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MESSBAR MACHEN, WAS UNMESSBAR IST

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Man müsse nur die Umweltkosten erfassen und für die Betriebswirtschaft rechenbar machen. Dann würden die Unternehmen sich im eigenen Interesse ökologisch richtig verhalten. So wird oft argumentiert. Dieser Ansatz hat einiges für sich, ist aber begrenzt und nur schwer zu verwirklichen.

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Man müsse nur die Umweltkosten erfassen und für die Betriebswirtschaft rechenbar machen. Dann würden die Unternehmen sich im eigenen Interesse ökologisch richtig verhalten. So wird oft argumentiert. Dieser Ansatz hat einiges für sich, ist aber begrenzt und nur schwer zu verwirklichen.

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FURCHE: Wie kommt es, daß ökologische Folgen des Wirtschaftens so lange unberücksichtigt blieben?

WERNER PEVETZ: Wirtschaftliches Tun ist immer zielgerichtetes Handeln. Wirtschaftlich ist es, ein bestimmtes Ziel anzupeilen und mit geringstem Aufwand den größten spezifischen Nutzen zu erreichen. Was rundherum passiert, wird weitgehend aus der Betrachtung ausgeklammert. Im Umfeld der wirtschaftlichen Tätigkeit treten aber Nebenwirkungen, externe Effekte auf, die weitgehend vernachlässigt werden.

FURCHE: Wo liegen die Wurzeln dieser einseitigenBetrachtungsweise?

PEVETZ: Die ersten Nationalökonomen waren Kaufleute. Und daher ist das kaufmännische Denken Pate bei der Entwicklung gestanden. Einkaufs- und Verkaufspreise, sowie Gewinne standen im Vordergrund der Überlegungen. Dieses rechenhafte Denken hat sich auf den gesamten Bereich des Wirtschaftens ausgeweitet. Zweifellos hat erst dieses Denken das rationelle Wirtschaften und die moderne Industrie ermöglicht. Die Wirtschaftstheorie hat aber stets nur Geld- und Warenströme gesehen. Heute aber stehen wir vor dem Problem, die externen Effekte in diese Betrachtung einzugliedern. Bei diesen haben wir es mit einer enormenen Vielfalt zu tun: mit sozialem Leid, mit Krankheit, Tod, Unfällen, Zerstörung der Umwelt, aber auch mit der Verschlechterung ideellerGüter... All das schlägt sich irgendwie in menschlichem Leid nieder. Hier stoßen wir an eine Grenze der Quantifizierbarkeit im wirtschaftlichen Umfeld.

FURCHE: Jetzt versucht man, diese Kosten rechenbar zu machen. Ist das Mittel dazu die Besteuerung?

PEVETZ: Steuern sind ein Mittel, um die Kostenwahrheit durchzusetzen. Denn es gibt bestimmte Güter, die - anders als handelbare Waren und Dienstleistungen - preislos sind: z. B. die Infrastruktur, die Luft, das Gut Sicherheit oder das Gut, daß Wälder in Gebirgstälern dafür sorgen, daß keine Muren abgehen... All das kann man nicht so in Rechnung stellen wie etwa einen Kubikmeter Frachtraum.

FURCHE: Was kann man also tun ?

PEVETZ: Man kann manches in naturalen Werten messen. Etwa: Eine Million Pkw-Kilometer verursachen statistisch gesehen eine bestimmte Menge von Stickoxiden. Und diese wiederum produzieren eine Erhöhung der Absterberate bei Bäumen. Das ist zunächst eine naturwissenschaftlichtechnische Aussage. Bei all den Versuchen, Umweltfolgen zu quantifizieren, ist diese Art von Information die Basis. Man braucht zunächst eine sehr umfangreiche naturwissenschaftliche oder ökologische Abklärung. Erst wenn man diese hat, folgt der zweite Schritt, die monetäre Quantifizierung. Beim Waldsterben erfaßt man etwa die Emteeinbußen durch das Absterben der Bäume, notwendige Verbauungen, um Murenabgänge zu verhindern, Kosten der Schutzwaldsanierung... Hier gibt es eindrucksvolle Berechnungen (siehe Seite 15).

Klarerweise kann man nicht alles erfassen, sondern man muß von Einzelbeobachtungen auf das Ganze schließen. Schließlich kann man ja nicht auf das Absterben des Waldes im alpinen Bereich warten, um die dann entstandenen Kosten zu erfassen. Man muß sich also mit Simulationsmodellen behelfen. Ohne Computer könnte man in diesem Bereich eigentlich kaum etwas machen. Und diese Hochrechnungen ergeben dann die Abschätzung möglicher Kosten.

FURCHE: In solchen Berechnungen stecken aber doch recht viele -nicht unbedingt bewiesene und auch nicht beweisbare - Annahmen.

PEVETZ: Die monetäre Quantifizierung scheint manchmal schon an den Haaren herbeigezogen. Man muß sich unbedingt hüten zu glauben, alles sei quantifizierbar. Das wäre falsch.

FURCHE: Also ist diese Vorgangsweise eigentlich ein Notbehelf?

PEVETZ: Wir stehen nun mal vor der Notwendigkeit, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu erweitem oder zu ergänzen. Und dabei geht es letzten Endes um den Vergleich von Schilling mit Schilling. Das liegt im System. Man kann monetäre Werte nicht gegen den Faktor ästhetische Verarmung der Landschaft oder Verminderung der menschlichen Lebensqualität unmittelbar aufrechnen. Man muß also all das, so gut es eben geht, in Geldwerte umrechnen. Diesen Ansatz kann man kritisieren. Mir erscheint er legitim, wenn man sich über seine Grenzen im klaren ist.

FURCHE: Ist nicht schon der erste Schritt, die Erforschung der Zusammenhänge problematisch? Diese erkennt man doch erst aufgrund gezielter Forschung. Wenn es also um die Erfassung von Schädigungen geht, erst dann wenn der Schaden schon geschehen ist, also zu spät.

PEVETZ: Es ist zweifellos richtig was Sie sagen. Bevor ein bestimmter Schaden nicht irgendwo sichtbar geworden ist, weiß man ja nicht, daß es ihn gibt, bzw. man kann sein Ausmaß nicht ermitteln. Wir haben aber immerhin das Instrument der Simulation. Es hat den großen Vorteil, daß man von einzelnen Ereignissen hochrechnen kann. Die Sicherheit dieser Ergebnisse leidet natürlich. An einer Verbesserung wird aber sehr intensiv gearbeitet.

FURCHE: Wie funktionieren solche Hochrechnungen?

PEVETZ: Der Verkehr ist ein gutes Beispiel. Man entwirft Szenarien. Man überlegt sich etwa die Folgen der bisherigen Trends, also einer Zunahme der Zahl der Autos, die aber sauberer werden, und man geht davon aus, daß

sich das Klima nicht verändert. Dann schätzt man ab, welche Folgen diese Konstellation haben könnte. Das wäre ein mittleres Szenario. Man könnte auch von anderen Annahmen ausgehen. Etwa: die Emission bleibt gleich, aber die klimatischen Verhältnisse verändern sich (Treibhauseffekt, trok-kenere Sommer, stärkere Niederschläge). Man variiert also einzelne Variable, füttert damit den Computer und schaut, was passiert.Vermutlich passiert im letzteren Fall schlimmeres. Bei Simulationen versucht man die Faktoren, die beeinflußt werden können, unterschiedlich zu dosieren und die Folgen dieser Dosierung abzuschätzen. Man versucht herauszufinden, wo Gefahr im Verzug ist und wo Ansatzpunkte zur Verringerung der externen Effekte und somit Handlungsmöglichkeiten zu finden sind.

FURCHE: Bleiben aber bei unserer geringen Kenntnis der Umweltzu-sammenhänge solche Modelle nicht immer sehr grobe Vereinfachungen?

PEVETZ: Ja. Man kommt bei vielen Sachen erst allmählich drauf, wie kompliziert alles ist. Sicher ist es eine Schwäche dieser Quantifizierung, daß man modellhaft vereinfachen muß. Der Arzt mißt ja auch nicht fortwährend alle Körperfunktionen, sondern begnügt sich mit bestimmten wichtigen Merkmalen.

FURCHE: Gibt es solche Modellrechnungen in Österreich?

PEVETZ: Wir haben in einer Studie versucht, positive und negative externe Effekte der Landwirtschaft für Österreich quantitativ zu bewerten. Ein positiver Effekt ist zweifellos die Landschaftspflege im Berggebiet. Diese Leistung stellt eine Grundlage für den Fremdenverkehr dar.

FURCHE: Wie kann man diesen Effekt erfassen?

PEVETZ: Wir haben folgende Überlegung angestellt: Wenn man voraussetzt, daß der Landschaftszustand erhalten bleiben soll, was kostet das den Bauern? Welcher Aufwand ist damit verbunden und welchen Ertrag liefert die herkömmliche produktive agrarische Haupttätigkeit? Die Differenz sind dann die positiven externen Effekte. Nach der von uns gewählten Bewertung liegen sie je nach Schätzverfahren zwischen zwölf und 15 Milliarden Schilling.

FURCHE: Und wie sieht es mit den negativen externen Effekten aus?

PEVETZ: Negative externe Effekte stellen die nachteiligen Wirkungen intensiver Bewirtschaftung dar. Am schwersten wiegt die Nitratbelastung. Da muß etwas geschehen, auch wenn wir glauben, daß die Landwirtschaft nicht an der gesamten Nitratbelastung schuld sein kann.

FURCHE: Wie groß sind da die Werte der Schädigung?

PEVETZ: Nach unseren Berechnungen beläuft sich der Wert zwischen 500 und 600 Millionen Schilling. Die negativen Effekte liegen also deutlich unter den positiven. Aber man sollte das nicht gegenseitig aufrechnen. Denn die Effekte fallen ja in unterschiedlichen Gegenden an.

Mit Dipl. Ing. Werner Pevetz von der Bundesanstalt f. Agrarwirtschaft sprach C. Gaspari

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