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Mit den Blauen in Wien?

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Die Wiener ÖVP hat einen neuen Obmann: den dritten in drei Jahren, und der will der erste demokratisch gewählte „bürgerliche Bürgermeister" von Wien werden. Womöglich mit Hilfe der Partei Jörg Haiders, der am Wochenende ein weiteres Opfer seiner eigenen Partei, den Dritten steirischen Landtagspräsidenten Ludwig Rader, unter die Guillotine führte. Sind Wiens Schwarze von allen guten Geistern verlassen?

Tatsache ist: Das muß schon irgend einmal früher passiert sein. Von guten Geistern war da seit Jahren wenig auszumachen. Tatsache ist ferner: Die Ankündigung „Ich will Bürgermeister werden" ist das einzige Motto, mit dem die Wiener Volkspartei noch mit Anstand vor ihre Wähler treten kann. Wenn eine Partei wie die ÖVP nicht mehr daran glaubt, erste werden zu können, marschiert sie am besten gleich zum Konkursrichter. Das Startmotto von Bernhard Görg sitzt.

Aber steckt ein Funken Wirklichkeitsgehalt in ihm? Auf 18 Prozent hat es die ÖVP bei der letzten Wiener Gemeinderatswahl gebracht. Freilich: Thomas Klestil ist schon beim ersten Wahlgang in Wien auf 37 Prozent und beim zweiten auf 50,1 Prozent gekommen. Zwischen erstaunlichen Extremwerten liegt die reale „bürgerliche" Möglichkeit.

Ob Görg das Wunder schafft, bleibt abzuwarten. Er ist ein Quereinsteiger mit politischem Gespür. So viel steht fest. Aber das war sein Vorgänger Heinrich Wille auch: blendender Rechtsanwalt, homo politicus, ehrenhafter Mensch - aber mit einer Massenausstrahlung, die an den Markennamen eines Ottakringer Alkoholfreibiers erinnert. Wird Görg anders sein?

Wir werden sehen. Weder garantiert Quereinsteigertum politische Erfolge noch schließt ein solches diese aus. Glaubwürdig muß der Mann (oder die Frau) sein, und das ist schwer genug in der heutigen Politik. Den ÖVP-Anhängern in Wien bleibt gar keine andere Wahl, als Görg die Chance zu geben.

Was aber soll man vom Gerede von einer „bürgerlichen Mehrheit" halten? Auch hier heißt es, auf dem Boden der harten Realität zu bleiben: Letzte Hoffnungen sind rundum angesagt. Die Wiener FPÖ ist nicht identisch mit der gesamtösterreichischen Haider-Partei, die eben ein weiteres Stück Selbstachtung dem stimmenbringenden Führer geopfert hat.

Ein beschämendes Trauerspiel. Ein Grund mehr, dem Neo-Gröfaz, der aus germanischen Recken Hampelmänner macht, weiter Paktfähigkeit zu verweigern.

Aber auch kein Grund, einer Zusammenarbeit mit einer freiheitlichen Landesorganisation, die in den meisten Bundesländern seit vielen Jahren funktioniert, in Wien prinzipiell abzuschwören. Wer solches von der Wiener Volkspartei verlangt, betoniert politische Dinosaurier ein.

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