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Millionen für den Papierkorb

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Die Bereitschaft, dem ideologischen Gegner in irgendeiner Sachfrage die besseren Ideen zuzubilligen, ist in der österreichischen Innenpolitik leider ziemlich selten vorhanden, auch in der Bildungspolitik.

Dauerte es zunächst geraume Zeit, bis man im nichtsozialistischen Lager zugab, daß die von der SPÖ eingeführte Gratisschul-buchaktion im Prinzip nicht völlig des Teufels ist, so vermißt man nun auf SP-Seite jegliche Einsicht, daß diese Aktion wesentlich billiger durchgeführt werden könnte.

Derzeit blättert der Staat fiir Gratisschulbücher rund eine Milliarde Schilling pro Jahr auf den Tisch, mindestens 300 Millionen

davon könnten nach Berechnungen des Mittelschüler-Kartell-Verbandes (MKV) und der Union Höherer Schüler (UHS) eingespart werden. Man müßte nur einen Teil der Bücher zur Wiederverwendung in einer „Schulbuchlade" sammeln. Mit rund 3000 Büchern, die an

acht Schulen gesammelt wurden (Neuwert: 258.000 Schilling!), untermauerten Schülervertreter jüngst vor dem Unterrichtsministerium ihre Forderung nach einer solchen „Schulbuchlade".

Im Ministerium aber wackelte man bisher mit keinem Ohr. Man redet auf Regierungsseite zwar gern vom Sparen, praktiziert es aber kaum und erzieht im Fall der „Wegwerfbücher" auch nicht dazu. Dann ist es aber unglaubwür^ dig, in anderen Bereichen (An-

Stellung von Junglehrern, Schulneubauten) über Geldmangel zu jammern.

Laut MKV gibt es in Österreich bereits 1500 ausgebildete Junglehrer ohne Anstellung, Tausende befinden sich in Ausbildung. Das Unterrichtsministerium ist daran nicht unschuldig. Minister Fred Sinowatz hat erst in den letzten beiden Jahren zaghaft damit begonnen, Anfänger an den Pädagogischen Akademien über ihre tristen Berufsaussichten aufzuklären.

Von MKV und UHS, aber auch von ÖVP-Schulsprecher Hans

Katschthaler wurden kürzlich einige Lösungsvorschläge zu diesem Problem vorgelegt, etwa: Abbau von Uberstunden zugunsten der Anstellung von Junglehrern, Einsatz von Junglehrern in Erwachsenenbildung und außerschulischer Jugenderziehung, Senkung der Klassenschüler-höchstzahlen.

Letztere bringt vor allem die katholischen Privatschulen in Schwierigkeiten, die schon jetzt Tausende Bewerber abweisen müssen und aus Geldmangel baulich kaum erweitern können. Bekanntlich trägt der Staat an Privatschulen nur die Lehrerkosten, aber nicht den übrigen Personal-und Sachaufwand.

Uber all das wurde kürzlich bei Veranstaltungen geredet. Still ist es dagegen um etwaige Änderungen der Ferienordnung geworden (vgl. FURCHE Nr. 8/1981, S. 4 und Nr. 25/1981, S. 4), dabei müßten diese doch zu Schuljahresbeginn geklärt werden, sollen sie heuer noch wirksam werden.

Daß große Reformen ausbleiben werden, stand ja bereits im Juni fest. Die wenig erholsamen einwöchigen Semesterferien im Februar bleiben.

Auch der gefürchtete „Verkehrsinfarkt" (Stauungen über Stauungen) dürfte bleiben. Die nun weiterverfolgten Pläne (die heuer kaum mehr wirksam werden können) sehen lediglich ein bis zwei zusätzliche freie Tage zu Ferienbeginn vor. Man hofft, daß sich der Abreiseverkehr an diesen Tagen besser verteilen wird, für die Rückreise bleibt nicht einmal diese Hoffnung.

Eine Staffelung zwischen Wien und Niederösterreich oder gar innerhalb Wiens halten die zuständigen Landesschulratspräsiden-ten Hans Matzenauer (Wien) und Anton Sagbauer (NO) für unmöglich: „Man würde Familien zerreißen." Matzenauer will überdies einen zusätzlichen freien Tag nur im Tausch gegen einen jetzt schul-

freien Nichtfeiertag (etwa St. Leopold am 15. November) hergeben.

Mit anderen Worten: Der nächste „Verkehrsinfarkt" kommt bestimmt.

Auch die Pläne, den „Jänner-Streß" für die Schüler einzudämmen, wirken nicht sehr zielführend: die Zahl der Schularbeiten soll eingeschränkt werden, damit der Jänner frei von Schularbeiten bleiben kann.

Der oberösterreichische Lan-desschulratspräsident Karl Albert Eckmayr, Initiator der Ferienreformdiskussion, erblickt darin einen Irrweg: „Auf der einen Seite will man — siehe Matura — vom punktuellen Lernen wegkommen, auf der anderen wird die Schularbeit durch Reduzierung der Zahl der Arbeiten zu einem Monster hinaufstilisiert, das sie nicht sein soll."

Auch Matzenauer sieht in emėr Verminderung der Schularbeiten nicht „allein" die Lösung und meint, man müsse das von Gegenstand zu Gegenstand genau prüfen.

Für bildungspolitischen Gesprächsstoff ist jedenfalls auch ohne „Neue Hauptschule" schon zu Beginn des Schuljahres reichlich gesorgt.

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