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Mit 15 Jahren Soldat?

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Österreich dürfte in etwa einem Jahr die UN-Konvention über die Rechte des Kindes ratifizieren. Hierzulande klingt besonders ein Satz aus diesem Dokument, der freilich für manche Regionen schon einen Fortschritt darstellt, mehr als fremd: „Die Vertragsstaaten nehmen davon Abstand, Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu ihren Streitkräften einzuziehen."

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Österreich dürfte in etwa einem Jahr die UN-Konvention über die Rechte des Kindes ratifizieren. Hierzulande klingt besonders ein Satz aus diesem Dokument, der freilich für manche Regionen schon einen Fortschritt darstellt, mehr als fremd: „Die Vertragsstaaten nehmen davon Abstand, Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu ihren Streitkräften einzuziehen."

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Am 20. November 1989 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York eine 54 Artikel umfassende „Konvention über die Rechte des Kindes" beschlossen (FURCHE 7/1990). Die Generalversammlung nannte als Begründung für diesen Schritt, „daß die Rechte von Kindern eines besonderen Schutzes bedürfen und es verlangen, daß die Situation der Kinder in der ganzen Welt ständig verbessert wird und ihre Entwicklung und Erziehung in Frieden und Sicherheit stattfindet". Und sie zeigte sich zutiefst besorgt darüber, „daß die Situation der Kinder in vielen Teilen der Welt infolge von unbefriedigenden sozialen Verhältnissen, Naturkatastrophen, bewaffneten Konflikten, Ausbeutung, Analphabetentum, Hunger und Behinderung nach wie vor kritisch ist".

Die Realität hinter diesen Zeilen ist in vollem Ausmaß sicher wenigen bewußt: das Dahinvegetieren von Kindern (und Erwachsenen) am Rande des Hungertodes in den Armutszonen der Erde, das Heranziehen von Kindern für Kriege im Nahen Osten, das Jagen, Mißhandeln und Töten von Straßenk indem in Lateinamerika, der sexuelle Mißbrauch von Kindern, der auch in unseren Breiten leider keine Seltenheit ist.

Von 80 Ländern ratifiziert

Die Konvention trat gemäß Artikel 49 am 30. Tag nach Hinterlegung der 20. Beitritts- oder Ratifizierungsurkunde, am 2. September 1990, inKraft. Etwa 80 Staaten haben die Konvention bisher ratifiziert, weiß Gesandter Nikolaus Scherk, im Wiener Außen-' ministcrium mit der Koordination der Umsetzung der Konvention betraut, zu berichten. Österreich hat die Konvention am 26. Jänner 1990 angenommen, muß sie aber noch ratifizieren. Dies geschieht nach einer für den Herbst 1991 vorgesehenen parlamentarischen Behandlung durch den Bundespräsidenten. „Drei Jahre ist die

Durchschnittsdauer bei Ratifizierungen", sagt Scherk, hofft aber, daß es in diesem Fall spätestens im Frühjahr 1992 soweit ist.

Um festzustellen, wie weit sich aus dem Konventionstext Handlungsbedarf für die österreichische Gesetzgebung ergibt, wurden aus den betroffenen Ministerien (zum Beispiel die Ressorts Soziales, Unterricht, Familie, Justiz) Stellungnahmen angefordert, laut Scherk steht nur noch ein solcher Beitrag aus. Dann folgt ein al lgemeines Begutachtungs verfahren unter Einbeziehung von Landtagen und Interessenvertretungen.

Text enthält „Rückschritt"

Schnell geschaltet hat die Österreichische Kommission für Bildung und Erziehung, eine Einrichtung der Oster-reichischen Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Agnes Niegl, pensionierte Sektionschefin des Unterrichtsressorts. Schon im September 1990 legte sie eine Stellungnahme zur Konvention vor, die gleich den Finger auf einen wunden Punkt legte, nämlich den Artikel 38, der lediglich darauf abzielt, daß „Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen".

Die Kommission meint, daß Österreich von der Möglichkeit, bei der Ratifizierung einen Vorbehalt anzumelden, bei diesem Artikel Gebrauch machen sollte. Auch Nikolaus Scherk erblickt in diesem Text einen „Rückschritt", sieht doch bereit die Genfer Konvention nur den Kriegseinsatz von Über-17-Jährigen vor. Für die Kinderrechte in Osterreich bringt die Konvention seiner Meinung nach „nichts Wesentliches", sie fasse nur vieles zusammen, was bereits in Gesetzen und anderen Konventionen, etwa in den Menschenrechtspakten, festgelegt sei.

Im Sinn der Konvention „ist ein Kind jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt". Wenn darin ein „angeborenes Recht auf Leben" (Artikel 6) betont wird, ist das nicht jene Klarheit, die sich die von Agneü Niegl geleitete Kommission mit der ergänzenden Formulierang „von der Empfängnis an" wünschen würde. Immerhin wird in der Präambel der Konvention ein angemessener rechtlicher Schutz „vor und nach der Geburt" gefordert, was sicher nicht als Freibrief für Abtreibung in allen Schwangerschaftsstadien ausgelegt werden kann, sondern allenfalls einer genau definierten Fristenregelung ein Tor offen läßt.

Weicht die Konvention also - sichtlich bewußt - einer deutlichen Schutz-formulierang für jedes ungeborene Leben aus, nimmt sie sich dafür sehr bemüht des geborenen Lebens in all seinen Belangen an, ohne freilich jenen Staaten, die nach Ratifizierung die Konvention verletzen, mit echten Sanktionen drohen zu können. Die Österreichische Kommission für Bildung und Erziehung empfindet es als Mangel, daß Leitgedanken der Präambel - die nicht ratifiziert wird, aber den Geist der Konvention formuliert - in den einzelnen Artikeln nicht genug Niederschlag finden.

Aus der Fülle dieser Artikel, die das Schutzbedürfnis des Kindes vor Diskriminierung, vor physischer und psychischer Mißhandlung und seinen Ansprach auf bestmögliche Förderang herausstreichen, ist besonders der Vorrang erwähnenswert, den die Konvention der Familie einräumt. Sie trägt den Vertragsstaaten auf, die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern zu achten tArtikel 5), und zuerkennt jedem Kind „soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und ihre elterliche Sorge zu genießen" (Artikel 7), was im Zeitalter künstlicher Befruchtungen leider keineswegs selbstverständlich ist.

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