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Milliardenschwere Staatsbesuche

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Die Reise des österreichischen Bundeskanzlers Franz Vranitzky an der Spitze einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation nach China soll das Tor zu einem riesigen, boomenden Wirtschaftsraum mit 1,2 Milliarden Menschen öffnen, heißt es. Beide Länder unterzeichneten zum Abschluß auch ein Abkommen über die Gewährung eines neuen österreichischen soft loans - eines besonders günstigen Exportkredites - in der Höhe von einer Milliarde Schilling. Sind soft loans wirklich Eisbrecher für Folgegeschäfte?

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Die Reise des österreichischen Bundeskanzlers Franz Vranitzky an der Spitze einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation nach China soll das Tor zu einem riesigen, boomenden Wirtschaftsraum mit 1,2 Milliarden Menschen öffnen, heißt es. Beide Länder unterzeichneten zum Abschluß auch ein Abkommen über die Gewährung eines neuen österreichischen soft loans - eines besonders günstigen Exportkredites - in der Höhe von einer Milliarde Schilling. Sind soft loans wirklich Eisbrecher für Folgegeschäfte?

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Der chinesische Markt lockt. Ein Reich von 1, 2 Milliarden Menschen, mit einem beachtlichen Wirtschaftswachstum (im vorigen Jahr zwölf Prozent) und mit stark steigendem Außenhandel, bietet sich westlichen Industriestaaten als Wirtschaftspartner an. Die Nachfrage ist vor allem nach Investitionsgütern groß, denn die Infrastruktur weist noch erhebliche Mängel auf, und die Produktivität läßt oft zu wünschen übrig.

Bundeskanzler Vranitzky folgte mit seiner Chinareise dem Beispiel von Bruno Kreisky, der Anfang 1980, ebenfalls in Begleitung hochrangiger Vertreter der Wirtschaft, nach Indien und Singapur gereist war und auch in Saudi-Arabien den Weg für größere Projekte ebnen konnte. Ein Jahr später kehrte er aus Ägypten zurück, wo er und seine Begleiter gleichfalls interessante Aufträge vereinbart hatten - von Traktoren und Telefonsystemen über Baustoff- und Phosphatfabriken bis zum Export von Eisenbahnmaterial und Braunvieh.

Kreisky hatte wegen seiner eigenwilligen Einstellung zum Israel- und Nahostproblem -mit Arafat war er befreundet - zweifellos bei den Arabern einen Stein im Brett.

Vranitzky konnte jetzt immerhin in China auf einem Fundament aufbauen, das schon in den frühen siebziger Jahren von Rudolf Sallinger gelegt worden ist und ein reges wirtschaftliches Engagement etlicher österreichischer Unternehmen möglich machte. So hat die Maschinenfabrik Voith in Shanghai eine Gemeinschaftsfirma (Joint-venture) gegründet, deren erfolgreiche Produktion jetzt zum Auftrag für eine Papiermaschine im Wert von mehr als 400 Millionen Schilling führte. Die Finanzierung erfolgt über einen Weltbankkredit. Dieser Vertrag war schon unterschriftsreif, erhielt aber durch die Unterzeichnung beim Besuch des Bundeskanzlers doch besonderes Gewicht. In anderen Fällen können, wie man etwa bei Elin betont, durch die Gespräche auf so hoher Ebene Türen zu einflußreichen Stellen geöffnet werden, die sonst trotz emsiger Vorverhandlungen lange verschlossen bleiben.

Gute, in langjähriger Kontaktarbeit aufgebaute Beziehungen sind ohne Zweifel sehr hilfreich. Entscheidend sind aber heute auf dem international umworbenen chinesischen Markt die finanziellen Bedingungen, die angeboten werden können. Das Stichwort heißt „soft loans", das sind Exportkredite zu besonders günstigen, nämlich aus öffentlichen Mitteln gestützten Zinsen. Sie kamen in den achtziger Jahren auf, aus der Verquickung von Exportförderung und Entwicklungshilfe. Die westlichen Industriestaaten einigten sich im Rahmen der OECD darauf, daß solche billige Kredite nur für Projekte gewährt werden dürfen, in denen ein Element der Wirtschaftshilfe enthalten ist, die sich somit kommerziell nicht rechnen.

Die jetzt mit soft-loan-Finanzierung anvisierten Vorhaben für China müssen deshalb von der OECD in Paris genehmigt werden. Der Bau von Autostraßen oder Eisenbahnen und die Lieferung von Wasseraufbereitungsanlagen dürfte auf diese Weise zu finanzieren sein, Papiermaschinen oder Autofabriken wohl kaum, Kraftwerke vielleicht. Schon bisher wurden die österreichischen Ausfuhren nach China nur ungefähr zur Hälfte rein kommerziell finanziert, zur Hälfte mit soft loans, bei denen man derzeit statt mit acht Prozent Zinsen mit etwa vier Prozent rechnen kann.

Deshalb stehen die beteiligten österreichischen Firmen schon jetzt bei Finanzminister Lacina Schlange, um von ihm die Zusage für eine soft-loan-Finanzierung zu bekommen. Seine Entscheidungen werden einer sinnvollen industriellen Strukturpolitik folgen müssen, damit nicht am Ende zum Nachteil zukunftsreicher Unternehmen von dieser Zinsstützung Finnen profitieren, die zwar Aufträge dringend brauchen, aber technologisch nicht viel versprechen. So ein Fehltritt wurde ja vor Jahren mit einem Röhrenexport nach Indien getan.

Diese Zinsstützungen werden zu mehr als drei Vierteln aus dem Bundesbudget bezahlt, zu einem schwachen Viertel von der Bundeswirtschaftskammer. Damit die Industriestaaten nicht allzu großzügig mit weichen Exportkrediten operieren, sehen die OECD-Vereinbarungen vor, daß mindestens 35 Prozent öffentliche Stützung enthalten sein müssen, daß also die auf ihre Staatssäckel bedachten

Finanzminister sorgsam abzuwägen haben, wem sie davon geben und wieviel. So ergibt sich bei dem für heuer im Chinahandel angekündigten Exportkreditrahmen von einer Milliarde Schilling der genannte Stützungsaufwand von 350 Millionen; er wird aber, soweit vom Bund zu tragen, ohnedies erst im Budget für 1994 wirksam werden, weil die Realisierung der Verträge ihre Zeit dauert.

Der finanzielle Aufwand des Bundes läßt sich damit rechtfertigen, daß Ausfuhraufträge ja entsprechende Steuerleistungen der Exportfirmen bringen und daß dem Staat Arbeitslosenzuschüsse erspart werden können. Die Hoffnung, daß mit soft loans finanzierte Projekte dann auch lohnende Folgeaufträge bringen, hat sich freilich nicht immer erfüllt. Soft loans sind nur selten Eisbrecher.

Industriekreise rechnen jetzt aber mit intensiveren Wirtschaftskontakten. Schon für den Herbst wird der Besuch einer chinesischen Einkaufsdelegation in Österreich erwartet, und der damit für die Gäste verbundene Erfolgszwang mag maßgebende Stellen in China bewegen, einige jetzt anvisierte Vorhaben rascher konkret werden zu lassen. Der für nächstes Jahr in Aussicht genommene Gegenbesuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng könnte dann eine weitere Etappe auf dem Wege engerer Wirtschaftsbeziehungen markieren.

Dabei werden die Österreicher, wie Kenner der Verhältnisse betonen, immer mehr von reinen Warenlieferungen zur Zusammenarbeit durch Lizenzvergabe und Technologietransfer und zu Joint ventures mit leistungsfähigen chinesischen Unternehmen übergehen müssen. Und weil die Entwicklungsprogramme Chinas überaus ehrgeizig sind, die Eigenkapitalausstattung der dortigen Betriebe aber oft unzureichend ist, wird die Finanzierung solcher Vorhaben wohl die schwierigste Aufgabe dabei werden.

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