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Mit Budgettricks die Bilanz „frisiert"

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Alle Jahre wieder heulen etwa um diese Zeit die (Budget)-Alarmsire-nen: am Ende der „Beamtenrunde" der Budgetverhandlungen sind die Ausgabenwünsche der Ressorts um einige Dutzend Milliarden höher als die Gesamtsumme aus voraussichtlichen Staatseinnahmen und gerade noch vertretbarer Neuverschuldung. Dennoch ist der heurige Budgetalarm in mehrfacher Hinsicht ein Novum.

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Alle Jahre wieder heulen etwa um diese Zeit die (Budget)-Alarmsire-nen: am Ende der „Beamtenrunde" der Budgetverhandlungen sind die Ausgabenwünsche der Ressorts um einige Dutzend Milliarden höher als die Gesamtsumme aus voraussichtlichen Staatseinnahmen und gerade noch vertretbarer Neuverschuldung. Dennoch ist der heurige Budgetalarm in mehrfacher Hinsicht ein Novum.

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Erstens deshalb, weil der Einsparungsbetrag, der für die „Ministerrunde" im Frühherbst übrigzubleiben droht, dem Vernehmen nach fast doppelt so groß ist wie die schon seit Jahren gewohnten 25 bis 30 Milliarden.

Zweitens, weil diesmal der Budgetalarm früher als sonst ausgelöst worden ist: Das warnende Memorandum des Finanzministerums ist mit 26. April 1991 datiert, das ihm beiliegende Szenario für die bis 1994 drohende Budget(fehl)entwicklung sogar mit 21. März, also bereits etwa zeitgleich mit der - wahlbedingt verspäteten -Absegnung des Voranschlages für 1991 durch den Nationalrat.

Dieses zeitliche Zusammentreffen ist kein Zufall, sondern die indirekte Bestätigung der dritten und wichtigsten Begründung dafür, daß die Budgetalarmsirenen heuer viel lauter als sonst heulen: Es gilt jetzt, den argen Rückschlag aufzuholen, den der Voranschlag für 1991 dem Budgetkonsolidierungsprozeß zugefügt hat.

Rückschlag? Rein äußerlich nimmt

sich das Budget 1991 nur wie eine Verschnaufpause zwischen der ersten und der zweiten Phase des Defizitabbaues von (1986) 5,16 Prozent auf -nunmehr erst 1994 - 2,4 Prozent des BIP aus: Der Abgang wäre mit geplanten 63,3 Milliarden Schilling absolut nur um eine Spur höher als 1990 (62,9 Milliarden Schilling) und in Relation zum Sozialprodukt ebenfalls nur um eine Spur niedriger (nach den Daten der WIFO-Prognose 3,28 Prozent nach 3,48 Prozent).

Nur leider: Erreicht wurde dies mit einer Reihe von Budgettricks, die einerseits den Konsolidierungserfolg

1990 optisch geschmälert und andererseits im Voranschlag für 1991 die zumindest Pro-forma-Erfüllung der Koalitionsvereinbarung „... Budgetdefizit rund 63 Milliarden Schilling" ermöglicht haben.

Wie sehr mit diesen Tricks die Budgetwirklichkeit verfälscht worden ist, zeigt im Maiheft der WIFO-Monatsberichte die Entwicklung des „BIP-relevanten Saldos": Ohne die „vermögenswirksamen Transaktionen" (Veräußerung von Bundeseigentum, vor allem aber - 1990 - Bildung und - 1991 - Auflösung von Reserven) wäre im vorigen Jahr das ausgewiesene Defizit nicht um 0,2 Milliarden Schilling gestiegen, sondern um 9,2 Milliarden Schilling gesunken. Aber vor allem: Im Voranschlag für

1991 verbirgt sich hinter den bloß 0,4 Milliarden, um die das „offizielle" Defizit höher ist, ein dramatischer Anstieg des tatsächlichen Defizits um 25, 1 Milliarden (nämlich von 54,8 auf voraussichtlich 49,9 Milliarden Schilling).

Bezogen auf das Brutto-Inlandspro-dukt wären das 4,14 Prozent und damit wieder fast soviel wie die 4,52 Prozent, die der BIP-relevante (Minus-) Saldo im Jahre 1986 vor Beginn der Budgetkonsolidierung ausgemacht hatte. Bis 1990 wardiesesechte Defizit um ein Drittel auf 3,03 Prozent des BIP reduziert worden. Jetzt hat ein einziges (Wahl-)Jahrgenügt, den Konsolidierungserfolg einer ganzen Legislaturperiode beinahe zunichte zu machen. Und nur, weil wir wieder fast von vorne beginnen müssen, sind die Angaben für den Konsolidierungsbedarf in den Budgets 1992 bis 1994 so

erschreckend hoch: Ohne zusätzliche Ausgabenwünsche 34, 46 und 54 Milliarden, unter Berücksichtigung der bereits präsentierten Forderungen sogar schätzungsweise 95, 108 und 117 Milliarden.

Wer über das „(Wahl-)Jahr" im vorigen Absatz gestolpert ist, teilt bloß das Schicksal des Finanzministers: Mit dem Budgettrick, die konjunkturbedingten Mehreinnahmen 1990 - es gingen um 18,4 Mjliarden mehr ein als prälimiriiert - etwa zur Hälfte für die Bildung von Reserven zu verwenden, hat Minister Lacinazwar zumin-

dest teilweise verhindern können, daß die Wahlen ihren (Budget-)Schatten vorauswerfen, aber eingeholt hat ihn dieser Schatten bei der Erstellung des Voranschlages für das Nach-Wahljahr 1991 erst zu einem Zeitpunkt, als sich die - relativ - vollen Kassen des Staates nicht mehr verheimlichen ließen (und schon Joseph Schumpeter hatte, obwohl nur ganz kurz Finanz-minister, die Erkenntnis gewonnen: „Eher bringt man einen Pudel dazu, sich eine Wurstsammlung anzulegen, als ein Parlament dazu, bei vollen Staatskassen nicht neue Ausgaben zu beschließen").

So kurze Beine haben Budgettricks aber nicht immer. Bisweilen rächen sie sich erst nach geraumerZeit, dafür aber umso ärger.

Ein (leider gar nicht) schönes Anschauungsbeispiel hiefür ist der -pardon! - Budgettrick, sich auch in Jahren, in denen es für Defizitausgaben keine konjunkturpolitische Rechtfertigung gibt, über den Dauerkonflikt zwischen der grenzenlosen Begehrlichkeit derStaatsbürgerund ihrer keineswegs grenzenlosen Steuerzahlwilligkeit mit der Aufnahme von Krediten hinwegzuschwindeln.

Dem Umstand, daß Staatsschulden de facto nie zurückgezahlt, sondern nur durch neue ersetzt werden, konnte das neue Haushaltsrecht durch die Verbannung der Tilgungen in einen gesonderten Ausgleichshaushalt optisch Rechnung tragen.

Keinerlei Optik hilft jedoch darüber hinweg, daß uns jetzt die Zinsenfolgen dieses „permanent deficit spen-ding" ereilen.

Heuer ist es erstmals sogar so weit,

daß die gesamte Neuverschuldung nicht einmal ausreicht, die Zinsen für die alten Schulden zu bezahlen: Ohne den Zinsenaufwand wiese der „primäre" Staatshaushalt sogar einen Überschuß von 6,2 Milliarden auf. (Zum Vergleich: Als sich die in Bildung begriffene Koalitionsregierung Ende 1986 nolens volens zu einer schrittweisen Verminderung der Neuverschuldung entschloß, hatte das „Primärdefizit" noch 32,4 Milliarden Schilling betragen, das heißt von den 73,1 Milliarden an neuen Krediten konnte noch 56 Prozent für Investitionen verwendet werden.)

Die 6,2 Milliarden, um die heuer der Staat für alles übrige (Soziales, Bildung, Sicherheit, Wirtschaftsförderung und so weiter) weniger ausgeben kann, als er uns in Form von Steuern, Tarifen und so weiter abknöpft, sind aber nur ein Auftakt: Nach dem Budgetszenarium steigt der notwendige Einnahmeüberschuß auf 1992:13,8 Milliarden Schilling, 1993:

24.0 Milliarden Schilling und 1994:

36.1 Milliarden Schilling. Einerlei, ob dieses Umkippen des

„Primärdefizits" von 32,4 Milliarden zu Beginn des Konsolidierungsprozesses in einen Überschuß von 36,1 Milliarden am Ende dieses Prozesses mit Ausgabenkürzungen oder mit Steuererhöhungen bewirkt wird -schmerzhaft ist das Den-Gürtel-enger-Schnallen so oder so.

Ergo werden die Budgetalarmsirenen heuer ganz bestimmt nicht zum letzten Mal derart laut geheult haben...

Der Autor ist Wirtschaftspublizist und Herausgeber der „Finanznachrichten".

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