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Militärseelsorger und ihr Auftrag zur Hilfe

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Was tun die Militärseelsorger für die Christen, die Wehrdienst leisten? Sie wollen Hilfen anbieten. Das geschieht zunächst im Lebenskundeunterricht. Bei der ersten Begegnung mit dem Grundwehrdiener spricht der Militärpfarrer über die neue Situation des jungen Staatsbürgers und Christen. Seine Militärzeit soll eine Zeit der Bewährung sein: als Österreicher, als Mann, als Kamerad und als Christ, der gerade hier sein Christsein unter Beweis stellen soll.

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Was tun die Militärseelsorger für die Christen, die Wehrdienst leisten? Sie wollen Hilfen anbieten. Das geschieht zunächst im Lebenskundeunterricht. Bei der ersten Begegnung mit dem Grundwehrdiener spricht der Militärpfarrer über die neue Situation des jungen Staatsbürgers und Christen. Seine Militärzeit soll eine Zeit der Bewährung sein: als Österreicher, als Mann, als Kamerad und als Christ, der gerade hier sein Christsein unter Beweis stellen soll.

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Eine Abmeldung nach dem ersten Unterricht wird hie und da vorgenommen. Die meisten aber -manchmal auch Nichtkatholiken -bleiben auch bei den nächsten Themen. Viele von ihnen haben schon lange nicht mehr mit einem Priester gesprochen oder ihm zugehört.

Der Soldat begegnet dem Priester in Uniform. Im selben Kleid, das er trägt, ob er nun einberufen wurde oder ob er sich zu diesem Beruf als Unteroffizier und Offizier entschlossen hat. Die Uniform für dieses Land zu tragen, das sich als neutraler Staat deklariert und niemand anzugreifen verpflichtet hat, nur die Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Freiheit verteidigen und mit seinen Soldaten Land und Volk, soweit es möglich ist, schützen möchte, ist keine Schande.

Darum darf auch der Militärseelsorger dieses Dienstkleid tragen, der damit die Verbundenheit mit seinen Männern zum Ausdruck bringt. Jedenfalls trägt der Militärpfarrer auf seiner Uniform das Kreuz und ist klar als Priester jederzeit erkennbar.

Wenn jemand glaubt, daß der Seelsorger seinen „Offiziersrock" braucht, um damit Autorität zu haben, so möge er einmal an einem Unterricht teilnehmen und beobachten, wie die Grundwehrdiener sich zu reden getrauen und welche Fragen sie unverblümt und ungeniert an den Militärpfarrer stellen Fragen, die in dieser Art an einen Mitbruder im zivilen Seelsorgedienst wohl kaum in solcher Offenheit von 18- bis 20jährigen herangetragen werden. Daß er eher da und dort als Priester abgelehnt wird, als daß die Uniform nach dem ersten Kennenlernen stört, kommt durchaus vor.

Auf jeden Fall ist der Militärpfarrer - er läßt sich auch so ansprechen -kein Vorgesetzter der Soldaten, sondern höchstens ein „Höherer" dem Alter nach, was auch im Dienstgrad zum Ausdruck kommt, über dessen Notwendigkeit man durchaus verschiedener Meinung sein kann. Er kann aber oft damit gerade für den Grundwehrdiener mehr erreichen und durchsetzen, als man nach au-ßenhin sieht.

Zum zweiten Thema überden „Sinn des Lebens": Oft wird in kleinen Gruppen das Thema durchbesprochen. Von den Gruppensprechern werden dann die Meinungen vorgetragen, auf der Tafel festgehalten und gemeinsam durchbesprochen. Man kann leider öfter die Antwort von der Sinnlosigkeit des Lebens bekommen als religiöse Aussagen dazu.

Wie oft heute gerade die Sinnfrage unseres Daseins gestellt wird, wissen wir alle, und hier können viele Denkanstöße gegeben werden. Auch die Privatgespräche nachher zeigen, wie sehr diese Fragen unter die Haut gehen und Lösungen gesucht werden.

Das dritte Thema trifft wohl den Soldaten in seiner jetzigen Situation am meisten: „Wert und Heiligkeit des Lebens". Daß zum fünften Gebot auch die Erhaltung der Gesundheit (seelische und körperliche) gehört und auch zum Alkohol- und Drogenmißbrauch Stellung genommen wird, ist klar.

Daß jeder Mensch, in welchem Alter auch immer, ein Lebensrecht hat und darum auch sein Leben verteidigen darf - ob er es tut, ist eine andere Sache -, ist nach wie vor christliche Lehre. Das Notwehrrecht gilt nicht nur für den einzelnen, sondern etwa auch für einen Familienvater, der seine Familie gegen einen Verbrecher schützen muß. Hier verpflichtet ihn die Liebe, Gewalt anzuwenden gegen einen Angreifer, weil er für die Seinen verantwortlich ist.

Keiner wünscht sich so eine Situation, aber sie ist möglich. Dasselbe gilt nun auch analog für eine Volksgemeinschaft, sagt das Zweite Vatikanische Konzil. Es verurteilt klar die Unmenschlichkeit des Krieges, muß aber bedauernd feststellen: „Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des Krieges, und sie wird ihnen drohen bis zur Ankunft Christi. Solange die Gefahr von Krieg besteht und solange es keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist, kann man, wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind, einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen."

Die Soldaten werden darüber unterrichtet, daß sie nur im Verteidigungsfall sittlich gerechtfertigte Kampfhandlungen setzen dürfen, wobei sie aber z. B. Zivilpersonen, Verwundete, Gefangene, Sanitäter nicht bekämpfen dürfen. Das alles wird mit den Soldaten besprochen und in seiner umfangreichen Problematik durchdacht

Selbstverständlich wird dann auch über Befehl und Befehlsverweigerung, über Gehorsam und unrechtmäßige Befehle und persönliche Verantwortung aus Vernunft und Gewissen gesprochen. Daß jeder Soldat, welche Dienststellung er hat, nach seiner Einsicht seinem Gewissen und letztlich Gott verantwortlich ist, wird dargelegt. Das Bibelwort gut: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. Der Militärpfarrer drückt sich da nicht um diese Aussagen. Auch über Stauffenberg, Jäger-stätter, Mayer-Nusser wird gesprochen. Zu diesem Themenkreis gehört schließlich eine Diskussion über die Todesstrafe, Selbstmord, Lebensrettung und Abtreibung.

Christliche Ethik umfaßt aber nicht nur Fragen der Gewalt und Gewaltlosigkeit, wie das manchmal als nahezu einzige Forderung hingestellt wird, sondern den ganzen Menschen in seinen Lebensbereichen. Auch hier hat der Seelsorger noch Chancen, den jungen Menschen vor allem Lebenshilfen anzubieten: in der Vorbereitung auf die Ehe, zu Ehe-und Familienfragen, zur Gewissensbildung in allen Bereichen.

Seliggepriesen werden sicher die Friedfertigen. Dazu beizutragen, und zwar für den ganzen Menschen, für den inneren Frieden als Voraussetzung für den äußeren, und den Frieden in der Gemeinschaft, der Familie, des Staates und der Völkergemeinschaft sieht die österreichische Militärseelsorge als ihre Aufgabe und wird sie weiterhin auch in der Gesamtschau christlicher Lebensführung wahrnehmen.

Militärdekan Josef Gaupmann ist Militärpfarrer beim Armeekommando Wien. Die Serie wird nächste Woche abgeschlossen.

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