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Millionen leere Kilometer

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Nach Katalysatorpflicht und Nachtfanr-verbot für Lkws auf Transitrouten will Minister Streicher nun den Pkw-Verkehr eindämmen. Auch die Europäische Gemeinschaft scheint umzudenken.

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Nach Katalysatorpflicht und Nachtfanr-verbot für Lkws auf Transitrouten will Minister Streicher nun den Pkw-Verkehr eindämmen. Auch die Europäische Gemeinschaft scheint umzudenken.

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In Europa spitzen sich die Verkehrsprobleme in einer Weise zu, die für die nächste Zeit das Ärgste befürchten läßt. So wird die Realisierung des EG-Binnenmarktes ab 1993 das Verkehrsaufkommen gegenüber heute vervierfachen. Zusammen mit der nun hinzukommenden Ostöffnung wird es bis zum Jahr 2000 zu einer Verzehnfachung kommen. In der früheren DDR allein ist seit der Maueröffnung vor eineinhalb Jahren das Verkehrsaufkommen um 300 Prozent gestiegen.

Die EG jedoch hat dafür kein Konzept, will auch keines haben, sondern hängt an einem unangebrachten und unreflektierten Freiheitsbegriff. Und bei uns? In Wien allein werden pro Tag nicht weniger als ein- bis eineinhalb Millionen Kilometer nur für die Parkplatzsuche verfahren...

Das sind nur einige der spektakulärsten Aussagen, die kürzlich anläßlich einer Diskussion in Wien unter dem Titel „Autowahn und Eisenbahn”, veranstaltet vom Renner-Institut und dem SPÖ-Umwelt-büro, zu hören waren.

Der Diskussion stellten sich Verkehrsminister Rudolf Streicher und Monika Grief ahn, Umweltministerin der rot-grünen Regierung Niedersachsens, und derzeit intensiv mit der Bewältigung der Verkehrsprobleme befaßt, die sich durch die Weltausstellung 2000 im Raum Hannover stellen werden.

Auf verkehrspolitischem Gebiet sah sie übrigens bemerkenswerterweise durchaus Parallelen zwischen Österreich und Deutschland, denn dieses wird Transitland Nummer eins der EG werden. Mit dieser Einsicht und vor allem mit der Forderung nach entsprechenden Maßnahmen, so ihre Klage, bleibt sie aber vorläufig allein. Denn dem steigenden Verkehrsaufkommen steht die dogmatische Festlegung der EG auf die Freiheit der Bewegung von (unter anderem) Waren und Personen entgegen. Die Ministerin sieht auch - wohl zu Recht - für alle Bestrebungen Österreichs schwarz, einfach mengenmäßige Beschränkungen durchzusetzen, wenn wir gleichzeitig in die EG wollen. Denn Brüssel ist auf diesem Sektor praktisch untätig, bestätigt auch sie. Es gebe kein Eisenbahnkonzept, nicht einmal zu gleichen Normen für Lokomotiven und Waggons habe man sich bisher durchringen können. Desgleichen fehle ein Schiffahrtskonzept, um diese gleichfalls relativ umweltfreundliche Verkehrsform zu fördern.

Österreichs Zielsetzung kontrastiert zwar nicht mehr völlig mit der Verkehrspolitik der EG, doch wird noch viel Überzeugungsarbeit notwendig sein.

Natürlich stammt, wird seitens des Verkehrsministeriums bei dieser Veranstaltung einmal mehr zugegeben, die derzeitige Eisenbahnstruktur aus dem vorigen Jahrhundert und sei daher überholt. Alle Investitionen der vergangenen Jahrzehnte gingen fast ausschließlich in den Straßenbau und aller zusätzlicher Verkehr mußte auch von den Straßen aufgenommen werden. Österreich werde seine Linie jedoch beibehalten, auf die Vermeidung von Leerfahrten hinwirken, Bahn und kombinierten Verkehr besser zu nutzen versuchen, lärmarme Lkws vorschreiben und Kostenwahrheit im Verkehrswesen anstreben. Mit Hilfe des jetzt auch von der EG-Kommission akzeptierten Umweltpunkte-Systems im Transit soll versucht werden, in einigen Jahren eine Halbierung der derzeitigen Belastungen zu erreichen. Die EG erhält dabei von Österreich ein Umweltpunktekontingent für Transit-Lkws. Eine Fahrt wird dann an eine bestimmte Punktezahl geknüpft. Diese ist abhängig von den Emissionen, den Kapazitäten für den kombinierten Verkehr auf der Bahn und die vorhandenen Kapazitäten in der Schweiz, damit der Verkehr nicht wieder nach Österreich verlagert wird.

Ein kleines Land, so Streichers Überzeugung, kann offensichtlich mit solchen Maßnahmen sehr wohl Erfolge erzielen: So habe auch erst Österreichs Verlangen nach Flüster-Lkws dazu geführt, daß heute fast nur noch solche erzeugt werden. Niemand wird Lkws produzieren, die dann nicht durch Österreich fahren dürfen.

Allerdings - so wurde auch bei dieser Veranstaltung beklagt - ist das öffentliche Bewußtsein in Verkehrsfragen immer noch nicht groß genug. Vor allem dann nicht, wenn es um die eigene Bequemlichkeit und die persönliche Mobilität ginge. Das Auto sei für viele eben immer noch Symbol für Freiheit, Unabhängigkeit und Beweglichkeit. Die freie Wahl des Verkehrsmittels sei aber eine Fehleinschätzung, der offenbar auch die gesamte EG unterliege.

Daß die Politiker aber bereit sind, in Sachen Eindämmung des Auto-wahns vor der eigenen Tür zu kehren, zeigen die jüngsten unpopulären Vorschläge des österreichischen

Verkehrsministers: Nach Katalysator-Pflicht und Lkw-Nachtf ahrverbot auf Transitrouten sollen jetzt die Pkw-Fahrer empfindlich getroffen werden: ihnen soll mit Parkplatzgebühr und Straßenverkehrsbeitrag die Lust am Auto(fahren) etwas vermiest werden.

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