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Mit den Böden stirbt das Wasser

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Kunstdüngung - sie schien zunächst ausschließlich segensreich - erweist sich durch allzu intensive Anwendung als umweltbedrohend: Eine Skizze der vielfältigen Zusammenhänge.

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Kunstdüngung - sie schien zunächst ausschließlich segensreich - erweist sich durch allzu intensive Anwendung als umweltbedrohend: Eine Skizze der vielfältigen Zusammenhänge.

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Verführt durch Justus von Liebig war man der Meinung, das Ökosystem Boden, als Basis für unsere Nährstoffproduktion analog einer Hydrokultur, künstlich versorgen zu können. Die Photosynthese funktioniert, wenn Licht, Wasser, Kohlendioxid (C02) und Mineralstoffe vorhanden sind. Ein Sandbett als Trägersubstanz sollte ausreichen. Die Funktion des vielfältigen Bodenlebens wurde nicht erkannt.

So kommen in Österreich jährlich rund eine Million Tonnen

Kunstdünger und Pestizide auf unsere landwirtschaftlichen Flächen. Solange die Böden noch einigermaßen intakt waren, konnten auf diese Weise tatsächlich enorme Produktionssteigerungen erzielt werden. Heute erkennen wir, daß die hohen Erträge durch Überdüngung mit löslichen Mineralstoffen und durch intensive Bodenbearbeitung (beide bedeuten letztlich einen gewaltigen fossilen Energieeintrag), uns neue, vernetzte Problemkreise beschert haben.

Die künstliche Bodenernährung erlaubte die Trennung von landwirtschaftlicher Nutzfläche und Tierhaltungsbetrieben (Verede-

lungsbetrieben). Es entwickelten sich zentrale, großflächige Betriebsstrukturen, wobei gleichzeitig die Abfälle aus den Tierhaltungsbetrie-ben zum Entsorgungsproblem wurden. Die natürlichen Nährstoffkreisläufe wurden aufgebrochen. Es ist leicht erkennbar, daß auf diese Art die Kosten der Produktion maximiert werden und die Landwirtschaft rein wirtschaftlich in eine aussichtslose Situation getrieben wird.

Die Monokulturen und das Ausräumen der Landschaft (Sträucher, Randbepflanzungen...) bewirkten einen verstärkten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, womit ein spezieller Teufelskreis „Chemie" begann. Das ökologische Prinzip der Vielfalt wurde mißachtet und Lebensräume für Nützlinge, als natürliche Schädlingsbegrenzer, wurden vernichtet.

Die ausgeräumten, intensiv bearbeiteten Flächen waren verstärkter Erosion und verstärkter Kühlung durch Winde ausgesetzt, was aufgrund der „Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel" eindeutig Minderproduktion bedeutet.

Durch die „Überdüngung" mit löslichen Mineralstoffen konnte die Produktion vervielfacht werden und es entstanden gewaltige Überschüsse, welche nur mit schweren Verlusten am Weltmarkt abgesetzt werden können. So blieben die landwirtschaftlichen Produkte seit fast 30 Jahren preisgleich und der hohe Chemie- und Maschineneinsatz führte zu schweren Belastungen der Bauern und der Böden.

Das Kernproblem liegt aber im löslichen Mineraldünger, welcher für die Verdichtung der Böden und für den Verlust des Wasserrückhaltevermögens und somit für den Problemkreis Hochwasser, Reduzierung der Jahresniederschlags-

menge, Nährstoffauswaschung in Grund- und Oberflächenwässern und Zerstörung der Ozonschicht verantwortlich ist.

In einem natürlichen System werden der wachsenden Pflanze Nährstoffe zur Verfügung gestellt, indem Bodenbakterien organischen Dünger, in welchem die Mineralstoffe unlöslich fixiert sind, verarbeiten, dabei Sauerstoff brauchen (Bodenbelüftung!) und Wasser, C02 und Mineralstoffe, Faktoren, die für das Pflanzenwachstum von äußerster Wichtigkeit sind, freisetzen. Nimmt die Pflanze nicht alle freigesetzten Mineralstoffe auf, so steigt die Konzentration der gelösten Mineralien im Boden und die Lebensbedingungen für Bodenbak-

terien verschlechtern sich, weil diese ja ihre eigenen Ausscheidungsprodukte darstellen.

Auf diese Art hat die Natur eine, durch Bodenbakterien gesteuerte Bereitstellung von Mineralstoffen für das Pflanzenwachstum eingerichtet, so daß niemals ein Überschuß an löslichen Stoffen vorhanden ist, welcher als Schadstoff in das Grundwasser geraten könnte.

Die aufgebrachten künstlichen, löslichen Mineralstoffe täuschen also den Bodenbakterien eine hohe Konzentration jener Stoffe vor, die sie selbst aus der Organik freisetzen hätten sollen. Die Bodenbakterien sterben in dieser Lösung ab, womit die Hauptsubstanz an organischem Leben im Boden (zirka 20 Tonnen je Hektar in der oberen Schicht) empfindlich gestört wird.

Das hat einen enormen Einfluß auf das gesamte Ökosystem Boden, vor allem aber auf die Existenz der Regenwürmer, welche für die Bodendurchlüftung, Bodenauflockerung und die Bildung spezieller . Humuskomplexe verantwortlich sind.

Die natürlichen Auflockerungsund Durchlüftungsmechanismen fallen weg, die Böden verdichten. Niederschläge rinnen oberflächlich oder durch Trockenrisse, beladen mit Nährstoffen, rasch in den Vorfluter oder ins Grundwasser ab. Die Aufenthaltszeit des Wassers im Land wird auf diese Weise drastisch verkürzt. Dadurch wird auch wieder weniger Wasser durch die Vegetation verdampft und somit auch die Jahresniederschlagsmenge verringert. Da aber das Wasser als Transportmittel der Nährstoffe für die Pflanzenproduktion der wichtigste Faktor ist, führt die zunehmende Verschlechterung der Böden, aufgrund fehlenden Bodenlebens, unweigerlich zu sinkenden Erträgen.

Die Stickstoffüberdüngung in den verdichteten, sauerstoffarmen Böden führt teils zur Nitratbelastung im Grundwasser und teils durch noch vorhandene denitrifi-zierende Bakterien zur Distick-oxydbildung. Distickoxyd (Lachgas) hat Edelgascharakter, wird von der Luftfeuchtigkeit nicht ausgewaschen und ist neben den Stickoxyden aus dem Flugverkehr, verantwortlich für die Zerstörung der Ozonschicht, welche uns die tödlichen UV-Strahlen der Sonne abhält.

Dozent Dr. August Raggam ist Leiter des Forschungsinstituts für Alternative Energienutzung und Biomasse verwertung der Technischen Universität Graz. Sein Beitrag ist ein Auszug aus seinem Vortrag: „Zukunft durch Biomasse", den er im Rahmen des Seminars „Vollsolare Energieversorgung für Österreich - Chancen und Grenzen" im Dezember 1990 in Graz gehalten hat.

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