6890539-1979_44_05.jpg
Digital In Arbeit

Millionen-Faß ohne Boden?

Werbung
Werbung
Werbung

Die politische Erwachsenenbildung maust sich als der österreichischen Politik zwar noch ničht überall geliebtes, aber immerhin weithin geschätztes Kind. Das wirft die Frage auf, was diese Wertschätzung eigentlich kostet. Tatsache ist, daß seit Beginn der Siebzigeijahre eine förmliche Bildungswelle im Politbereich eingesetzt hat, die aber anderseits auch mehr und mehr Mittel für sich beansprucht. Der zwar zunächst noch zaghaft beginnende Bildungsurlaub, an dessen endgültiger Realisierung im Laufe der achtziger Jahre aber niemand mehr zweifelt, wird Welle und Kosten noch kräftig steigen lassen.

Wie hoch diese Kosten heute wirklich sind, läßt sich nur schätzen. Denn politische Bildung wird in Österreich mit einer Vielfalt betrieben, wie sie spnst nur auf dem Vereinssektor usuell ist. 'Die SpÄze dieses „Eisbergs“ ist die „österreichische Gesellschaft für politische Bildung“, eine Art „Bildungsholding“, zu deren Mitgliedern die Arbeitsgemeinschaft der Bildungsheime Österreichs, das Berufsförderungsinstitut, das Ländliche Fortbildungsinstitut, der Ring österreichischer Bildungswerke, der Verband österreichischer Volkshochschulen, das Wirtschaftsförderungsinstitut der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ebenso zählen wie die Bundesländer und das Unterrichtsministerium.

Die Mitglieder dieser Holding sind ihrerseits wieder Holdinggesellschaften, denen eine Unzahl von Bildungseinrichtungen und -Organisationen unterstehen. Die Gesellschaft für Politische Bildung betreibt eigenständig das österreichische Institut für politische Bildung in Matters- burg, dem allein aus Bundesmitteln Millionenbeträge zufließen: 1979 zwei Millionen, 1980 allerdings werden es überraschenderweise nur mehr 1,5 Millionen sein. Gerüchteweise verlautet, daß diese Budgetkürzung darauf zurückzuführen sei, daß die Mattersburger Polit-Bildner so im Geld schwimmen, daß sie beim besten Willen nichts mehr zum Ausgeben finden.

Insgesamt stopft allein das Unterrichtsministerium rund 80 Millionen Schilling in die Erwachsenenbildung, das meiste davon wird wohl in der politischen Bildung landen. Daneben läuft noch die Förderung der Bildungseinrichtungen der politischen Parteien: Auf Grund des Parteienfinanzierungsgesetzes fließen ihnen jährlich rund 55 Millionen zu.

Unterschiedlich sind die Bemühungen der Parteibildungsinstitute, neben öffentlichen Geldern auch andere Einnahmen zu erschließen: Während die Politische Akademie der ÖVP in ihrer Bilanz 1978 immerhin 3,25 Millionen an Erträgen und Kostenersätzen erwirtschaftet hat, weist die Bilanz des Dr. Karl-Ren- ner-Institutes der SPÖ neben Erträgen aus dem Broschürenverkauf von 222.000 Schilling ganze 750 Schilling an Spendeneinnahmen aus, was entweder mangelhafte Beliebtheit des Instituts in den eigenen Reihen oder mangelhaftes Bemühen um eigene Einnahmen anzeigen dürfte.

Das Freiheitliche Bildungswerk erwirtschaftete aus eigener Kraft gar nur 37.000 Schilling, gibt aber für die Administration fast ein Viertel seines gesamten Budgets aus; der Sachaufwand für die politische Bildung schlägt sich dort nur mit einer von insgesamt sieben Millionen zu Buche. .

Die beiden großen Brüder wirtschaften effizienter: Sowohl die Politische Akademie'als auch das Renner-Institut schlagen dem Sachaufwand für die Bildungsarbeit ein Drittel ihrer Budgetmittel zu und liegen dafür mit dem Verwaltungsaufwand unter 20 Prozent ihrer Gelder.

Kaum feststellbar ist, was sonst noch in die politische Bildung fließt: Was die Landesparteiorganisationen selbst berappen, mit und ohne Landesförderungen, läßt sich an Hand des Arbeitspapieres der Jungen ÖVP zur Parteireform ahnen. Dort wird nämlich die Forderung erhoben, daß „mindestens 10 Prozent der Budgetmittel der Landesparteiorganisation für Schulungen verwendet werden“ sollen.

Und daneben laufen noch recht umfangreiche politische Bildungsprogramme verschiedener Organisationen: Etwa die Bildungsakademien des CV und der Tum- und Sport-Union oder - neuerdings - eine eigene Bildungsakademie des MKV. Rechnet man die Schätzungen der Kosten so zusammen, so dürfte in absehbarer Zeit die Bildungsmilliarde für die politische Bildung erreicht werden.

Für jene, die als politische Bildner tätig sind, ein erfreulicher Aspekt, denn sie zählen fast durchwegs zu den Bestverdienem Österreichs. Die beiden - nebenberuflich tätigen - Geschäftsführer des Mattersburger Instituts kassieren für ihre Bemühungen - jeder für sich - fast eine halbe Million Schilling im Jahr. Auch sonst lächeln die meisten politischen Erwachsenenbildner über Sektionschefsgehälter: Für zwei Seminartage kassiert man zwischen 3000 und 6000 Schilling, Spitzenwerte - etwa für einen früheren Femsehsprecher - werden mit 10.000 Schilling pro Tag gezahlt. Wer das Geschäft kann und wer „drin“ ist, für den lohnt sich die Sache jedenfalls.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung