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Minderheitenfeststellung

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Zu ihrem Glück, endlich auch in einer Bundesregierung vertreten zu sein, fehlt der FPÖ nur noch die Abschaffung von Wahlen, wenigstens in den nächsten paar Jahren.

Bei den Salzburger Landtagswahlen im März 1984 droht ein Debakel, ein Monat später muß mit ähnlichem bei den Arbeiterkammerwahlen gerechnet werden; nur bei der Landtagswahl in Kärnten winkt angesichts einer schwachen VP-Opposition ein Stimmengewinn. Doch daran werden sich Steger, Peter & Co. auch nicht so recht erfreuen können, geht er doch auf das Konto des größten innerparteilichen Kritikers, Jörg Haider.

Und dann auch noch zu allem Überdruß „echte“ Wahlen in der Handelskammerorganisation, keine Listenkoppelung mehr, wie das in den meisten Bundesländern der Brauch ist. Die Handelskammerwahlen finden im Frühjahr 1985 statt, sie dürften sich für die FPÖ zu einer Art „Minderheitenfeststellung“ in den gesetzlichen Vertretungsorganen der österreichischen Wirtschaft gestalten.

„Listenkoppelungen“ hatten oft auch den schlechten Ruf von Wahlabsprachen. Auf der einen Seite sollten damit heftige Wahlkämpfe auf den unteren Ebenen (etwa in den Fachgruppenausschüssen) vermieden werden, auf der anderen Seite sollte damit von vornherein eine einheitliche Sprache der österreichischen Wirtschaft sichergestellt sein.

Die weitaus stärkste politische Kraft in der Handelskammerorganisation, der österreichische Wirtschaftsbund, hat diese „Listenkoppelung“ in der Regel als einen „Minderheitenschutz“ verstanden, denn in den meisten Bundesländern ist die,FPÖ in der Handelskämmerorganisation besser vertreten, als es ihrer tatsächlichen politischen Stärke zukommt.

Praktisch alle FP-Vertreter in der Handelskammerorganisation sind ideologisch der Sozialen Marktwirtschaft und (mit Abstrichen) auch der Sozialpartnerschaft verpflichtet. Die meisten leisten in der Handelskammerorganisation gute Arbeit, stehen hinter den politischen Standpunkten und Stellungnahmen der Kammerspitze und haben nicht erst seit der Bildung einer rot blauen Regierungskoalition ihre liebe Not mit der eigenen Parteiführung.

Der „typische“ FP-Wirtschafts- funktionär pflegt jedenfalls am Stammtisch eine härtere und radikalere Sprache als der vom Geist der Sozialpartnerschaft viel stärker geprägte „typische“ Funktionär des Wirtschaftsbundes. Diese Eigenschaft hat er beibehalten, trotz Norbert Steger, der heute in FP-Wirtschaftskrei- sen nachgerade zum Feindbild geworden ist. Hier wird Steger als „Verräter“ am freiheitlichen Gedankengut (was immer das ist) empfunden.

Die von Vizekanzler Norbert Steger immer wieder gesuchten Auseinandersetzungen mit Kammer-Präsident Rudolf Sallinger haben vor allem in FPÖ-Wirt- schaftskreisen zu heftiger Empörung geführt. „Das kann doch nicht der Feind sein“, heißt es dort, „Steger soll doch besser nicht ständig Umfallen und eine SPÖ-Idee nach der anderen nachbeten und mitbeschließen.“

In FPÖ-Wirtschaftskreisen hat man es Steger nicht vergessen, daß er noch vor dem „Erzfeind“ Alfred Dallinger eine Maschinensteuer gefordert hat, und erst jüngst hat sich der Obmann des Salzburger Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender, Georg Platzer, in einem offenen Brief an den Vizekanzler bitter über die geplante Erhöhung der Lkw- Steuer beklagt. Diese Steuererhöhung, schreibt der FP-Wirt- schaftsfunktionär, ist „absolut kontraproduktiv und volkswirtschaftlich schädlich“.

Das ist nur ein Beispiel für die schlechte Stimmung in Kreisen freiheitlicher Wirtschaftsfunktionäre. Nun aber schiebt man Steger auch noch die Schuld an der Aufkündigung der Listenkoppelung bei der nächsten Handelskammerwahl in die Schuhe. So mancher FP-Wirtschaftsfunktio- när dürfte dadurch Amt und Einfluß verlieren. Und es zeigt von großer Objektivität, wenn man der Kammerspitze Verständnis für ihre Haltung entgegenbringt.

Der oberösterreichische FPÖ- Nationalrat Hermann Eigruber muß bis auf weiteres seine Ambition auf einen kooptierten Platz im Bundeskammerpräsidium ad acta legen. Allenfalls nach der Handelskammerwahl im Frühjahr 1985 winkt ihm dieses heißbegehrte Amt — sofern die FPÖ dabei ein gutes Wahlergebnis erreicht. Selbst die größten Optimisten in der FPÖ wagen nicht daran zu denken. „Steger“, so heißt es in Kreisen von freiheitlichen Wirtschaftsfunktionären, „ist das größte Hindernis.“

Es, wird wohl nicht mehr lange dauern, bis man solche hinter vorgehaltener Hand geäußerte Gedanken offen aussprechen wird. Norbert Steger ist viel im Ausland und begeht dort, wie Zuletzt in China, arge wirtschafts- und handelspolitische Schnitzer. Die Industriellenvereinigung hat ihm bereits „geschäftsschädigende Vorgänge“ vorgeworfen.

Bei den meisten Veranstaltungen des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender' fehlt der Vizekanzler. Wohlmeinende sagen, daß er dafür keine Zeit hätte. Kritiker behaupten, daß er erst gar nicht eingeladen wird — es sei denn zu Publikumsbeschimpfungen. Und denen geht Norbert Steger verständlicherweise aus dem Weg.

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