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Mit Breschnew und Tito an einem Tisch

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Die Kirche in der Welt von heute verlangt das Gespräch und die mitmenschliche Hilfe über Grenzen und Kontinente hinweg. Papst Johannes Paul II. hat in dem ersten Jahr seines Pontifikates in einmaliger Weise diese Weite des Bemühens der Kirche in seinen Reisen vorgelebt und dabei ein bisher ungeahntes Echo erfahren. Als Johannes Paul II. von seiner ersten epochemachenden Reise nach Polen wieder in den Vatikan zurückkehrte, zeigte er sich in seinem berühmten Fenster den zu Tausenden Wartenden nicht wie sonst und alle seine Vorgänger allein, sondern mit jenem Mann, dem er dankte, daß er durch seine Arbeit im Dienste des Heiligen Stuhls auch diese Reise ermöglichte: Agostino Casaroli.

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Die Kirche in der Welt von heute verlangt das Gespräch und die mitmenschliche Hilfe über Grenzen und Kontinente hinweg. Papst Johannes Paul II. hat in dem ersten Jahr seines Pontifikates in einmaliger Weise diese Weite des Bemühens der Kirche in seinen Reisen vorgelebt und dabei ein bisher ungeahntes Echo erfahren. Als Johannes Paul II. von seiner ersten epochemachenden Reise nach Polen wieder in den Vatikan zurückkehrte, zeigte er sich in seinem berühmten Fenster den zu Tausenden Wartenden nicht wie sonst und alle seine Vorgänger allein, sondern mit jenem Mann, dem er dankte, daß er durch seine Arbeit im Dienste des Heiligen Stuhls auch diese Reise ermöglichte: Agostino Casaroli.

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Mit dem Namen Agostino Casaroli verbindet sich seit dem letzten Konsistorium Ende Juni 1979 die Persönlichkeit, die nach dem Heiligen Vater als Kardinalstaatssekretär die höchste Stellung in der Kurie des Vatikan innehat; die Kenner der internationalen Beziehungen hingegen wissen in Agostino Casaroli einen jener Diplomaten zu schätzen, von dem man schon heute weiß, daß er in die Geschichte dieser Zeit als einer der großen „Außenminister“ eingehen wird, denn diese Funktion für den Heiligen Stuhl verbirgt sich in der Position des Sekretärs für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche, die Casaroli bis vergangenes Jahr innehatte.

Zum Unterschied von anderen Außenpolitiken! ging es Casaroli in seinen Bemühungen nie um eine Machtausübung, sondern stets um ein pastorales Anliegen, dem Nächsten die Freiheit zum Glauben zu ermöglichen und zur Sicherung des Welfriedens durch Unterstützung edler Humanisierungsbestrebungen - mögen sie nationale oder multinational sein - beizutragen.

Für den Dienst am Glauben hat sich Agostino Casaroli schon früh entschieden gehabt. Am 24. November 1914 in Castel San Giovanni als Sohn eines Gewerbetreibenden in der Diözese Piacenza geboren, aus der neben anderen bedeutenden Vatikan Persönlichkeiten übrigens auch unser ehemaliger Apostolischer Nuntius und nunmehriger Kurienkardinal Opilio Rossi stammt, trat Casaroli 1929 in das Collegium Albe- roni ein, um dort auch Philosophie und Theologie zu studieren.

Schon in seiner Gymnasialzeit lernte er Deutsch, um deutsche Dichter und Philosophen im Original lesen zu können. Im November 1936 kam Casaroli nach Rom, wo er im Mai 1937 zum Priester geweiht wurde und im November 1939 Ein der Lateranuniversität promovierte. 1940 trat Casaroli in den Dienst des Staatssekretariat zunächst im Archiv, dann in verschiedenen Abteilungen der ersten Sektion, aus der bei der Kurienreform 1967 der „Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche“ hervorging. Zu dessen Sekretär wurde er als Nachfolger von Antonio Kardinal Samore bestellt.

1958 bis 1961 hielt Casaroli, der übrigens in seiner Jugend vorhatte, Professor für die Geschichte der Philosophie zu werden, auch Vorlesungen an der vatikanischen Diplomatenakademie.

Casaroli hat in dem Jahrzehnt seines Wirkens im Dienste des Heiligen Stuhles zwar nie außerhalb des Staatssekretariats gearbeitet, in seinem Aufgabenbereich aber immer weltweit gewirkt, so als Sektionsleiter für Südamerika und 1959 als Teilnehmer an der ersten Generalkonferenz der lateinamerikanischen Bischöfe. Besondere Bedeutung erlangte Casaroli, der unter Pius XII. in den Dienst der Päpste getreten war, unter Johannes XXIII., der ihn mit der Leitung der Vatikandelegation bei der UN-Konferenz in Wien 1961 über die diplomatischen Beziehungen und 1963 über die konsularischen Beziehungen betraute.

In der Folge begann Casaroli im Auftrag des Papstes seine Reisen in die Volksdemokratien, die ihn zu einem „Baumeister“ einer neuen Ostpolitik werden ließen. So Unterzeichnete Casaroli 1964 in Budapest eine Art „Agreement“ zwischen dem Heiligen Stutyl und Ungarn, begab sich 1965 nach Prag, um die Ernennung von Erzbischof Beran zum Kardinal und von Prälat TomäSek zum Administrator vorzubereiten, schloß 1966 ein „Protokoll“ des Heiligen Stuhls mit Jugoslawien in Belgrad ab, das letztlich wieder zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen führte, und unternahm 1967 verschiedene Reisen nach Polen, wo er auch Karol Wojtyla erlebte.

Agostino Casaroli, der 1967 zum Ti- tularerzbischofvon Cartagena und als Nachfolger von Antonio Samorö zum Sekretär des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche ernannt wurde, war auch der erste Vertreter des Heiligen Stuhles seit 50 Jahren, der mit Vertretern der Sowjetregierung zusammentraf. Casaroli reiste 1971 nach Moskau, um dort am 25. Februar das offizielle Dokument über den Beitritt des Heiligen Stuhles zum Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zu hinterlegen.

Zweifellos war es ein auch äußerlicher Höhepunkt der internationalen Bemühungen Agostino Casarolis, als er 1975 bei der Unterzeichnung der Schlußakte der Europäischen Sicherheitskonferenz in Helsinki als Vertreter des Heiligen Stuhles den Vorsitz an dem Tisch führte, an dem auch Männer, wie Gerald Ford, Va- lery Giscard d’Estaing, Leonid Breschnew und Tito saßen.

In einem bemerkenswerten MELB ist Agostino Casaroli die Anerkennung des Heiligen Stuhles in Eillen Teilen der Welt gelungen; auch die Gegner des Glaubens können heute den Heiligen Stuhl in seinen Bemühungen um den Frieden nicht übersehen; das Hauptverdienst dazu kommt Agostino Casaroli zu. Er ist nicht der Mann der lautstarken Ankündigung, sondern der stillen Arbeit. Mit seinen gründlich erarbeiteten Sachkenntnissen und umfangreichen Sprach- fähigkeiten führt er so das Gespräch der Kirche mit der Welt, daß er die Diplomatie in den Dienst der Seelsorge stellt.

Seelsorger ist Agostino Casaroli auch als Diplomat immer geblieben; das zeigt sich auch darin, daß er sich in seiner spärlichen Freizeit stets um die Jugendseelsorge gekümmert hat. Seit vielen Jahren führt er in der Villa Agnese auf dem Gismicolo ein eigenes Heim für Jugendliche, die kein Zuhause haben und für die er schlicht und einfach der „Don Agostino“ ist, der ihnen ebenso einen neuen Weg in das Leben zu weisen sucht, wie er seinen verfolgten Brüdern die Freiheit zum Glauben zu sichern bemüht ist.

Wer von diesen Aufgaben und Bemühungen Agostino Casarolis liest, darf sich keinen MEinager der Kirche vorstellen, sondern vielmehr einen Menschen, der seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in den Dienst der Nächstenliebe gestellt hat und dabei auch um den Bildungs- und Erlebniswert des Musischen weiß. Er ist auch ein großer Freund der Musik, einschließlich ihrer Klassiker, die er in seinen wenigen Stunden der Freizeit besonders schätzt und dabei auch an Österreich denkt, das er oft bereist hat, zuletzt im November 1977 als Vortragender in Wien und an der Universität Linz.

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