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Mentalität wie die Schwarzfahrer . .. ?

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Marktwirtschaft oder ,,von oben” verordneter Umweltschutz? Eine Frage, die bei den diesjährigen Klagenfurter Ökologie-Gesprächen heftigst diskutiert wurde.

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Marktwirtschaft oder ,,von oben” verordneter Umweltschutz? Eine Frage, die bei den diesjährigen Klagenfurter Ökologie-Gesprächen heftigst diskutiert wurde.

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Das Umweltproblem wurde als solches innerhalb und außerhalb der (Wirtschafts-)wissenschaft spätestens im Laufe der sechziger Jahre erkannt und auf seine Auswirkungen hin untersucht. Die Umweltschäden sind daher längst schon als „externe Kosten” bekannt.

Heute ist sozusagen jedermann von der Notwendigkeit des Um-denkens überzeugt. Die Ansichten, wie umzudenken sei, gehen diametral auseinander. Anzuf angen ist mit der Frage, welche Zukunft erwünscht ist. Dann geht es um das Wie und mit welchen Maßnahmen eine angestrebte Zukunft sich realisieren läßt.

Als eine Alternative bietet sich Ökologismus an. Hier gruppiert sich in den westlichen Industrieländern das Protestpotential, das bunt gefärbt ist. Es reicht von den Nostalgikern und Konservativen über die „Grünen” und „Roten” bis hin zu den „Chaoten”. Aber noch so berechtigte Forderungen nützen wenig, wenn man ihnen nicht zum Durchbruch verhelfen kann.

Bis jetzt haben die westlichen Industrieländer am meisten getan. Sie haben auch die Umwelttechnik entwickelt. Es geht nicht darum, ihre Leistungen besser erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Doch es gibt Bereiche, in denen die Umweltqualität besser ist als vor Jahrzehnten, wie beispielsweise bei den Gewässern.

Ist von westlichen Industrieländern die Rede, so darf man nicht übersehen, daß es sich um Volkswirtschaften handelt, die nicht unbedingt mit der Marktwirtschaft ident sind. Zugleich muß vor dem fundamentalen Irrtum gewarnt werden, die Markt- mit der Privatwirtschaft gleichzusetzen. Für nicht wenige bedeutet Marktwirtschaft wirtschaftliche Narrenfreiheit.

Was bedeutet die Marktwirtschaft für den Umweltschutz?

• Ohne Wettbewerb gibt es keine Marktwirtschaft. Je besser dieser funktioniert, desto innovativer ist die Wirtschaft. Daraus kann der Umweltschutz nur Nutzen ziehen. Es versteht sich von selbst, daß Mißbräuche bekämpft werden müssen. Auf gesetzliche Normen darf somit nicht verzichtet werden.

• Zur Marktwirtschaft gehört auch die freie Preisbildung. Sie gewährleistet bei ausreichendem Wettbewerb eine gerechte Entlohnung und veranlaßt, sich am Wettbewerb zu beteiligen und zu innovieren.

Wichtig ist dabei: Die Marktpreise spiegeln die Knappheitsverhältnisse wieder. Sind Umweltgüter knapp und die Preise entsprechend hoch, so gibt es folgende Anreize: Der Input von Rohstoffen und Energie wird sparsamer gestaltet. In dem Maße, wie die Preise steigen, wird nach Ersatzgütern Ausschau gehalten und knapper werdende Güter substituiert. Noch so starke Preissteigerungen sind in Kauf zu nehmen, weil sie entsprechende Gegenbewegungen auslösen. Es kommen Alternativen zustande. # • Wer Umweltschäden verursacht, muß für die Kosten der Beseitigung und der Entschädigung aufkommen. Nur wer für sein wirtschaftliches Handeln geradestehen muß, wird sorgfältiger mit der Umwelt umgehen. Für den Umweltschutz dürfen aber weder Steuern noch Subventionen eingesetzt werden. Seine Finanzierung hat ausschließlich mit zweckgebundenen Abgaben zu erfolgen. Weder die Überwälzung auf die Konsumenten noch ihre Anlastung bei der Wirtschaft sind ein Argument gegen den Umweltschutz.

Die dabei auch berechtigten Eingriffe des Staates sind bürokratischer Natur, sie haben Zwangscharakter. Es geht nicht darum, einfach zu intervenieren, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, es geschehe etwas für den Umweltschutz.

Eine alte Erfahrung darf dabei nicht fehlen. Je mehr mit Gesetzen und Verordnungen geregelt wird, desto größer wird die Gefahr, daß der Bürger sie umgeht. Es ist eine Illusion, zu glauben, man müsse nur genügend Vorschriften erlassen. Sie mögen noch so berechtigt sein, ab einer gewissen Schwelle läßt ihre Wirksamkeit nach, die angestrebten Ziele werden verfehlt.

Bürger umgehen Gesetze

Warum kommt es aber nicht zu jener Umweltpolitik, die aus marktwirtschaftlicher Sicht erforderlich wäre? Hier die wichtigsten Gründe:

• Die Wirtschaft argumentiert mit den Kosten: Sie seien untragbar und beeinträchtigen die internationale Konkurrenzfähigkeit. Die Kosten werden aber überschätzt und schrecken ab!

Die Wettbewerbsfähigkeit ist in dem Maß tangiert, als es zwischen Konkurrenten unterschiedliche Belastungen zugunsten des Umweltschutzes gibt. Wer hier vorprellt, hat zwar einen Nachteil, ziehen aber andere nach, so kommt es zum Ausgleich.

Dringend ist eine weltweite Harmonisierung der Umweltpolitik, sie wird aber wegen der „Schwarzfahrermentalität” nicht Zustandekommen. So bleibt nichts anderes übrig, als auf nationaler Ebene den marktwirtschaftlichen Umweltschutz zu verwirklichen. Daß dies mit Kosten verbunden ist, kann nicht als Argument gegen den Umweltschutz akzeptiert werden.

• Das Verursacherprinzip wird meist bejaht, aber wegen seiner Wirkung auf die Einkommensverteilung abgelehnt. In dem Maße wie die Kosten über den Markt auf die Verbraucher überwälzt werden können, kommt es zu einer regressiven Lastverteilung. Diese wird als sozial untragbar angesehen.

So wie aber der Umweltschutz von den Alternativen vorgetragen wird, kann er nur Ablehnung und Angst bei jenen erwecken, die gegen unnötigen Zwang, bürokratische Orgien und Planwirtschaft sind. Auch das wirkt sich auf den Umweltschutz kontraproduktiv aus. Dies ist besonders der Fall, wenn die Ökologie sich mit einer radikalen Systemveränderung verbindet. Wer für individuelle Freiheiten, Marktwirtschaft und Wohlstand ist, der kann dafür nichts übrig haben.

Die besten Voraussetzungen für den Umweltschutz bietet der liberale Rechtsstaat. Hier steht es jedem frei, sich im Rahmen von Verfassung, Gesetzen und Verordnungen für seine individuellen oder gruppenmäßigen Ziele einzusetzen. Ihm eröffnet sich die Chance, nach demokratisch legitimierten Entscheidungsregeln eine Veränderung anzustreben. Zu dieser Art von Demokratie gehört die Marktwirtschaft.

Der Autor ist Professor für öffentliche Finanzen an der Universität Freiburg und Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung. Neben Lehr- und Sachbüchern publiziert er regelmäßig in der Neuen Züricher Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen sowie in den Schweizerischen Monatsheften.

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