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Mission bei den Samurais

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James Clavells Erfolgsstory „Shogun” läuft bereits zum dritten Mal im ORF. Die spannenden Abenteuer beruhen aber meist auf fragwürdigen Klischees, wie Kritiker behaupten.

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James Clavells Erfolgsstory „Shogun” läuft bereits zum dritten Mal im ORF. Die spannenden Abenteuer beruhen aber meist auf fragwürdigen Klischees, wie Kritiker behaupten.

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Die Wiederaufführung der Verfilmung des Romanungetüms „Shogun” von James Clavell könnte man als Unterhaltung mit dem Zugeständnis an „künstlerische” Freiheit abtun, wenn nicht den, der die Geschichte etwas kennt, ein leises Unbehagen beschließe.

Worüber? Daß der Film trotz aller Romanhaftigkeit einen Eindruck hinterläßt, als bringe er historische Fakten des Hintergrunds, während er zwar heute gängige, nichtsdestoweniger fragwürdige Klischeevorstellungen über Japan, die katholische Missionstätigkeit und die Jesuiten suggeriert, im Film durch die Kürzungen und Simplifizierungen noch peinlicher als im Buch.

Greifen wir die Darstellung der christlichen Mission heraus. Als das Schiff „De Lief de” (= Erasmus) mit dem englischen Navigator Will Adams (= John Black-thorne) im Jahre 1600 an der japanischen Küste strandete, gab es schon seit einem halben Jahrhundert christliche Gemeinden in Japan. Trotz der Verfolgung von 1597 hatte sich das Christentum stetig ausgebreitet: 1580 gab es circa 150.000, um 1600 etwa 300.000 Christen, darunter viele Daimyos, Samurais und buddhistische Mönche.

Durch ein päpstliches Privileg waren zuerst nur Jesuiten als Missionare tätig; nach 1580 kamen auch andere, zum Beispiel spanische Franziskaner. Wenn man die unzähligen tendenziösen und oft naiven Darstellungen und Aussagen im Film beiseite läßt, steht besonders störend vor Augen: Die Behauptung einer engen Verflechtung der Interessen der christlichen Mission und einer europäischen Machtpolitik oder einer gewaltsamen Christianisierung. Gerade dies traf im Japan dieser Zeit nicht zu.

Zwar betrachtete sich Portugal im Vertrag von Saragossa 1529, den Pazifik betreffend, als für Japan (wie für Macao und China) „zuständig”, aber dies hatte auf die Missionstätigkeit kaum einen Einfluß.

Von erster Bedeutung aber war die innenpolitische Situation Japans in der „Shogunlosen Zeit” (1573 bis 1603). Erst allmählich gelang es, das in Dutzende (von Daimyos regierte) Feudalherrschaften zersplitterte Reich (unter einem machtlosen Kaiser) zu einen. Drei Persönlichkeiten waren dafür und auch für die Geschichte des japanischen Christentums wichtig. Oda Nobunago (t 1582) förderte, zum Teil aus innen- und handelspolitischen Gründen, die christliche Mission. Auch sein Feldherr und Nachfolger Hide-yoshi Toyotomi (t 1598), der zum Kanzler ernannt wurde und dem eine Schwächung der Macht der Daimyos gelang, war zunächst ein Freund der Christen, wurde aber einerseits durch die Unklugheit des Missionsoberen zum Feind, trieb andererseits jedoch auch ein nicht ganz durchschaubares Doppelspiel.

So kam es zur ersten blutigen Verfolgung von 1597. Nach Hide-yoshis Tod 1598 konnte schließlich Jeyasu Tokugawa (= Toranaga) die rivalisierenden Führer ausschalten und erlangte nach der Schlacht von Sekigahara, 21. Oktober 1600, und durch die totale Ausrottung der Familie der Toyotomi die alleinige Macht, die ihre Krönung mit dem vom Kaiser 1603 verliehenen Shogunat, das seine Familie bis 1867 innehaben wird, fand.

Diese Schlacht ist das Ende von Film und Buch. Sie bedeutet auch einen Wendepunkt in der Geschichte des Christentums in Japan. Zwar nahm die Zahl der Christen noch zu (manche geben für 1625 noch 500.000 bis 750.000 an, was etwas hoch klingt); in Edo (Tokio) wurde ein Bischofssitz errichtet, es gab über 200 Kirchen,Japaner empfingen die Priesterweihe; aber offene oder versteckte Verfolgungen und Verbote führten zum Erlahmen des Elans der ersten Generationen und zum Rückgang.

Manche christliche Daimyos fielen ab, viele Christen wurden getötet (bis 1630 über 4.000), bis es 1637/38 zur Katastrophe des Christen-Aufstands in Shimbara auf Kyushu kam, bei dem 300.000 Christen hingerichtet wurden und bei dessen Niederschlagung Will Adams und niederländische Unterstützung eine unrühmliche Rolle spielten. Der Lohn war eine kleine Handelsniederlassung für die Niederländer als einzige Ausländer auf der winzigen künstlichen Insel Deshima.

Die Geschichte der Missionierung Japans verlief also völlig anders, als es der Film zeigt. Zwar gab es auch gewisse, heute negativ zu bewertende Verbindungen mit dem portugiesischen Seidenhandel (nie Waffen) mit China, um die Missionen finanziell zu stützen; aber vergeblich versuchten die Portugiesen, die Missionare für ihre Interessen einzuspannen.

Zwar gab es gewisse Rivalitäten Und Spannungen unter den Missionaren, wobei die Gegensätze in der Missionsmethode weniger bedeutsam waren als die nationalen zwischen Spaniern und Portugiesen; aber die eigentlichen Ursachen des Zusammenbruchs lagen anderswo: Da war das machtpolitische Anliegen Tokugawas, verstärkt durch den Einfluß des bei ihm als geschätzter Berater tätigen fanatischen Kalviners Adam, dem es gelang, verlockende bessere Handelsbeziehungen besonders mit den Niederländern in Aussicht zu stellen und das Mißtrauen gegen die Missionen und japanischen Christen zu schüren, sie könnten sich mit den katholischen Mächten gegen die Zentralgewalt verbinden.

So zerbrach das aufblühende Christentum in Japan am innenpolitischen Machtkampf, an den Handelsintrigen und der Machtpolitik des christlichen Europas und auch am konfessionellen Konflikt. Eine „überfremdende” und rein machtpolitische Missionierung hätte es wohl nicht vermocht, daß im Untergrund noch christliche Reste von den neuen Missionaren im 19. Jahrhundert vorgefunden wurden.

Der Autor ist Jesuit in Wien.

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