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Mit dem Ahornblatt
Die Kanadier wählen am 30. Oktober, und Premierminister Pierre Trudeaus Chancen, wieder eine parlamentarische Mehrheit zu erobern, sind nicht gut. Noch zieht die von ihm geführte Partei als Favorit in den Wahlkampf, doch der Ubertritt prominenter Liberaler — teils zu den Konservativen, teils zu den Sozialisten — spiegelt die Unzufriedenheit mit der Regierung des zweitgrößten Landes der Erde. Inflation und Arbeitslosigkeit sind ebenso brennende Probleme wie die immer größere Dominierung der Wirtschaft durch US-Interessen und die eindrucksvolle Stärke der separatistischen Bewegung in der Belle Province Quebec.
Die Kanadier wählen am 30. Oktober, und Premierminister Pierre Trudeaus Chancen, wieder eine parlamentarische Mehrheit zu erobern, sind nicht gut. Noch zieht die von ihm geführte Partei als Favorit in den Wahlkampf, doch der Ubertritt prominenter Liberaler — teils zu den Konservativen, teils zu den Sozialisten — spiegelt die Unzufriedenheit mit der Regierung des zweitgrößten Landes der Erde. Inflation und Arbeitslosigkeit sind ebenso brennende Probleme wie die immer größere Dominierung der Wirtschaft durch US-Interessen und die eindrucksvolle Stärke der separatistischen Bewegung in der Belle Province Quebec.
Vereinigten Staaten, von den großen Ländern des europäischen Kontinents gar nicht zu reden. Für Japan ist das eine relativ normale Zahl.
Von den tausend Anträgen wurden sieben genehmigt. Die anderen wurden keineswegs abgelehnt. Die Antragsteller oder ihre Zeitungen respektive die Zeitungen und die von ihnen nominierten chinesischen Korrespondenten wußten auch nach drei Monaten noch nicht, woran sie waren.
Ich sagte: „Vermutlich hat man also die Vertreter der prochinesischen, will sagen pro Mao eingestellten Zeitungen akzeptiert.“
„Keineswegs. Es ist überhaupt kein System ersichtlich. Anti-Mao-Zeitungen konnten Vertreter placieren, kommunistische Organe konnten sie nicht placieren. Und wir glauben, daß das keineswegs Zufall ist!“ Er fuhr fort zu erklären: Da nur so wenige zugelassen wurden, würden die sich bemühen, so zu schreiben, daß man sich in Peking nicht über sie ärgern würde. Das galt nicht nur für ihre Artikel, das galt auch für ihre Zeitungen. Es war ja schon vorgekommen und kam immer wieder vor, daß ein Korrespondent aus einem Land ausgewiesen wurde, weil „die ganze Richtung“ seiner Zeitung dem Lande nicht paßte, in dem er sich vorübergehend als Gast niedergelassen hatte. Auf der anderen Seite die nicht zugelassenen Zeitungen: Da sie nicht definitiv abschlägig beschieden worden waren, mußten sie keineswegs die Hoffnung aufgeben, eines Tages doch zugelassen zu werden — vorausgesetzt, daß sie Peking nicht auf die Nerven gingen.
„Also Zensur?“ fragte ich.
„Natürlich Zensur. Nur eine, von der man in der breiten Öffentlichkeit nichts weiß. Denn wer hätte Interesse daran, diese Geschichte zu verbreiten? Wir in Japan haben sicher kein Interesse daran, da wir ja auf die gute Stimmung der Männer in Peking angewiesen sind, die
ßen. Das würde ja nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als daß die aufgeben würden. Dies wäre, so meint der Leiter des Instituts, der Franzose Ernest Meyer, nicht einmal den Ländern zuzumuten, die noch nie einen Korrespondenten ausgewiesen haben.
Aber sie könnten ja morgen dazu gezwungen sein, Korrespondenten auszuweisen, etwa, wenn sich erwiese, daß sie als Spione oder als Schmuggler von Rauschgift neben ihrer journalistischen Tätigkeit aktiv waren. Auch dies ist schon wiederholt vorgekommen. Die Regierung des Gastlandes hat sich meistens damit begnügt, den Korrespondenten oder ihren Zeitungen einen Wink zu geben. Und die fanden es auch besser, einfach abzureisen als, wie etwa im Fall der kompromittierten Mitglieder der Londoner Botschaft der UdSSR, lauten Protest zu erheben.
Wenn auch der Plan des Presseinstituts, alle Korrespondenten zu schützen, niemals durchführbar sein wird, so darf doch gesagt werden, daß die Demokratien oder auch nur einigermaßen demokratisch regierten Länder sehr viel vorsichtiger sind, wenn es darum geht, einen Journalisten nicht zu akkreditieren, oder seine Abreise zu verlangen, oder ihn gar zu arretieren, als die Diktaturen. Sie haben ja keinerlei Kritik im eigenen Lande zu befürchten.
Ein Überblick über Verhaftungen, das Festhalten oder die Ausweisung von Korrespondenten im Jahre 1971 zeigt: In Bolivien wurde ein deutscher Korrespondent verhaftet, aus Ceylon wurden zwei amerikanische ausgewiesen; in Kuba wurde ein französischer Journalist zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, aus der Tschechoslowakei wurde ein schwedischer Journalist ausgewiesen, für elf weitere schwedische Journalisten und Rundfunkkommentatoren wurden Visen nicht genehmigt. Die DDR verweigerte mehreren westdeutschen Journalisten die Einreise, ein holländischer Journalist wurde ausgewie-
Allein zwischen Juli und August stiegen die Lebensmittelpreise um
2.2 Prozent und nicht weniger als
6.3 Prozent der Arbeitnehmer sind stellenlos. Seit Monaten erwarteten die Kanadier die Bekanntgabe des Wahltages, doch die Regierung zauderte, in der Hoffnung auf ein Sinken der Arbeitslosigkeit.
Schon gibt es westlich von Quebec keine liberale Provinzregierung mehr; die Kemprovinz Ontario und das ölreiche Alberta (Kanadas Texas) haben konservative Regierungschefs, während Sozialisten die Geschicke der Prärieprovinzen Mani-toba und Saskatchewan lenken und jüngstens auch in British Columbia (Kanadas Kalifornien) triumphierten.
Was die Stimmabgabe am 30. Oktober besonders interessant macht, ist der Übertritt prominenter Liberaler zu anderen Parteien. Dies mag besonders in der Belle Province, der Heimatprovinz Trudeaus, . erhebliche Auswirkungen haben. Bei den Wahlen von 1968 eroberten die Liberalen nicht weniger als 56 der 73 Quebecer Mandate, während die Konservativen hier nur vier Sitze erobern konnten. Mit dem kürzlich erfolgten Übertritt des früheren, sehr populären liberalen Justizministers Claude Wagner zu den Konservativen haben diese zum erstenmal seit Jahren einen Quebecer von Format als „Wahllokomotive“.
Obwohl die Konservativen seit 1943 die Regierung der Kemprovinz Ontario stellen, gelang es dem Charisma Pierre Trudeaus hier 1968 nicht weniger als 59 der 75 Mandate für die Liberalen zu gewinnen. Heute ist die Unzufriedenheit mit Trudeau in Ontario vielleicht noch größer als anderswo. Prominente Liberale, der frühere Vizepremier Paul Hellyer und der Abgeordnete Perry Ryan, kandidieren nun für die Konservativen, ebenso der „Urankönig“ Dr. h. c. Stephen Roman, dessen Wiege in Velk y Ruskov in der Slowakei stand. Anderseits ist die attraktive Universitätsprofessorin Pauline Jewitt — eine prominente liberale Abgeordnete während des Pearson-Regimes — die sozialistische Kandidatin in Ottawa-West.
Bei der Auflösung des Parlaments standen den 147 Liberalen 73 Konservative, 25 Sozialisten, 13 Social Crediter und zwei Unabhängige gegenüber; vier Sitze waren vakant. Interessanterweise hatten die Liberalen in den beiden Großprovinzen Ontario und Quebec 115 Mandate — mehr, als alle Oppositionsparteien in ganz Kanada. In Ontario, Quebec und British Columbia (wo sie in 14 der 22 Wahlkreisen siegten) werden die Liberalen wohl mit Verlusten rechnen müssen und in diesen Provinzen haben die Konservativen die besten Chancen auf Mandatsgewinne.
Die Sozialisten, die ihre Sitze in
Ontario (7), Manitoba (3), Saskatchewan (7) und British Columbia (8) gewannen, rechnen besonders in den drei westlichen Provinzen — in denen sie nun die Provinzregierung stellen — auf Mandatsgewinne. Die Sozialisten setzen große Hoffnung auf ihre Strategie des Kampfes gegen die enormen Steuerbegünstigungen großer Konzerne — während der Durchschnittskanadier unter dem Steuerdruck stöhnt.
Vor seinem Wahltrmmph von 1968 hatte Pierre Trudeau — Universitätsprofessor, Millionär und Junggeselle — das Image eines dynamischen Intellektuellen mit jugendlicher Vitalität, der zwischen Wahlversammlungen (vor den Kameras) Hechtsprünge machte und von jungen Schönen umlagert war. Damals schien Pierre Trudeau auch jenen, die nie für seine Partei gestimmt hatten, um so viel gewinnender als seine oft glanzlosen, machthungrigen Opponenten. Seit seiner Heirat hat Trudeau, nun 52, nicht mehr das Image des Playboys; ob er noch die Jungwähler fasziniert, wie vor vier Jahren, wird der 30. Oktober zeigen.
Vielleicht erwarteten die Kanadier zuviel von ihm. Treffend bemerkte ein prominenter Liberaler: „Trudeau hätte Siegfried mit einem Ahornblatt sein müssen, um alle zufriedenzustellen.“
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