-hilfe für Medikamente, 175.000 S

Senegal: Zwei Drittel des Landes mit 2 Millionen Menschen von der Dürre betroffen. Wasserbohrungen bis in 300 Meter Tiefe, österreichische Caritashilfe für Brunnenbau, Nahrungsmittel und Medikamente, 3,993.750 Schilling.

Äthiopien: Mehr als 100.000 Menschen sind verhungert. Nomadenstämme verlieren 90 Prozent des Viehbestandes. Wirkuhgen auf die politische Situation, österreichische Caritashilfe für Brunnenbau und Nahrungsmittel, 2,359.220 Schilling.

Um mitzuhelfen, ein Millionensterben zu verhindern, wird heuer, in der Woche vom 11. bis 18. August, die Caritasaktion für die Dürreopfer, in Zusammenarbeit mit der Katholischen Männerbewegung wiederholt. Die Bevölkerung wird gebeten, durch Teilnahme an den Kirchensammlungen oder Einzahlungen von Spenden auf Post, Banken oder Sparkassen auf das Caritas-Postscheckkonto 7,700.004, oder das Konto der jeweiligen dipzesanen Caritasstelle, zu helfen (Vermerk: „Dürre“). In allen Postämtern hängen Caritas-(SOS-)Taschen, in denen Caritas-Erlagscheine enthalten sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung