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Milosevic wankt noch nicht

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Die Wahlergebnisse in (Klein)-Jugoslawien lagen noch nicht vor und schon ließ sich am Sonntag der amtierende Präsident Serbiens, Slobodan Milosevic, als Sieger feiern. Trotz des Krieges in Bosnien, trotz des Wahlboykotts der Oppositionsparteien, trotz Demonstrationen gegen die „Neokommunisten" lief das Wahlvolk zu den Urnen.

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Die Wahlergebnisse in (Klein)-Jugoslawien lagen noch nicht vor und schon ließ sich am Sonntag der amtierende Präsident Serbiens, Slobodan Milosevic, als Sieger feiern. Trotz des Krieges in Bosnien, trotz des Wahlboykotts der Oppositionsparteien, trotz Demonstrationen gegen die „Neokommunisten" lief das Wahlvolk zu den Urnen.

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Es gilt als sicher, daß die überwältigende Mehrheit der Serben - wenn auch nicht der anderen Völker Neu-Jugoslawiens, den Milosevic-Kurs gutheißen. In Orten wie Damilovgrad, Andrijasevci oder Niksic betrug die Wahlbeteiligung bis zu 80 Prozent. In kleinen Ortschaften wurde dies sogar noch übertroffen - zumindest behaupteten dies die Medien, die fest in den Händen des Regimes sind.

Aber auch in Belgrad, wo oppositionelle Zeitschriften noch Verbreitung finden und sich innerhalb der Intelligenz eine breite Ablehnungsfront gegen das Regime bildete, lag die Wahlbeteiligung noch immer annähernd bei 50 Prozent und die Sozialisten (Neokommunisten) sollen auch hier eine Zweidrittelmehrheit gegen die wenigen „unabhängigen" Kandidaten erzielt haben.

Schwache Opposition

Konsequent boykottiert wurden die Wahlen nur in den Minderheitenregionen. Die zwei Millionen Kosovo-Albaner blieben dem Urnengang fern. Die 500.000 Moslems im Sadschak gingen ebenso wie die Mehrzahl der 350.000 Vojvodiner Magyaren nicht zur Wahl.

Doch diese Volksgruppen werden von eigenen nationalen Parteien vertreten und nicht von der serbischen Opposition, die sich für Autonomiebestrebungen - vor allem der Albaner - reserviert bis feindlich verhält und so indirekt Milosevics minderheitenfeindlicher Politik zuspielt.

Nimmt man es rein statistisch, so sind ein Drittel der Einwohner Neu-Jugoslawiens Nicht-Serben. Beteiligten sich aber mehr als 60 Prozent der Wahlberechtigten beim Urnengang, so bedeutete dies, daß der oppositionelle Wahlboykott relativ wenig Gehör unter der serbischen Bevölkerung fand.

Der Lebensstandard fiel bei einer Inflationsrate von 800 Prozent um Zweidrittel auf unter hundert Mark im Monat, die Betriebe sind weiterhin ausschließlich in staatlicher Hand, privates Kleingewerbe wird massiv behindert und in der politischen Sphäre sind die Freiheiten oppositionellen Denkens nicht größer als im Tito-Jugoslawien. Die demokratische Opposition - allen vor an Vuk Draskovic -zeigt sich als eine Kraft ohne nennenswerten Einfluß auf die Geschicke der Politik.

Milosevicgibt sich noch selbstsicher. Zu den UNO-Sanktio-nen (siehe Kommentar auf Seite 4) beschwichtigte er: Handelssanktionen hätten noch nie eine große Wirkung gezeigt, Serbien habe noch Freunde in der Welt. „Radio Beograd" konnte aber nicht verschweigen, daß im Lande überall der Einzelhandel zusammengebrochen sei. Der Grund: Überall Hamsterkäufe. Viele versuchten auch zu flüchten. Per Dekret zeigte sich der serbische Präsident großzügig: Männer zwischen 18 und 55 Jahren dürfen ab sofort wieder ohne Einschränkungen ins Ausland reisen. In den vergangenen Monaten war dafür eine Erlaubnis der Wehrkreisbehörde notwendig, die aber nicht gegeben wurde, es galt eine informelle Generalmobilmachung.

Ob diese nun wirklich aufgehoben wurde, wird sich erst zeigen. Ein Satz des Freischärlerführers Vojislav Seselj, der sich in den letzten Wochen als neuer Sprecher der Milosevic-Regierung profilierte, gibt zu denken: „Jeder, der am Sollntag die Wahl für unser neues Jugoslawien boykotierte, ist ein Staatsfeind und gehört eigentlich unseres Landes verwiesen. Wir wollen ein Land der wahren Patrioten, die sich keinem Diktat der Welt beugen."

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