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Minuspunkte

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Das Geld liegt auf der Straße, und die Großkoalitionäre aus SPÖ und ÖVP schicken sich an, dieses Geld aufzuheben. Der Minister für wirtschaftliche Angelegenheiten, Robert Graf, hat, kurz nachdem er der zweckfremden Verwendung von 15 Milliarden Schilling Mineralölsteuer zur Budgetsanierung zugestimmt und damit dem Straßenbau die finanzielle Basis entzogen hatte, plötzlich und offensichtlich wenig durchdacht diagnostiziert:

„Österreich braucht eine Generalmaut“ — nach Schweizer Vorbild, allenfalls mit einem Österreich-Aufschlag von 1.000 Schilling. Der Österreich-Aufschlag kam erst zur Diskussion, als mit dem Straßen wesen Vertraute darauf aufmerksam machten, daß in unserem Land ja schon bisher Mauten kassiert werden: Jährlich 1,8 Milliarden Schilling (exklusive Mehrwertsteuer), immerhin um 600 Millionen Schilling mehr, als die beispielhaft angeführte Schweizer Maut jährlich bringt.

Spürbar wird indes eine mit der Mautfrage geschürte Fremdenfeindlichkeit: „Die Ausländer sollen zahlen.“ Wird hier nicht übersehen, daß Gäste und Transitreisende schon bisher eine Milliarde Schilling an Mauten aufbringen? Auf der Route Kufstein-Brenner sind das 1,07 Schilling je Autobahnkilometer, auf der Tauernroute zwischen Salzburg und Arnoldstein immerhin noch 90 Groschen je Autobahnkilometer, gegenüber durchschnittlich 60 Groschen in Italien und 38 Groschen pro Kilometer in Jugoslawien.

Die Reaktionen unseres wichtigsten Wirtschaftspartners und Gästeherkunftslandes Deutschland haben an Deutlichkeit ja nichts zu wünschen übrig gelassen.

Der Präsident des acht Millio nen Mitglieder starken Allgemeinen Deutschen Automobilclubs, Franz Stadler, hat festgehalten: Bei einer weiteren Konkretisierung der österreichischen Mautpläne wird der ADAC „nicht zögern, die deutschen Auto-Touristen und Urlauber aufzufordern, diese zusätzliche Kostenbelastung bei der Festlegung ihrer Urlaubspläne zu berücksichtigen, zumal auch in Österreich ein Ausweichen auf das nachgeordnete Straßennetz wegen des höheren Unfallrisikos nicht empfohlen werden kann“ .

Für Bundeskanzler Franz Vranitzky „überwiegen die Pro-Argumente“ . Aber außer dem rein fiskalischen Motiv - mehr Geld aufbringen — wird allerdings kein Pro-Argument genannt.

Kann sich das Fremdenverkehrsland Österreich eine Eintrittsgebühr leisten?

Unter die Räder des Politstils „Reden statt Denken“ kam sichtlich auch die Frage: Welche Abwanderungseffekte auf Bundesstraßen bringt eine Generalmaut mit sich? Wenn, was durchaus realistisch ist, je 100 Schilling Generalmauthöhe Abwanderungseffekte von 0,35 Prozent der Autobahn-Fahrleistung verursacht werden, hieße das bei einer Generalmaut von 1.000 Schilling: Rund 300 Millionen Fahrzeug-Kilometer verlagern sich von Autobahnen auf Bundes- und Landesstraßen. Die Einnahmen aus der Generalmaut würden Tausende Anrainer von Bundesstraßen mit einer stärkeren Umweltbelastung bezahlen; Einbußen an Verkehrssicherheit wären ein zusätzlicher Preis für die Generalmaut.

Ist es nicht eine semantische Haarspalterei, wenn eingedenk des neuen Regierungsversprechens, keine neuen Steuern und Abgaben einzuführen, nun von einer Gebühr, einem Benützungsentgelt für Autobahnen gesprochen wird?

Wurde nicht die seit 1976 sechsmal erhöhte und nunmehr zweck-

Abkehr vom „Pickerl“

Maut oder keine Maut — das ist derzeit für Wirtschaftsminister Robert Graf die Frage. Mindestens 1,2 Milliarden braucht der Minister für Fertigstellungen des heimischen Autobahnnetzes. Milliarden, die im Budget fehlen und die nun die Autofahrer aufbringen sollen.

Letzter Vorschlag des Ministers: Zu den bestehenden Abgaben (z. B. auf Brenner- oder Tauernautobahn) soll es „nur“ ein ,.Pickerl ä la Schweiz“ für die Benützer der West- und Südautobahn geben.

Nur: der Hinweis auf das Schweizer Modell ist problematisch. Denn die Eidgenossen haben nicht die besten Erfahrungen mit ihrer Maut gemacht.

entfremdete Mineralölsteuer immer damit begründet, dafür erhalte der Kraftfahrer ohnedies bessere Straßen?

Müßte nicht die hohe Steuerlast deą motorisierten Straßenverkehrs — zum Beispiel 32 Prozent Luxus-Mehrwertsteuer auf die Anschaffung eines Fahrzeuges, höhere Benzinsteuern gegenüber Deutschland—auch Berücksichtigung finden?

Eine Generalmaut ist keine brauchbare Lösung: Wird sie von der Höhe her akzeptabel angesetzt, bringt sie nichts. Wenn sie zu Mehreinnahmen führen soll, werden diese Mehreinnahmen durch hohe Umweltbelastungen und Sicherheitseinbußen teuer erkauft. Werden Vergütungen beispielsweise von der Hotellerie geleistet, wird der Bürokratismus ausgeweitet. Von den Kosten der Einhebung ganz zu schweigen.

Der Autor ist volkswirtschaftlicher Referent des Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring-Clubs (OAMTC).

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