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Digital In Arbeit

Mit fünfzig Jahren schon verbraucht?

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A us der Bundesrepublik Deutschland kommen in der letzteren Zeit einige Untersuchungsergebnisse zu uns, die uns gleichermaßen deprimieren wie beunruhigen sollten. 80 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer möchten nämlich schon frühzeitig in den Ruhestand gehen.

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A us der Bundesrepublik Deutschland kommen in der letzteren Zeit einige Untersuchungsergebnisse zu uns, die uns gleichermaßen deprimieren wie beunruhigen sollten. 80 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer möchten nämlich schon frühzeitig in den Ruhestand gehen.

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Erschrecken machen vor allen Dingen die Gründe, warum acht von zehn der Beschäftigten sich frühzeitig auf ihr Altenteil zurückziehen möchten: Die Angst vor dem Versagen im Alter ist es, die jenseits unserer Grenzen, im Wirtschaftswunderland Deutschland, so viele Arbeitnehmer geistig, seelisch und physisch bedrängt.

Mag sein, daß es hier bei uns, auf der Insel der Seligen, weniger schlimm aussieht. Vielleicht sind es nur 70 Prozent der Beschäftigten, die unter dem Leistungsdruck leiden. Vielleicht aber sind es auch mehr.

Wir brauchen die bessere Leistung.

Wir brauchen mehr Leistung. Wir brauchen Wachstum. Und wir brauchen immer „noch mehr" in immer noch kürzeren Zeiten!

Wirklich? Ist das Kosten-Nutzen-Denken, ohne Rücksicht auf Humanität am Arbeitsplatz, ohne Gefühle für das Alter, vielleicht sogar auch ohne Dank für die bisher erbrachten Leistungen, das tatsächlich einzig Richtige, um Wettbewerbsfähigkeit erhalten zu können?

Dazu noch ein paar nachdenkenswerte Realitäten, ebenfalls aus der BRD: Das Problem der Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmern ist dort

kaum zu lösen. Die Chancen für eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß betragen rund sechs Prozent. Elastische Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte, wie auch bei uns von vielen Ärzten gefordert, lassen sich nicht durchsetzen.

Einen besonderen Kündigungsschutz für Ältere gibt es nur in 54 Prozent aller Tarifverträge, und eine Umsetzung als Ubergang oder Teilübergang für ältere Arbeitnehmer - alte Menschen sind nicht weniger leistungsfähig, sondern nur anders - wurde in der Praxis nach wie vor kaum erreicht.

Wie gesagt: Das sind alles nur Tatsachenerkenntnisse aus der BRD. Aber, sie sollten uns zu Überlegungen herausfordern. Auch besonders deshalb, weil die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, daß sehr vieles von dem, was für unsere Nachbarn gilt, auch für Österreich zutrifft. Noch hätten wir sicher die Zeit und auch die Möglichkeiten, uns gut auf diese möglichen Schwierigkeiten vorzubereiten. Gibt es wirklich keine menschlichen Möglichkeiten, den angeblichen Wohlstand zu sichern, als nur durch das ständige Streben nach Erhöhungen aller Art?

Wir sollten, vielleicht besser als bisher, darüber nachdenken, daß gerade durch diese Maßlosigkeit nach noch

mehr Leistung, ohne Rücksicht auf den Menschen, vor allen Dingen auch auf den älteren Menschen, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft leiden könnten, und daß das soziale Zusammenleben zumindest gefährdet ist.

Neue soziale Gegensätze könnten entstehen. Es wäre sehr gefährlich und unmenschlich, wenn es morgen heißen könnte: „Gut ist, wer jung ist und noch mehr leistet. Schlecht ist aber der, der diesem Verlangen nicht mehr gerecht werden kann." Eben nur deshalb, weil sein Körper gealtert ist.

„Verbraucht mit fünfzig Jahren": eine schlechte Alternative für ein bißchen „mehr" an Wohlstand.

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