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Menschenwürde achten

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Die Katholische Aktion (KAÖ) diskutiert in den nächsten Wochen ein von ihrem Vizepräsidenten Christoph Mayerhofer erarbeitetes Thesenpapier zur künstlichen Befruchtung. Grundtenor: Die Verfügbarkeit der Entstehung menschlichen Lebens ist begrenzt.

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Die Katholische Aktion (KAÖ) diskutiert in den nächsten Wochen ein von ihrem Vizepräsidenten Christoph Mayerhofer erarbeitetes Thesenpapier zur künstlichen Befruchtung. Grundtenor: Die Verfügbarkeit der Entstehung menschlichen Lebens ist begrenzt.

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Die menschliche Fortpflanzung ist ein Akt unmittelbaren Zusammenwirkens göttlicher und menschlicher Schöpfung. Dieser Akt ist durch das Sakrament der Ehe geheiligt. Die Verfügbarkeit der Entstehung menschlichen Lebens ist hiedurch begrenzt.

Bereits geschaffenes menschliches Leben ist der Verfügbarkeit Gottes vorbehalten und vom Menschen ab dem Verschmelzen von Ei- und Samenzelle bis zum natürlichen Tod in jeden, auch in behinderten Formen als unverfügbar zu achten. .

Künstliche Eingriffe sind nur unter dem Gesichtspunkt einer medizinischen Hilfeleistung zur Uberwindung körperlicher Gebrechen zu rechtfertigen, und auch da setzt die Achtung der Menschenwürde Grenzen.

Die menschliche Fortpflanzung ist vom Schöpfer auf die dauernde Gemeinschaft von Mann und Frau hin angelegt, in der sich das Kind entwickeln kann.

Der Mensch, dem Gott die Wahl über sein Tun geschenkt hat, ist dem Sittengesetz unterworfen. Das staatliche Recht soll sich an sittlichen Forderungen orientieren, aber nur dort regelnd eingreifen, wo es das Zusammenleben in der Gemeinschaft erfordert. Nur sozialschädliches Verhalten soll durch Strafnormen verboten werden.

Das Entstehen menschlichen Lebens ist niemals sozialschädlich, jedenfalls aber die Vernichtung.

Um das Anliegen deutlich zu artikulieren und um nicht in den Verdacht der Unglaubwürdigkeit oder Widersprüchlichkeit zu geraten, werden gesellschaftspolitisch als realistisch durchsetzbare Kompromißvorschläge nicht erstattet.

Die künstliche Fortpflanzung

1. Die künstliche Fortpflanzung mit dem Erbgut von Ehegatten (homologe Insemination und homologe In-vitro-Fertilisation) ist ethisch zu rechtfertigen und gesellschaftspolitisch unproblematisch.

Es sind aber Methoden zu vermeiden, bei denen befruchtete Embryonen getötet oder einem ungewissen Schicksal überlassen werden. Die Achtung zumindest potentiellen menschlichen Lebens in diesem Stadium erfordert auch eine gesellschaftliche Ächtung solcher Methoden durch Verbotsnormen.

Es ist auch die Zuziehung einer gebärenden Frau zu vermeiden, die nicht die Mutter dieses Kindes werden soll (Leihmutter oder Mietmutter), sei es, daß sie mit dem Samen des Ehegatten der unfruchtbaren Frau inseminiert wird, sei es, daß ihr ein von den Ehegatten befruchtetes Ei implantiert wird.

Ethisch kann der zuletzt genannte Fall nur zur Rettung bereits entstandenen menschlichen Lebens gerechtfertigt werden. Gesellschaftspolitisch ist diese

Leihmutterscnatt mit der zuletzt genannten Ausnahme grundsätzlich zu verbieten.

Es soll aber nicht die Leih- beziehungsweise Mietmutter bestraft werden, sondern dem Arzt soll eine solche Vorgangsweise verboten sein, und eine Strafbestimmung soll sich gegen die entgeltliche Verwertung lebender, befruchteter Eizellen und gegen eine Vermietungs- und Werbetätigkeit für Mietmütter richten.

Zivilrechtlich soll in der geltenden Rechtslage festgehalten werden,

• daß im Familienrecht Mutter die Frau ist, die ein Kind gebiert;

• daß Entgelte für die Leihmutterschaft nicht einklagbar sind.

2. Die künstliche Fortpflanzung mit dem Erbgut, das nicht den Ehegatten gehört (heterogene Fortpflanzung), ist ethisch abzulehnen. Gesellschaftspolitisch ist zum Wohl des Kindes zu fordern, daß Vater und Mutter rechtlich von Anfang an festgelegt sind.

Der Arzt soll eine künstliche Fortpflanzung mit fremdem Erbgut rechtlich nur vornehmen dürfen, wenn die Zustimmung beider

Ehegatten vorliegt. Eine solche Zustimmung soll die im geltenden Recht befristete, aber unverzichtbare Bestreitungsmöglichkeit der Vaterschaft verwirken.

Mutter bleibt die Frau, die das Kind gebiert.

Gesellschaftspolitisch besteht auch ein Interesse daran, daß nur gesunde Samenspender ausgewählt werden, und der Arzt die dabei gewonnenen Informationen für spätere medizinische Anfragen dokumentiert.

Zur Vermeidung späterer Inzeste sollte die Zahl der Samenspenden beschränkt sein und in das Geburtenbuch ein Hinweis auf den Arzt aufgenommen werden.

Zum psychischen Schutz des Kindes sollte ein Recht auf Mitteilung der genetischen Eltern -wenn überhaupt, so erst nach Erreichung der Volljährigkeit — bestehen.

3. Die künstliche Fortpflanzung von Personen, die nicht kirchlich verheiratet sind, ist ethisch abzulehnen, in welcher Form sie immer auch geschehen mag.

Gesellschartspolitisch ist auch nier die Elternschaft zu sichern. Der Arzt darf an der Fortpflanzung nur mitwirken, wenn eine Zustimmungserklärung eines Mannes vorliegt, der damit die Vaterschaft rechtswirksam anerkennt.

4. Die künstliche Fortpflanzung einer alleinstehenden Frau mit dem Samen eines unbekannten Spenders ist ethisch abzulehnen. Die Fortpflanzung ist darauf angelegt, daß ein Kind in die Ge-

meinschaft von Mann und Frau hineingeboren wird. Ein Recht auf Fortpflanzung außerhalb einer solchen Gemeinschaft besteht weder ethisch noch ist es zwingend aus bestehenden Grundrechten abzuleiten.

Zum Wohl des Kindes ist gesellschaftspolitisch zu fordern, daß Ärzte die Mitwirkung an einer Fortpflanzung verweigern, wenn kein Mann die erwartete Vaterschaft anerkennt.

Die pränatale Diagnostik

1. Die Anwendung solcher Methoden ist ein wesentliches Hilfsmittel, zu erwartendes Leid zu beseitigen und zu mindern. Eine Entscheidung zur Tötung befruchteter Embryonen ist aber ethisch verwerflich und gesellschaftlich zu verbieten.

2. Die Anwendung derartiger Methoden erfordert stets eine begleitende Beratung und Unterstützung.

Gentechnik

1. Genetische Diagnostik soll nicht für außermedizinische Entscheidungen Verwendung finden. Aus Gründen des Persönlichkeitsrechtes sind legislative Maßnahmen für den genetischen Datenschutz erforderlich.

2. Gen-Therapie ist unter den ethischen Gesichtspunkten ärztlicher Heilbehandlung zu beurteilen. Die Methode muß dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen und die Risikoabwägung zwischen Erkrankungsverlauf und erforderlicher Heilungsaussicht muß zugunsten des Eingriffes sprechen.

Gesellschaftspolitisch erforderlich sind die Einrichtung entsprechender Ethik-Kommissionen und das strafgesetzliche Verbot der Gen-Therapie über die Keimbahn.

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