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Menschlich leben können

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„Die nächsten Wochen werden entscheidend sein”: Entscheidend dafür, ob sich sechs Wiener Familien den Traum von einem „neuen Wohnen” erfüllen können.

„Neu” soll das Wohnen in mehrfacher Hinsicht sein: In biologisch ausgerichteten Häusern, die von Anfang an von den künftigen Bewohnern entscheidend mitgeplant worden sind. Und mit einer Zielrichtung, die heute beinahe schon in Vergessenheit geraten ist — nämlich „miteinander und füreinander”.

Letzteres hat nichts mit Sektie-rerei zu tun. Mehr schon mit der Erkenntnis, daß „wir auf der Basis des Christentums auf unsere Mitmenschen eingehen, auf sie zugehen wollen”: Josef Wagner, Initiator des Wohnprojekts, von dem hier die Rede ist.

Ein Wohnprojekt in Neu-Pur-kersdorf, knapp vierzig öffentliche Verkehrsminuten vom Zentrum Wiens entfernt, das aus dem Wunsch entstanden ist, „menschlich leben zu können”. Die Wagners, eine Familie mit vier Kindern, wohnt heute im Osten Wiens, und atmet - je nach Windrichtung — die Dämpfe der ÖMV oder der Entsorgungsbetriebe Simmering ein. Kontakte mit den Nachbarn waren im riesigen Wohnkomplex mit seinen zwanzig Stiegen „nur in Ausnahmefällen” möglich. Und Wald und Wiese für die Kinder nur schwer erreichbar.

Vor ein paar Jahren schon kam dann der Beschluß: „Wir wollen uns verändern.” Familien mit ähnlichen Interessen wurden gesucht, ein Grundstück günstig gekauft, Pläne gezeichnet, verworfen, neu entwickelt.

„Unsere Wohnungen sind mit der Gruppe mitgewachsen - und umgekehrt”, sagt Josef Wagner heute. Heute-das heißt: Die Einreichpläne für die Baubewilligung sind fertig, zahlreiche Kontakte mit der Niederösterreichischen Landesregierung geknüpft, nächtelange Diskussionen über Baumaterialien, Anordnung der

Gemeinschaftsanlagen und die gemeinsamen Zukunftsvorstellungen gut überstanden.

Auch Rückschläge: Weil plötzlich drei Familien wieder „ausgestiegen” sind, weil die Gruppe auf neue Auflagen draufgekommen ist, die für die Zuerkennung einer Förderung durch das Land notwendig sind.

Genau das aber, sagen alle, sei ein „gutes Omen”: Weil man einander kennengelernt, anzunehmen gelernt habe; weil Konflikte und verschiedenartige Wünsche sachlich und fair ausdiskutiert werden können.

„Wenn's mit der Förderung klappt, wird's auch mit uns klappen. Hoffentlich.”

Das Wohnbauförderungsgesetz ist Grundlage für die Möglichkeiten des Landes Niederösterreich, vor allem Mehrfamilienprojekte großzügig zu fördern.

Was in den letzten Jahren auch schon mehrmals getan worden ist: In der Nähe von Herzogenburg beispielsweise entsteht ein ähnliches Projekt, in Purkersdorf und in der Sulz im Wienerwald sind ähnliche „alternative Wohnformen” bereits Wirklichkeit.

Bei allen Projekten haben die späteren Bewohner sich selbst sehr aktiv und bewußt um das Aussehen ihres Lebensraumes bemüht; haben nach den persönlich idealen Raumanordnungen gesucht, haben zum Teil selbst mit Hand angelegt beim Innenausbau — und sich vor allem auch um eine organische Einbindung in die Umgebung bemüht.

Vom Baulichen wie vom Menschlichen: Die Neu-Purkers-dorfer Gruppe — sie tritt nach außen als Verein „Gemeinsam Bauen und Wohnen” auf — beispielsweise hat in einer Broschüre über ihre Zielsetzungen festgehalten, daß einerseits mit Grund und Boden sparsam und verantwortungsbewußt umgegangen werden soll, andererseits aber der Begriff „Um-Welt” nicht nur auf möglichst natürliche Baustoffe und energiesparende Materialien (wie etwa auch die geplanten Glashäuser zur passiven Sonnenenergienutzung) beschränkt bleiben soll.

Konkret: „Wir wollen kein scheinbar elitäres Wohnzentrum; der Kontakt zum Nächbarn ist vielmehr ein wichtiges Anliegen in unseren Bemühungen.”

Voraussetzung, wie schon angedeutet: Die Zuerkennung von Förderungsmitteln, denn: „Keiner von uns hat die Möglichkeiten, dieses Vorhaben frei zu finanzieren.” Erste Gespräche mit den „sehr aufgeschlossenen Beamten und Politikern des Landes” jedenfalls seien positiv verlaufen. „Jetzt aber können wir nur warten und hoffen.”

Nachsatz: „Vielleicht gelingt es, ein Modell für neues Wohnen in die Tat umzusetzen.”

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